KI-Regeln der EU: Bundesregierung stemmt sich gegen biometrische Überwachung

Deutschland will die Option zur biometrischen Fernidentifizierung aus der EU-Verordnung für KI nicht umsetzen, kann sie aber wohl auch nicht "rausverhandeln".

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(Bild: ktsdesign/Shutterstock.com)

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Der Digitalausschuss des Bundestags hat sich am Mittwoch in einer teilöffentlichen Sitzung mit dem Verhandlungsstand bei der geplanten EU-Verordnung für Künstliche Intelligenz (KI) befasst. Christian Meyer-Seitz, Abteilungsleiter Handels- und Wirtschaftsrecht im Bundesjustizministerium, erklärte dabei, dass Deutschland den potenziell erlaubten Einsatz von Techniken zur Identifikation von Personen im öffentlichen Raum aus der Ferne etwa durch Videoüberwachung mit automatisierter Gesichtserkennung und andere biometrische Verfahren zur Strafverfolgung "nicht zulassen" werde.

Bei der besonders umstrittenen biometrischen Überwachung im öffentlichen Raum sehe der Entwurf der EU-Kommission ein "Wahlrecht" für die Mitgliedsstaaten vor, erläuterte Meyer-Seitz. Solche Maßnahmen könnten national vorgesehen werden, müssten es aber nicht. Biometrische Fernidentifizierung dürfte für enge Zwecke – etwa zur Bekämpfung von Terroranschlägen, das Aufspüren von Tätern, die per europäischem Haftbefehl gesucht werden, oder bei der Suche nach Kindern – zugelassen werden durch innerstaatliches Recht.

Unter dem Koalitionsvertrag des Ampelbündnisses sehe er für Deutschland keine Grundlage dafür, etwa eine Fahndung mit biometrischer Gesichtserkennung zu gestatten, hob der Ministeriumsvertreter bei der Aussprache hervor. Die grundsätzliche Option dafür könne die Bundesregierung aber auch nicht aus der Initiative "rausverhandeln".

"Wir unterstützen den europäischen AI Act", heißt es in der Koalitionsvereinbarung von SPD, Grünen und FDP. "Wir setzen auf einen mehrstufigen risikobasierten Ansatz, wahren digitale Bürgerrechte, insbesondere die Diskriminierungsfreiheit, definieren Haftungsregeln und vermeiden innovationshemmende ex-ante-Regulierung. Biometrische Erkennung im öffentlichen Raum sowie automatisierte staatliche Scoring Systeme durch KI sind europarechtlich auszuschließen."

Die Beauftragte der Bundesregierung für die digitale Wirtschaft und Start-ups, Anna Christmann von den Grünen, erinnerte vor allem an diese Ausschlussklausel und widersprach ihrem Kollegen aus dem Justizressort so teils. Ihr zufolge wird noch geprüft, wie sich diese Passage EU-weit am besten umsetzen lasse. Es müssten klare rote Linien etwa auch gegen "Social Scoring" benannt werden.

Generell bezeichnete es Meyer-Seitz als bemerkenswerte Leistung der Kommission, den Entwurf über die gesamte KI-Anwendungsbreite entwickelt zu haben. Dennoch halte es das Justizministerium für sinnvoll, Befugnisse für die Sicherheitsbehörden noch in einem separaten Kapitel innerhalb der Verordnung zu verankern. "Gewisse Abstufungen" könnten hilfreich sein. Die "Blockade" innerhalb der alten Bundesregierung zu diesem Bereich sei mittlerweile aufgelöst. Polizei und Geheimdienste hätten eigene Interessen und Anwendungen. Inhaltlich werde dies Anfang April im EU-Ministerrat auch mit Digitalexperten noch besprochen.

Für die Nutzung biometrischer Erkennungsverfahren gälten im öffentlichen Raum insgesamt strengere Regeln, "als wenn jemand sein Privatgrundstück mit KI überwacht", führte der Jurist aus. Im ersten Bereich sei die Hochrisiko-Technologie als "potenziell vertrauensverstörend" einzuschätzen. Zugleich kündigte Meyer-Seitz an: "Wir wollen beim Rechtsschutz noch nachbessern." Bisher seien etwa Auskunftsrechte im Stil der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) nur bei rein automatisierten Entscheidungen vorgesehen, was nicht ausreiche.

Christmann berichtete, dass die Stellungnahme der Bundesregierung zu dem Vorhaben zeitnah nach Brüssel übersandt werde und die Ausschussdiskussion noch einfließen könne. Sie begrüße grundsätzlich die Zielsetzung der Verordnung. Der größte Regulierungsbedarf bei den vier definierten Risikogruppen "unannehmbar", "hoch", "gering" und "minimal" liege in der zweiten Stufe, zu der etwa auch biometrische Identifikationssysteme gehörten. Innovative Entwicklungsprozesse und Möglichkeiten zum Ausprobieren müssten bestärkt und Regulierungen übersichtlich gehalten werden.

(axk)