EuGH-Gutachter für Vorratsdatenspeicherung im Kampf gegen Urheberrechtsverstöße

Bereits zum zweiten Mal gibt sich ein EuGH-Generalanwalt überzeugt, dass eine Vorratsspeicherung von IP-Adressen zur Durchsetzung von Urheberrechten legal ist.

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EuGH

Ein Urteil des EuGH steht nach Angaben des Gerichts noch aus und soll zu einem späteren Zeitpunkt gesprochen werden. Das Gutachten ist für die Richter nicht bindend.

(Bild: dpa, Arne Immanuel Bänsch/dpa)

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Maciej Szpunar, Erster Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH), bleibt dabei: Eine auf IP-Adressen beschränkte Vorratsspeicherung von IP-Adressen ist mit dem EU-Recht vereinbar, wenn es um den Kampf gegen Urheberrechtsverletzungen geht. Konkret geht es in dem Fall um das "3 Strikes"-System der für die Durchsetzung des Urheberrechts im Internet und Online-Sperren zuständigen französischen Behörde Hadopi. Bei diesem Modell der "abgestuften Erwiderung" erhalten Nutzer, die Urheberrechtsverstößen verdächtigt werden, zunächst zwei Warnungen. Kommt es zu einer dritten Rechtsverletzung, kann sich die Hadopi an die zuständige Justizbehörde wenden, um eine Strafverfolgung einzuleiten.

Dieses System setzt voraus, dass die Hadopi den Täter ermitteln kann, um ihn zu verwarnen. Dafür erließ die französische Regierung 2010 ein Dekret, dass es der Behörde erlaubt, bei Telekommunikationsbetreibern die Identitätsdaten des Nutzers abzufragen, dem die für die Begehung der Straftat verwendete IP-Adresse zugeordnet ist. Die vier Bürgerrechtsorganisationen La Quadrature du Net, die Fédération des fournisseurs d'accès à Internet associatifs, Franciliens.net und das French Data Network fechten diese Verfügung gerichtlich an. Der französische Staatsrat, der Conseil d’État, befragte daraufhin den EuGH, ob das Sammeln der Identitätsdaten, die IP-Adressen zugeordnet sind, sowie die automatisierte Verarbeitung dieser Informationen zum Verhindern von Urheberrechtsverletzungen ohne vorherige Kontrolle durch ein Gericht oder eine Verwaltungsstelle mit dem EU-Recht kompatibel sind.

Szpunar legt in seinen am Donnerstag vorgelegten Schlussanträgen in der Rechtssache dar, eine IP-Adresse, die zugehörigen Identitätsdaten des Inhabers eines Internetzugangs und die Informationen über das fragliche Werk ließen keine genauen Schlüsse auf das Privatleben der verdächtigten Person zu. Es handele sich dabei lediglich um die Offenlegung eines zu einem bestimmten Zeitpunkt abgerufenen Inhalts, der für sich genommen nicht geeignet sei, ein detailliertes Profil eines Nutzers zu erstellen. Diese Maßnahme solle es der zuständigen Behörde ermöglichen, die Inhaber der IP-Adressen zu ermitteln und gegebenenfalls gegen sie vorzugehen. Eine Richtergenehmigung sei nicht nötig, da diese Daten den einzigen Anhaltspunkt darstellten, um die Identität von Verdächtigen herauszufinden.

Prinzipiell hat der EuGH wiederholt eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung verworfen. Das allgemeine und unterschiedslose Aufbewahren von IP-Adressen kann den Luxemburger Richtern neueren Urteilen zufolge aber für "die Bekämpfung schwerer Kriminalität und die Verhütung schwerer Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit" zulässig sein. Szpunar betont dazu, dass es ihm nicht um eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung gehe, sondern um deren "pragmatische Weiterentwicklung" und "Verfeinerung" in "sehr eng abgegrenzten Umständen". Im Bereich des Urheberrechts sei in diesem Sinne ein Protokollieren von Nutzerspuren gerechtfertigt, um "eine systematische Straflosigkeit der ausschließlich online begangenen Gesetzesverletzungen zu verhindern".

Gegner der Vorratsdatenspeicherung wie der EU-Abgeordnete Patrick Breyer (Piratenpartei) heben dagegen immer wieder hervor: "IP-Adressen sind wie unsere digitalen Fingerabdrücke. Ihre totale Erfassung würde Kriminalitätsvorbeugung durch anonyme Beratung und Seelsorge, Opferhilfe durch anonyme Selbsthilfeforen und auch die freie Presse gefährden, die auf anonyme Informanten angewiesen ist." Das massenhafte und flächendeckende Aufzeichnen von Kommunikation, Bewegungen und der Internetnutzung völlig unbescholtener Menschen sei eine "totalitäre Maßnahme, die mit den Werten einer freien Demokratie nicht vereinbar ist". Der EuGH-Gutachter legte seine Anträge im Rahmen der Wiedereröffnung des Verfahrens vor, nachdem er sich im Oktober 2022 schon ganz ähnlich geäußert hatte. Auf Betreiben der Großen Kammer beschloss der EuGH nämlich, die Rechtssache ans Plenum zu verweisen, um bislang noch offen gebliebene Fragen zu klären.

(akn)