GitHub: Entwicklergemeinde in Sorge über "Ausverkauf" an Microsoft

Microsofts GitHub-Übernahme stößt vielen Programmierern übel auf. Sie befürchten eine Kommerzialisierung des Portals und zu große Machtkonzentration.

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GitHub: Entwicklergemeinde in Sorge über "Ausverkauf" an Microsoft
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In der Entwicklergemeinde stößt der Erwerb der aus dem Open-Source-Umfeld erwachsenen Code-Plattform GitHub durch den Softwareriesen Microsoft auf heftigen Widerstand. Zahlreiche Programmierer bekundeten bereits am Wochenende nach ersten Gerüchten über die geplante Übernahme ihren Unmut.

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In den Kommentarforen von Portalen wie Slashdot, Reddit oder HackerNews sowie in sozialen Medien häufen sich die entsprechenden Anmerkungen. Eine Petition, die sich gegen die Initiative ausspricht, brachte es binnen weniger Stunden auf mehrere hundert Unterzeichner. GitHub müsse unabhängig bleiben, heißt es in dem Gesuch. Einen Ausverkauf an Microsoft dürfe es nicht geben.

Der bekannte brasilianische Open-Source-Programmierer André Staltz monierte, dass die über 27 Millionen GitHub-Nutzer überhaupt nicht nach ihrer Meinung gefragt worden seien. Dabei hätten größtenteils ihr Code, ihre Beiträge und Bewertungen die Plattform wertvoll gemacht. Der Sicherheitsexperte Catalin Cimpanu warnte, dass Microsoft GitHub wohl ähnlich wie das zuvor aufgekaufte soziale Netzwerk LinkedIn in "langsam ladenden", mit Bannern und Tracking-Cookies vollgestopften "Müll" verwandeln werde.

Die Free Software Foundation Europe (FSFE) sorgt sich allgemein schon seit Längerem vor allem um die zunehmende "Zentralisierung" bei Code-Hosting-Services. "Je mehr Dienste dort exklusiv angeboten und genutzt werden, desto schwerer wird ein zukünftiger Wechsel", beklagte FSFE-Präsident Matthias Kirschner gegenüber heise online drohende Lock-in-Effekte, die unter anderem Microsoft mit Windows groß gemacht haben.

Die Vereinigung hoffe daher, dass der nun erfolgte Deal für Entwickler und andere Unternehmen ein Weckruf sei, "sich über solche Abhängigkeiten mehr Gedanken zu machen und selbst zu entscheiden, wie viel Kontrolle sie bei ihrer Softwareentwicklung haben wollen".

Der Programmierer und Wagniskapitalgeber Jacques Mattheij gab ebenfalls zu bedenken, dass GitHub offenbar zu groß geworden und trotzdem fürs Überleben auf Abnehmer aus der Welt proprietärer Software angewiesen sei. Damit konzentriere sich zu viel Macht auf einem Fleck, mit der über Erfolg oder Scheitern der "Open-Source-Welt" entschieden werden könne. Eine finanzielle Lösung war laut dem Experten überfällig, sehr schlecht sei aber ein "Exit" an "einen der größten Haie im Becken".

Die Redmonder hätten immer wieder versucht, die eigene starke Stellung gegenüber freier Software und generell gegenüber ihnen in die Quere kommenden Firmen zu missbrauchen. Auch wenn der Konzern etwas offener und zurückhaltender geworden sei, handle es sich trotzdem nach wie vor um die gleiche unternehmerische Körperschaft.

Ex-Microsoft-Chef Steve Ballmer hatte Linux einst als Krebsgeschwür verteufelt, sein persönliches Lobbying gegen den Wechsel der Münchner Stadtverwaltung hin zu freier Software ist legendär. Der neue Mann an der Spitze, Satya Nadella, "umarmte" Open-Source dagegen, als klar war, dass vor allem Cloud-Dienste in weiten Teilen auf Linux beruhen würden. In der Entwicklergemeinde geht aber nach wie vor die Angst um, dass Microsoft nach seiner alten Monopolistenstrategie "Embrace and Extend" den Kurs bei freier Software nach eigenen Vorstellungen "weiterentwickeln" und ihr damit den Todeskuss aufdrücken wolle.

"Microsoft ist nicht vertrauenswürdig in der Open-Source-Community", bringt ein Softwaregestalter diese Stimmung gegenüber Slashdot auf den Punkt. Zunächst sei zu befürchten, dass die Redmonder ihr von Windows und Office bekanntes und jüngst mit einem Big Brother Award ausgezeichnetes Telemetrie-Programm zur Datensammlung und -analyse auf das Codearchiv übertragen wollten.

Zwischen der offenen und der geschlossenen Softwarewelt, für die Microsoft jahrelang gestanden habe, sei einfach schon zu viel Unschönes vorgefallen, erinnerte der Gründer von ProductHunt, Ryan Hoover, an die alten Auseinandersetzungen. Kaum jemand unter den Entwicklern könne sich daher für den Schritt begeistern.

Viele Programmierer hätten angekündigt, die Plattform bei einem solchen Eigentümerwechsel zu verlassen. Er würde gern wissen, wie Microsoft darauf reagieren wolle und wie sich GitHub wandeln werde. Erst am Wochenende behauptete ein Entwickler, dass der Konzern Teile von ihm erstellten Programmcodes einfach übernommen habe. (tiw)