Europäischer IP-Adressverwalter RIPE wird 20

Was als Halbtagesveranstaltung mit 14 Experten entstand, ist 20 Jahre nach seinem ersten Treffen eine Organisation, die in Europa für die Funktion des Internet sorgt und viele Hundert Mitglieder hat.

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Von
  • Monika Ermert

Vierzehn Leute in einem kleinen Raum in Amsterdam, die das Internet in Europa organisieren wollten und dafür einen halben Tag einplanten – so beschreibt der RIPE-Mitgründer und -Vorsitzende Rob Blokzijl die Anfänge des Réseaux IP Européens (RIPE): Der Terena-Vorläufer RARE bot das organisatorische Dach, das Amsterdamer Institute for Subatomic Physics lieferte den Kaffee für das erste Treffen der Organisation, die heute auf dem 58. Treffen ihren 20. Geburtstag feiert. Das RIPE arbeitet als offenes Forum für jedermann. Es koordiniert die Verwaltung des Netzes und der IP-Adressbereiche, steckt Eckpunkte für die technische Weiterentwicklung ab und erstellt Richtlinien für seinen 1992 gegründeten operativen Arm, das RIPE NCC.

Mit an die fünfhundert Teilnehmern und 149 Neulingen ist es das größte RIPE-Treffen in seiner und der Geschichte der fünf existierenden regionalen IP-Adressverwalter (RIR). In zwanzig Jahren haben sich die Adressverwalter von einem kleinen, verschworenen Kreis von Anti-OSI-Kämpfer zu einem etablierten Player im Ökosystem der globalen Netzverwalter entwickelt – professionelle Charming-Offensive für Regierungen durch das RIPE NCC eingeschlossen. Zur Charming-Offensive gehört auch die Teilnahme an vielen internationalen Treffen: RIPE- und RIPE NCC-Vertreter reisten im vergangenen halben Jahr zur UN, zur Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN), zur nicht gerade geliebten International Telecommunication Union, zur EU-Kommission und den gerade neu entstehenden Regierungs-Kooperationsgruppen ihrer Schwester-Adressverwalter in Nord- und Lateinamerika. Im Februar traf man sich mit den immer häufiger anklopfenden Strafverfolgern. Fürs kommende halbe Jahr steht wieder das "Internet Governance Forum", Treffen mit der OECD und ein Runder Tisch für die Regierungen auf dem Plan, den man dann für 2010 sogar als globale Veranstaltung plant, die Regierungsvertreter, Strafverfolger und die fünf RIRs zusammenbringen will. Man wolle Regierungen keinerlei Anlass geben, die Gesprächsbereitschaft der Techies in Zweifel zu ziehen, heißt es beim RIPE und RIPE NCC.

Nicht, dass es dem RIPE-Mitgliedern an einer gewissen Paranoia fehlt, wenn es um die Gefahr eines "Dual Use" smarter neuer Werkzeuge zur Absicherung ihrer Adressressourcen geht. Standardmässig zertifizierte IP-Adressblöcke schützen zwar vor dem Hijacken von Routen durchs Netz. Konsequent durchgesetzt ermöglichen sie aber auch den bislang schlicht unmöglichen Take-Down von Routen – ein verlockender Gedanke für manchen Strafverfolger. Vor der Einführung gelte es, einige Entscheidungen zu dem Verfahren zu erarbeiten, hieß es in Amsterdam.

Auch ohne "Regierungen, die sich über das Regieren im Internet" den Kopf zerbrechen und "andere Ablenkungen" stehen dem RIPE ein paar hektische Jahre bevor, sagte Bob Blokzijl in seiner Geburtstagsrede. "Die Ausgabe der letzten IPv4-Adressen, die Konsolidierung der IPv4-Datenbank und die Einführung von Zertifikaten" stehen an. Voraussichtlich 2012 gehen die IPv4-Adressressourcen beim RIPE aus. Aktuell werde fieberhaft überlegt, wie man die letzten IPv4-Blöcke fair vergeben könne und wie der mögliche anstehende Transfer von IPv4-Adressen vonstatten gehen soll.

Für die Aufräumarbeiten bei den IPv4-Adressen, die vor dem RIPE-Start vergeben wurden (Legacy IP-Address Space), werde das RIPE NCC sein auf rund 100 Mitarbeiter angewachsenes Team vollständig beschäftigen, sagt Cheftechnologe und RIPE-Mitbegründer Daniel Karrenberg. Ohne korrekte Informationen, wer welche IP-Adressblöcke hält, könnte der möglicherweise entstehende Transfermarkt chaotisch werden, befürchtet man beim RIPE.

Sollten die Adressnutzer doch noch rasch IPv6 einführen, statt sich auf dem Markt mit recycelten IPv4-Adressen zu versorgen, gäbe es plötzlich viel weniger Arbeit mit den Adressen. Die neuen IPv6-Adressen bieten ihren Benutzern so viel Raum, dass sie einmal versorgt, nicht so schnell wieder kommen werden. Schrumpft das RIPE NCC dann wieder und kommt niemand mehr zu den RIPE-Treffen? RIPE NCC hat sich mit seinen professionellen Monitoring- und Test-Traffic-Diensten schon einmal anderweitig umgetan, eigene Software entwickelt und sich als beratende Institution eine weitere Aufgabe angelacht. (Monika Ermert) / (rek)