G20 Gesundheitsgipfel: Europa will Impfstoffproduktion in Afrika aufbauen

Die Europäer wollen mehr Geld und Impfstoffdosen geben und die lokale Impfstoffproduktion in Afrika ansiedeln. Das geistige Eigentum soll aber hier bleiben.

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(Bild: totojang1977/Shutterstock.com)

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Von
  • Monika Ermert

Mit einer Milliarde Euro will die Europäische Union langfristig den Aufbau von Impfstoff-Produktionsstätten in Afrika finanzieren. Bis 2040 sollen 60 Prozent der Impfstoffproduktion regional, unter anderem in Südafrika produziert werden, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach dem G 20 Gesundheitsgipfel unter italienischer Präsidentschaft. Mit diesem und weiteren Versprechen wollen die Europäer der eklatanten Ungleichheit bei der Verteilung von Impfstoff begegnen.

Insgesamt 100 Millionen Dosen Impfstoff wollen die Mitgliedsländer der Europäischen Union in diesem Jahr noch an ärmere Länder abgeben. 30 Millionen davon steuert Deutschland bei, sagte Merkel. Außerdem kündigte die Bundeskanzlerin nochmals 100 Millionen Euro als Beitrag für dem Impfstoffpool die Initiative "Access to Covid Tools"-Accelerator (ACT-A) an, die für eine bessere weltweite Verteilung von Tests, Medikamenten, Schutzkleidung und über den Covax-Impstoffpool auch Impfstoffen sorgen soll.

Noch fehlen in der Kasse von ACT-A 18,5 der insgesamt veranschlagten 33 Milliarden Euro, bilanzierten die beiden ACT-A Vorsitzenden, Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa und Norwegens Ministerpräsidentin Erna Solberg beim Gipfel. Der Betrag erscheine zwar gewaltig, sei aber verschwindend gering, wenn man die Kosten kalkuliere, die entstünden, wenn man nichts weiter tue, sagte Solberg.

Weil in armen Ländern trotz der Projekte bislang viel zu wenig Impfstoff angekommen ist – 90 Prozent des produzierten Impfstoffes wurde bislang in den G20-Ländern verimpft –, haben sich nun auch die Impfstoffhersteller verpflichtet, mehr zu tun. Biontech/Pfizer kündigten im Rahmen des Gipfels an, eine Milliarde Dosen noch in diesem Jahr zu liefern – zum Selbstkostenpreis für die ärmsten und zu günstigen Preisen für Länder mit mittlerem Einkommen. 200 Millionen will Johnson & Johnson beisteuern und weitere knapp 100 Millionen Moderna.

Ob sich die Unternehmen an solche selbst gesteckten Ziele auch halten werden, wollten Journalisten in der Pressekonferenz nach dem Gipfel in Rom wissen. Dazu sagte Gastgeber Mario Draghi, wenn sich die Firmen an ihre Zusagen halten, würden andere Überlegungen weniger bedeutsam. Der italienische Ministerpräsident dürfte damit diplomatisch zum Ausdruck gebracht haben, dass die Unternehmen durch mehr Impfstofflieferungen den immer lauter werdenden Forderungen nach einer zeitweiligen Aussetzung ihrer Patentansprüche entgegentreten könnten.

Sowohl der Chef der Weltgesundheitsorganisation, Tedros Ghebreyesus, als auch die Generaldirektorin der Welthandelsorganisation (WTO), Ngozi Okonjo-Iweala, nannten allerdings die bei der WTO von Südafrika und Indien vorgeschlagene Aussetzung von Patentansprüchen unverzichtbar.

Ghebreyesus mahnte, dass allein gestern 13.000 Menschen an Covid gestorben seien. "Heute sind es wieder etwa so viele, und morgen, und übermorgen." Okonjo-Iweala nannte den Technologietransfer und auch den Transfer geistigen Eigentums ein moralisches und wirtschaftliches Gebot und rief die Staatschefs dazu auf, an den Verhandlungstisch zu kommen, um einen entsprechenden Text zu formulieren.

Während nach der Kehrtwende der US-Administration in der Patentfrage laut dem Fachmagazin Lancet auch Länder wie China und Russland Bereitschaft signalisieren, über die Aussetzung des Patentschutzes zu diskutieren, klammerten die Mitglieder von "Team Europa" beim Gipfel das Thema aus oder sprachen von einer "Ablenkung" vom eigentlichen Ziel. Der Druck könnte jedoch weiter wachsen, wenn durch die bereits angedachten Auffrischimpfungen in den Industrieländern der Impfstoff weiter knapp bleibt.

(bme)