Neuer IT-Branchenverband hält Softwarepatente für verfassungswidrig

Der Bundesverband Informations- und Kommunikationstechnologie (BIKT) will vor allem die Interessen des Mittelstands vertreten.

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Die deutsche IT-Branche ist um eine Interessensvertretung reicher: Mit der Veröffentlichung einer Stellungnahme (PDF-Datei) zur Verfassungswidrigkeit von Softwarepatenten hat sich der jüngst in Hamburg gegründete Bundesverband Informations- und Kommunikationstechnologie (BIKT) am heutigen Mittwoch ins Licht der Öffentlichkeit begeben. Die Vereinigung, der derzeit Firmen und Beratungshäuser wie freiheit.com, Zertificon Solutions oder Rio Nord angehören, will vor allem die Interessen des Mittelstands in Themenbereichen wie Innovationsförderung, Rahmenbedingungen oder Wettbewerbsfähigkeit vertreten. Eine besondere Bedeutung soll dabei die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Aspekten des Urheberrechts, des Patentrechts und anderer gewerblicher Schutzrechte genießen.

Herausgebildet hat sich der BIKT aus dem Unternehmensnetzwerk patentfrei.de. Dieses macht sich seit Jahren gegen Softwarepatente stark und tritt für offene Standards ein. "Die Zielrichtung hat sich aber deutlich erweitert", betont BIKT-Vorstandsmitglied Johannes Sommer gegenüber heise online. Es gehe um das Vorantreiben einer allgemeinen Politik für kleine und mittlere Unternehmen, wobei die Unabhängigkeit von Konzernen groß geschrieben werde. Die neue Vereinigung hat bereits den Berufsverband Selbständige in der Informatik (BVSI), die Kölner Internet Union (KIU), den Linux-Verband sowie den Automationsverband Open Source Automation Development Lab (OSADL) in seine Reihen aufnehmen können.

Das heute veröffentlichte Positionspapier bezieht sich auf das laufende Revisionsverfahren der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes (EPA) zur Frage der Patentierbarkeit von Computerprogrammen. Es stammt aus der Feder des Viersener Rechtsanwalts Rasmus Keller, der in einer vor Kurzem in Buchform veröffentlichten juristischen Untersuchung zu dem Ergebnis kommt, dass die Erteilung "softwarebezogener Patente" hierzulande einen verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Verwertungsrechte der Programmierer darstelle.

Zur Begründung führt Keller aus, dass Softwarepatente Entwickler daran hindern, ihre Arbeiten selbst gewerblich oder zu Erwerbszwecken zu verwenden. Dabei böte der urheber- und wettbewerbsrechtliche Schutz von Programmen eine hinreichende Absicherung vor der Übernahme darin enthaltener Problemlösungen. Ein zusätzlicher patentrechtlicher Schutz sei dafür folglich nicht erforderlich. Das deutsche Patentgesetz und das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) seien "daher so auszulegen, dass softwarebezogene Patente nicht mehr erteilt werden dürfen".

Mit ähnlicher Argumentation fordert der BIKT in der Eingabe ans EPA, dass Programme für Datenverarbeitungsanlagen generell von der Patentierbarkeit auszunehmen seien. Könne die in den Patentansprüchen abgebildete "Lehre" ganz oder zum Teil von einem Computer ausgeführt werden, müsse aber geprüft werden, ob der Rechner ersetzbar sei. Dann liege lediglich eine "softwareunterstützbare Lehre" vor, sodass eine Patenterteilung geprüft werden könne. Handle es sich dagegen um eine "softwarebezogene Lehre", sei diese nicht schutzwürdig. Als Beispiel führt Keller ein elektromechanisches Programmschaltwerk herkömmlicher Waschmaschinen an. Einem solchen Verfahren könne nicht allein deshalb die Patentfähigkeit abgesprochen werden, weil es auch mithilfe eines Computers zu verwirklichen sei.

Angesichts der Bedeutung des Prüfverfahrens für die Branche ermöglicht der Verband Dritten bis Ende April den Beitritt zu der Stellungnahme unabhängig von einer Mitgliedschaft. (Stefan Krempl) / (vbr)