EU-Ratsvorsitz will gordischen Knoten bei Vorratsdatenspeicherung zerschlagen

Die spanische Ratspräsidentschaft fordert die "gerichtsresiliente" ausgeweitete Protokollierung von Verbindungs- und Ortsdaten unter Einbezug von WhatsApp & Co.

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(Bild: lisyl/Shutterstock.com)

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Es war keine leichte Kost, die der spanische Vorsitz des EU-Ministerrates am Donnerstag den Innenministern bei einem informellen Treffen in Logroño zum "Arbeitsmittagessen" servierte. "Der Zugriff der Polizei auf elektronische Kommunikation und digitale Daten als Voraussetzung für die Strafverfolgung" lautete das Thema. In einem gleichnamigen Diskussionspapier machen die Spanier massiv Druck für einen neuen Anlauf zu einer EU-weiten Vorratsdatenspeicherung, nachdem schon viele im Sande verlaufen waren. Fast zehn Jahre nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) die einschlägige Richtlinie für ungültig erklärte, heißt es darin, "ist eine Lösung erforderlich".

Angesichts der vom EuGH für die Vorratsdatenspeicherung gesetzten Grenzen scheine es "weder auf europäischer Ebene noch auf der Ebene der einzelnen Mitgliedstaaten eine klare Vorstellung davon zu geben, wie vorzugehen ist", moniert die Ratspräsidentschaft in dem von Netzpolitik.org veröffentlichten Dokument. Abgesehen von einigen Klarstellungen zum Umfang und zu den Grenzen der Datenspeicherung bestehe die einzige Bewegung in der Bestätigung und Konsolidierung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus den Jahren 2014 und 2016. Die Spanier verlangen: "Auf dieser Basis müssen wir auf die notwendigen Maßnahmen drängen, um die Situation zu ändern und etwas Licht in die Dunkelheit zu bringen, in der Kriminelle agieren und mit der unsere Polizei und andere Strafverfolgungsbehörden konfrontiert sind."

Die kürzlich eingeleitete Initiative zur Einrichtung einer einschlägigen hochrangigen Gruppe unter dem gemeinsamen Vorsitz der EU-Kommission und der halbjährlich wechselnden Präsidentschaft bezeichnet Spanien als "guten Ausgangspunkt". Damit werde es den Beteiligten möglich, "die Hauptprobleme zu identifizieren und gemeinsam und ganzheitlich an potenziellen Lösungen für alle damit verbundenen Dossiers zu arbeiten". Es sei wichtig, dass die Arbeit der Gruppe "zu klaren, soliden und umsetzbaren Vorschlägen führt, die die Kommission als Grundlage für einen Entwurf zu konkreten technischen und/oder gesetzgeberischen Initiativen betrachten kann".

Die angestrebte Lösung "sollte widerstandsfähig sein, auch gegenüber Gerichtsverfahren, die vor dem EuGH oder einem nationalen Gericht eingeleitet werden können", betont die Ratsspitze. Die Grundrechte müssten also vollständig eingehalten werden. Zugleich solle der neue Ansatz aber "an die technologischen Entwicklungen angepasst werden". Die Strafverfolgungsbehörden drängten darauf, dass die von den Dienstleistern bereitgestellten Daten unverschlüsselt "und nutzbar sind". Dazu komme der Appell, auch "Zugriff auf andere Arten von Daten zu gewähren, die von Dienstanbietern gespeichert werden" und "von wesentlicher Bedeutung sind" wie etwa Informationen zu Verbindungsports oder Netzwerkereignissen.

Die Daten klassischer Telekommunikationsanbieter seien weniger relevant als die von sogenannten Over-the-Top-Plattformen wie WhatsApp, Telegram, Threema, Signal & Co., führen die Spanier aus. Sie wollten wissen, ob die Innenminister auch der Ansicht seien, dass eine Zusammenarbeit mit der Branche nicht nur beim technischen Datenschutz mittels "Privacy by Design" nötig sei, sondern in Einzelfällen auch bei Fähigkeiten für den legalen Zugang zu Informationen für Ermittler. Die Innenministerkonferenz fordert hierzulande das Protokollieren von IP-Adressen, nachdem der EuGH die anlasslose Vorratsdatenspeicherung für als unvereinbar mit dem EU-Recht erklärt hatte. Zuvor hielt sie Ausnahmen, etwa für Internetkennungen, für möglich. Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kämpft für eine anlasslose Speicherung von IP-Adressen und zugehöriger Portnummern.

(mho)