Intershop hat nicht mehr viel Zeit [Update]

Der neue Vorstandsvorsitzende will den angeschlagenen Software-Anbieter mit einem strikten Sparkurs erstmals in die Gewinnzone bringen. Der bisherige Vertriebvorstand wird das nicht mehr erleben. Seine Aufgaben übernimmt künftig der Chef selbst.

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Für den angeschlagenen Softwareanbieter Intershop tickt die Uhr. "Wir haben nicht mehr viel Zeit", sagte der neue Vorstandsvorsitzende Friedhelm Bischofs heute auf der vorgezogenen Hauptversammlung des Unternehmens im thüringischen Apolda. Der neue Chef will das Unternehmen mit einem Sparprogramm und verändertem Geschäftsmodell aus den roten Zahlen bringen. Dem Unternehmen geht langsam das Geld aus. Jährlich sollen jetzt 4,5 Millionen Euro eingespart werden. Zudem will das Unternehmen, das mit neuem Vorstand und Aufsichtsrat antritt, Mittelständlern Serviceleistungen beim Abwickeln ihrer Internet-Geschäfte anbieten. Aktionärsschützer äußerten Skepsis und bescheinigten Intershop eine "desaströse Lage", unterstützten jedoch das Konzept des Vorstandschefs.

Intershop schreibt seit Jahren rote Zahlen. Trotz wiederholter Versuche hatten es Unternehmensgründer Stephan Schambach und sein Nachfolger als Vorstandschef, Jürgen Schöttler, nicht geschafft, das einstige New-Economy-Darling auf eine profitable Basis zu stellen. Nachdem sich der Verlust im vergangenen Jahr verdoppelt hatte und sich auch für Anfang 2007 keine Besserung abzeichnete, wurde Schöttlers Vertrag nicht verlängert. Auch im Aufsichtsrat wurden Positionen neu besetzt. Der Unternehmensberater Bischofs übernahm das Ruder bei Intershop und will den Softwareanbieter nun mit harten Einschnitten und einem Strategiewechsel endlich sanieren.

Bischofs hatte bereits vor der Hauptversammlung angekündigt, vor allem den Bereich Marketing und Vertrieb maßgeblich zu verschlanken. Dazu sollen Vertriebsbüros in Italien, Österreich und Frankreich geschlossen werden. In Jena werden die bisher sechs Direktionsbereiche des Vertriebs auf drei reduziert. Im Zuge der Maßnahmen sollten auch die Personalkosten im Managementbereich gesenkt werden. Wie das konkret aussieht, teilte das Unternehmen am gestrigen Dienstag mit. Vertriebschef Ralf Männlein hat seinen Vorstandsposten "im Einvernehmen mit dem Aufsichtsrat" mit sofortiger Wirkung niedergelegt. Männleins Aufgaben wird ab sofort Bischofs selbst übernehmen.

[Update: Intershop soll künftig nicht nur Software, sondern auch die Logistik und andere Serviceleistungen für die Abwicklung von Internet-Geschäften von Unternehmen anbieten. Nach Angaben von Bischofs soll dafür in den kommenden Wochen ein Logistikpartner gefunden werden. Der Logistik-Unternehmer Sven Heyrowsky, der zusammen mit anderen Aktionären die Vorverlegung der Hauptversammlung und Rücktritte von Aufsichtsräten erreicht hatte, schloss künftige Kooperationen mit seiner Firma Heycom GmbH (Garbsen) nicht grundsätzlich aus. Der Verkauf seiner Firma an die D+S Europe AG (Hamburg) soll nach seinen Angaben im Sommer abgeschlossen sein. Ob Heycom der neue Partner sein könnte, ließ Bischofs offen. Denkbar sei, "dass sich ein Logistikpartner am Unternehmen beteiligt", sagte Bischofs. Heyrowsky, der ein größeres Paket an Intershop-Aktien hält, wurde in den neuen dreiköpfigen Aufsichtsrat gewählt. Die beiden bisherigen Vorstände wurden von den Aktionären für 2006 nicht entlastet, berichtet dpa.]

Am heutigen Mittwoch kündigte Intershop zudem einen neuen Großauftrag an. Der Software-Anbieter habe einen Auftrag mit einem Volumen von 1,7 Millionen Euro von einem "Telekommunikationskonzern aus Übersee" erhalten. Für diesen soll Intershop eine Plattform für Internet-Auktionen liefern. Der Umsatz aus dem Lizenz-Geschäft belaufe sich auf 1,4 Millionen Euro, 300.000 Euro entfielen auf Wartungsleistungen in den kommenden zwölf Monaten. (vbr)