NFC-Ökosystem: Mobiles Bezahlen und mehr auf gemeinsamer Schweizer Plattform

Wer will, kann nun in der Schweiz seine Einkäufe mit einer digitalen Brieftasche begleichen. "Tapit" heißt sie und kann auf dem Lieblings-Gadget der meisten Digital Natives installiert werden, dem Smartphone. Der Start ist allerdings noch etwas harzig.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 29 Kommentare lesen
Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Tom Sperlich
Inhaltsverzeichnis

NFC-Handy mit Tapit-App ans Kassenterminal halten - schon ist bezahlt.

(Bild: Swisscom)

Eine neue Plattform für Mobile Payment in der Schweiz und im Ausland haben – weltweit einmalig – gemeinsam die drei nationalen Mobilfunkunternehmen Swisscom, Sunrise und Orange sowie die Schweizer Cornèr Bank und Visa Europa lanciert. "Tapit" ("Tipp es an") heißt das als "Portemonnaie der Zukunft" vollmundig angekündigte Digital Wallet; es soll das bargeldlose Bezahlen via Smartphone und NFC ("Near Field Communication") salonfähig machen.

Noch wird dies zumindest etwas dauern, denn eine herunterzuladende App ist bisher nur auf Android-Smartphones einsetzbar, die von Visa und Mastercard zertifiziert wurden und NFC-kompatibel sind. Davon gibt es derzeit laut Tapit-Website ganze 13 Geräte von Samsung, HTC und Sony. Das iPhone – in der Schweiz dominierend – ist (noch) nicht darunter. Tapit für das Apple-Handy soll, so der Swisscom-Chef Urs Schaeppi, Ende dieses Jahrs verfügbar sein.

Auch gibt es bisher nur ein einziges Kreditkartenunternehmen, das den Dienst unterstützt, nämlich Visa (Prepaid und Classic) via der kartenausgebenden Cornèr Bank. Weitere Kreditkarten-Marken (Mastercard schließt sich kommenden August an), Kartenherausgeber bzw. Banken sollen in Bälde oder im Laufe der Zeit folgen und haben sich auf der Launch-Präsentation bereits dazu bekannt. Es liefen dazu schon intensive Pilottests, hieß es.

Zudem können momentan nur Swisscom-Kunden Tapit nutzen. Die Mitbewerber Orange und Sunrise werden die Mobile-Payment-Lösung aber ebenfalls noch im Laufe des Jahr anbieten.

Bereits zum Start kann aber an sehr vielen Kassen in der Schweiz mit Tapit bezahlt werden. So sind die Bezahlterminals der größten Einzelhandelsketten Migros und Coop, aber auch von McDonalds, Starbucks oder Ikea bereits mit der NFC-Technik ausgerüstet. Über 50.000 Zahlstellen sollen es schon sein – Tendenz steigend.

Das NFC-Wallet Tapit soll künftig auch als Identifikationssystem etwa für Einlasskontrollen dienen

(Bild: Swisscom)

Über die Stimmigkeit des Produktnamens "Tapit" mag man sich trefflich streiten, denn antippen muss der Kunde sein Smartphone beim Bezahlen gar nicht. Nachdem er anfangs seine Kreditkarte in die App integriert hat, lässt sich auch ohne Einschalten des Geräts oder Aufstarten der App das Smartphone zum Bezahlen nutzen: Man hält es einfach kurz neben eine Kontaktfläche am Zahlungsterminal. Kleinere Summen lassen sich so im Nu bezahlen, für Summen ab 40 Franken (33 Euro) muss noch ein PIN eingegeben werden.

Selbst bei leerem Akku soll die Bezahl-App noch für eine Reihe von Zahlungstransaktionen nutzbar sein, da das Handy aufgrund der NFC-Technik auf keine Mobilfunkverbindung angewiesen ist . Benötigt wird für Tapit eine NFC-SIM-Karte. Auf dem Secure Element sind die Kartenanwendungen und Kreditkartendetails hochsicher gespeichert, heißt es. Dieses weist die gleichen sicherheitstechnischen Merkmale auf wie ein Chip auf einer Kreditkarte.

Eine ähnliche Bezahlanwendung mit Wallet fürs Smartphone und NFC-SIM-KarteLinktext hatte die Deutsche Telekom bereits Ende 2012 in Polen und im Mai dieses Jahres auch in Deutschland gestartet. Auch Vodafone hat mit Smartpass ein NFC-Bezahlsystem im Angebot, dass in diesem Jahr auf mehrere Städte in Deutschland ausgedehnt wurde.

Die gemeinsame NFC-Plattform Tapit der Schweizer Provider eignet sich, ähnlich wie die Projekte der Telekom und von Vodafone, nicht nur zum Einkaufen und Bezahlen, sondern soll künftig auch kontaktlose Chipkarten wie Mitarbeiterausweise, Zutrittskontrolle, Zeiterfassung oder Karten fürs Kantinenpayment auf das Smartphone bringen. Erste Anbieter haben sich bereits positioniert und Tests laufen. Auch Siemens Schweiz will beispielsweise in diesem Marktbereich dabei sein.

Die drei Mobilfunkunternehmen setzen auf "namhafte Partnerschaften mit etablierten Unternehmen aus der Finanz- und Geschäftswelt". Man wolle ein neues Ökosystem etablieren, betonte Swisscom-CEO Schaeppi. Er sieht Tapit als "Innovationsprojekt", dessen Zeit gekommen sei – auch wenn der Anfang langsam sei. Aber man wolle "jetzt Schwimmen lernen".. Immerhin seien schon rund eine Million NFC-fähiger Smartphones in der Schweiz im Einsatz. Drei bis vier Jahre, so glaubt Schaeppi, braucht Tapit Zeit, um einen Massenmarkt zu erreichen.

Nicht so ganz ins Bild passt da jedoch eine just kurz vorm Tapit-Start publizierte Umfrage des Schweizer Internet-Vergleichsdiensts Comparis.ch, die vom Marktforschungsinstitut GfK durchgeführt wurde. Obwohl sich mittlerweile etwa 40 Prozent aller Schweizer Kreditkarten zum kontaktlosen Bezahlen via NFC eignen, halten viele der Befragten (38 Prozent) die Funktion für unnötig – und eine Mehrheit (fast 60 Prozent) hat Sicherheitsbedenken.

73 Prozent der NFC-Zahlkartenbesitzer haben demnach noch gar nie kontaktlos bezahlt. Die NFC-Payment-Technik hat aber, meint Ralf Beyeler von Comparis, grundsätzlich Potenzial: "Man kann damit schneller zahlen als mit Bargeld oder mit der Karte auf herkömmliche Art. Die Herausgeber der Karten müssen aber noch einiges an Überzeugungsarbeit leisten." (jk)