EU-Rat: Keine Chatkontrolle bei nummerngebundenen Kommunikationsdiensten​

Ein Kompromisstext im EU-Rat stellt klar, dass die Auflage zum Scannen privater Nachrichten nur für Dienste ohne Telefonnummer gelten soll.​

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(Bild: mixmagic/Shutterstock.com)

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Der umkämpfte Entwurf der EU-Kommission für eine Verordnung zur Online-Überwachung unter dem Aufhänger des Kampfs gegen sexuellen Kindesmissbrauch macht Fortschritte im EU-Ministerrat. Die schwedische Präsidentschaft will nun sicherstellen, dass nummerngebundene interpersonelle Telekommunikationsdienste nicht erfasst werden. Dies geht laut dem Online-Magazin "Euractiv" aus einem Kompromisspapier der Ratsspitze hervor.

Der Vorschlag der EU-Kommission sieht vor, dass Anbieter von Messenger-Diensten wie WhatsApp, Signal oder Threema nach bekannten und neuen Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauchs suchen müssten – auch wenn sie durchgehend verschlüsselt sind. Der Ratsvorsitz legt nun Wert darauf, dass die Initiative nur für nummernunabhängige interpersonelle Telekommunikationsdienste gelten soll. Darunter fallen nach der Definition aus dem EU-Kodex für die elektronische Kommunikation vor allem Messaging- und Videokommunikationsdienste. Erfasst werden sollen also etwa die Chat-Services von Facebook, Apple (iMessage), WhatsApp, Signal, Telegram oder Threema.

Die Unterscheidung im Kodex zu nummerngebundenen Diensten trägt laut Regulierungsexperten dem Umstand Rechnung, dass solche Services interoperabel und damit zusammengeschaltet sind. Trotzdem können auch nummernunabhängige Dienste die Rufnummer zur Identifikation eines Kontakts verwenden, wie dies etwa WhatsApp und Signal tun. Diese müssten also private Nachrichten ihrer Nutzer ebenfalls überwachen, auch wenn sie verschlüsselt sind.

Zu nummerngebundenen Diensten zählen vor allem Festnetz- und Mobilfunkanschlüsse und der SMS-Versand. Auch Services wie ViberOut, über den Nutzer internationale und nationale Nummern anrufen können, sowie Skype mit SkypeOut dürften laut "Euractiv" in diese Kategorie fallen, für die von vornherein strengere Regulierungsvorgaben wie eine Pflicht zur Identifizierung und Verifizierung ihrer Anwender gelten. Die Ratsführung sieht hier so offenbar ein kleineres Missbrauchspotenzial.

Das Kompromisspapier, das am Mittwoch auf der Agenda der Arbeitsgruppe für Strafverfolgung des Rates stand, sieht laut dem Bericht auch eine Möglichkeit für Justizbehörden vor, Löschanordnungen für Suchmaschinen-Betreiber zu erlassen. Google, Bing, DuckDuckGo & Co. könnten damit verpflichtet werden, Webseiten, die Material über sexuellen Kindesmissbrauch enthalten, aus den Suchergebnissen zu streichen. In der Regel mache große Suchmaschinen-Anbieter dies schon jetzt und freiwillig.

Für andere erfasste Dienste sieht bereits der Kommissionsentwurf behördliche Löschauflagen vor. Inhalte sollen nun innerhalb von 24 Stunden gelöscht werden müssen – nicht binnen einer Stunde. Der Anbieter solle auch in der Lage sein, das umstrittene Material nach einem Rechtsbehelfsverfahren wiederherzustellen. Wenn der Hosting-Dienst seinen Hauptsitz nicht in dem Mitgliedstaat hat, von dem aus die Meldung erfolgt, muss die anordnende Behörde eine Kopie des Geheißes an die Koordinierungsbehörde des Landes schicken, in dem das Unternehmen ansässig ist.

Die Initiative sieht auch das besonders umstrittene Instrument von Websperren vor. Laut dem Ratspapier muss ein Provider eine solche Blockade binnen einer Woche einrichten. Ein Zugangsanbieter soll zudem klare Hinweise erhalten, die es ihm ermöglichen, das einschlägige Missbrauchsmaterial auszumachen. Eine Sperranordnung könne nur ausgestellt werden kann, wenn der Inhalt auf einer vom geplanten EU-Zentrum bereitgestellten Liste verzeichnet ist. Die Bundesregierung verfolgt eigentlich das Prinzip "Löschen statt Sperren". Große Kritik an dem EU-Vorhaben übt sie an diesem Punkt aber bislang nicht.

Hinsichtlich des Datenschutzes hat Schweden "Euractiv" zufolge einen Hinweis eingefügt, wonach die Verordnung die in der EU verbrieften Rechte, Freiheiten und Grundsätze zur Achtung des Privatlebens sowie der Meinungs- und Informationsfreiheit nicht außer Kraft setzen soll. Wie sich dies mit dem befürchteten und von Experten abgelehnten flächendeckenden Scannen privater Kommunikation in Einklang bringen ließe, bleibt offen.

(vbr)