Herlinde Koelbl: "Kleider machen Leute"

Jeder hat zwei Gesichter: In ihrer Ausstellung "Kleider machen Leute" zeigt Fotografin Herline Koelbel den öffentlichen Mensch in Uniform und den privaten in Freizeitkleidung auf lebensgroßen Doppelporträts. Manch einer offenbart sein zweites Ich.

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Von
  • Simona Block
  • dpa

Schein und Sein in Uniformen: Die Fotografin Herlinde Koelbl hat sich in ihrem neusten Projekt mit dem Thema Kleidung beschäftigt. In vier Jahren porträtierte sie Menschen in Deutschland und acht weiteren Ländern jeweils in ihren offiziellen Berufsoutfits und den Sachen, die sie zu Hause tragen. "Es geht um Verwandlung und Blendung durch Kleidung", sagte sie am Donnerstag kurz vor der Vernissage zu ihrer Ausstellung "Kleider machen Leute" im Deutschen Hygiene-Museum Dresden.

Die 70 teils lebensgroßen Doppelporträts und 90 Detailfotos sind dort bis zum 29. Juli zu sehen. "Der öffentliche und der private Mensch, das sind die Pole, die mich interessierten", erzählte die Fotografin. Auf rund 800 Quadratmetern vollziehen sich optisch erstaunliche Metamorphosen. Da wird aus der Bundesverfassungsrichterin ein junges Mädchen, aus dem Schweizergardisten ein großer Junge, aus der Geisha ein schüchternes Fräulein und der Wrestler wird zum Sonnyboy. "Die Körpersprache veränderte sich sehr stark, in Uniform sind die Menschen aufrechter, selbstbewusster, imposanter", erklärte die Künstlerin. Fast jeder trage in seiner Berufskleidung das Kinn etwas höher.

Jeder Porträtierte kommt zu Wort

Da es Koelbl stets nicht allein um das Foto geht, kommt jeder Porträtierte zu Wort und erzählt, wie und was er in der Kleidung empfindet. "Das geht weit in die Gesellschaft hinein, ins Politische, Soziologische und Geschichtliche."

Koelbl studierte zunächst Mode und begann ihre Fotografie-Karriere als Autodidaktin Ende der 70er Jahre. Sie hat "feine Leute" ebenso fotografiert wie nackte Männer, Kinder, Punks oder ein auf Kreuzfahrt schmusendes Rentnerpaar. Bekannt sind ihre Bilder von Angela Merkel, Joschka Fischer und Gerhard Schröder, die sie für "Spuren der Macht" in acht Jahren mehrmals fotografierte. Ihre "Deutschen Wohnzimmer" von 1980 inspirieren Bühnenbildner und Filmschaffende.

Das zweite Ich

Für "Kleider machen Leute" hat sie verschiedenste Berufsgruppen ausgewählt: Ein Astronaut ist dabei, ein Butler und ein Clown, aber auch eine Kaminkehrerin, einen Mönch und einen Sumo-Ringer hat sie fotografiert. Die Verwandlung durch die Kleidung sei ihr vor vielen Jahren erstmals bei einer Frau aufgefallen, die in Tracht sehr beeindruckend und würdevoll, nach dem Umziehen aber ganz anders gewesen sei. "Im ärmellosen, sackartigen bunten Hängerkleid hatte sie all ihre Ausstrahlung und Würde verloren", erzählte Koelbl. Auch ihre Modelle durchlebten eine Verwandlung – mit Unterschieden. "Die Japaner sagten, dass sie einen Schalter umlegen und ihr zweites Ich zum Vorschein kommt, wenn sie die Kleidung wechseln."

In der Ausstellung und im Fotobuch sind die Bekenntnisse ihrer Modelle nachzulesen: Der Bischof schlüpft eigentlich am liebsten in den Trainingsanzug, der Jäger hadert mit seiner Passion, die Domina ist privat eher prüde, die japanische Nonne liebt eigentlich pink und der Generalinspekteur der Luftwaffe ist auch ohne seine schmucke Uniform eitel. Koelbls Frage nach seiner Freizeitkleidung habe ihn verlegen gemacht, bekennt der bekannte Berliner Rechtsanwalt und Kunstförderer Peter Raue: "Freizeitkleidung besitze und brauche ich nicht", steht neben seinem Doppelporträt, das überrascht – rechts trägt er grauen Dreiteiler mit roter Fliege und links ist er nackt.

(ssi)