EuGH: Österreich darf Soziale Netze anderer EU-Länder kein 2. Mal regulieren

Soziale Netze zu regulieren, ist Aufgabe jenes EU-Landes, in dem der Betreiber sitzt. Andere Länder dürfen ohne Anlass nicht hineinpfuschen, sagt der EuGH.​

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Luftaufnahme der Gebäude des EuGH: Drei güldene und ein schwarzes Hochhaus, rechts unten ein flaches, rechteckiges Gebäude

Der Sitz des EuGH in Luxemburg

(Bild: Gerichtshof der Europäischen Union)

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Der freie Verkehr von Dienstleistungen ist eine der vier Grundfreiheiten der Europäischen Union. Das gilt auch für digitale Dienstleistungen, ausformuliert in der EG-Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr. Das schreibt der Europäische Gerichtshof (EuGH) der Republik Österreich ins Stammbuch. Sie hat versucht, per Gesetz Betreiber Sozialer Netzwerke zu regulieren, die ihren Sitz in einem anderen EU-Mitgliedsstaat haben und dort bereits Regulierung unterworfen sind. Dieses österreichische Kommunikationsplattformen-Gesetz verstößt allerdings gegen die EU-Freiheit, konkreter die genannte Richtlinie.

Das lässt sich aus einer aktuellen Vorabentscheidung des EuGH ableiten (Rechtssache C‑376/22). In bestimmten Fällen darf Österreich sehr wohl Maßnahmen ergreifen, gegen konkrete Betreiber. Alle ausländischen Betreiber Sozialer Netze generell-abstrakt, also ohne konkreten Anlass, mit Auflagen zu bedecken und mit Millionenstrafen zu bedrohen, ist jedoch mit der Dienstleistungsfreiheit unvereinbar.

Das österreichische Kommunikationsplattformen-Gesetz sollte seit 2021 für "in- und ausländische Dienstanbieter gelten, die mit Gewinnabsicht "Kommunikationsplattformen" betreiben, sofern die jeweilige Plattform im Jahresdurchschnitt mindestens 100.000 Nutzer hat und in dem Land mindestens eine halbe Million Euro Jahresumsatz macht. Ausgenommen sind Medien, sowie Plattformen für Vermittlung oder Verkauf von Waren, Dienstleistungen, Immobilien und Stellenanzeigen.

Die betroffenen Unternehmen müssen Auflagen erfüllen: Ein Meldesystem für rechtswidrige Inhalte betreiben, gemeldete Inhalte gegebenenfalls rasch sperren, Verfahren zur Überprüfung von Zensurentscheidungen anbieten, verantwortliche Personen benennen, die für österreichische Behörden leicht erreichbar sind, und regelmäßig Berichte erstellen, die den Vorgaben einer österreichischen Regulierungsbehörde entsprechen. Bei Nichterfüllung sind Geldstrafen von bis zu zehn Millionen Euro.

Im Visier hatte Österreich also nicht inländische Plattformen wie sms.at (die übrigens am 13. Dezember nach 24 Jahren den Betrieb einstellt), sondern Branchenriesen wie Google (samt YouTube), Meta Platforms (Facebook, Instagram) oder TikTok. Doch die haben ihren Sitz nicht in Wien oder Gramatneusiedl, sondern in Irland. Dort unterliegen sie bereits einschlägigen Rechtsnormen, darunter dem Online Safety and Media Regulation Act 2022. Den Aufwand, fortan womöglich in jedem der 27 EU-Mitgliedsländer Berichte zu erstellen und leicht unterschiedliche Vorschriften zu beachten, wollen die Unternehmen nicht treiben.

Also bekämpften Google, Meta und TikTok die österreichischen Auflagen. Sie warteten gar nicht erst auf einen Strafbescheid, sondern baten gleich um Feststellung, nicht betroffen zu sein. Die Regulierungsbehörde und das dann angerufene Verwaltungsgericht lehnten das ab, doch das Höchstgericht Verwaltungsgerichtshof bat den EuGH um seine Auslegung jener Bestimmung, die die Ausnahme von der Dienstleistungsfreiheit beim elektronischen Geschäftsverkehr vorsieht (Artikel 3 Absatz 4 Buchstabe a Ziffer ii der Richtlinie 2000/31).

Am Donnerstag hat der EuGH geantwortet: Die Bestimmung "ist dahin auszulegen, dass generell-abstrakte Maßnahmen, die sich auf eine allgemein umschriebene Kategorie bestimmter Dienste der Informationsgesellschaft beziehen und unterschiedslos für alle Anbieter dieser Kategorie von Diensten gelten, nicht unter den Begriff 'Maßnahmen … betreffen[d] einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft' im Sinne dieser Bestimmung fallen."

Der Verwaltungsgerichtshof in Wien muss das nun in seinem Verfahren umsetzen. Google, Meta und TikTok werden Recht erhalten und nicht dem österreichischen Gesetz unterliegen. Damit hat es wohl keinen Anwendungsbereich mehr. Theoretisch gilt es für große Kommunikationsplattformen mit Sitz im Inland oder mit Sitz außerhalb der EU weiter, doch dürfte es keine solchen Plattformen (mehr) geben, die 100.000 österreichische Nutzer haben. Das Land hat 9,1 Millionen Einwohner.

(ds)