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Neues bei GhostBSD, Dragonfly BSD, OpenIndiana – und Sonnenuntergang bei Illumos

Michael Plura

(Bild: Durch J0hnTV/shutterstock.com)

Aus der Unix-Welt: Fixes für GhostBSD, eine überfällige Hauptversion bei Dragonfly BSD, "Hipster"-OpenIndiana – und Illumos verabschiedet die SPARC-Plattform.

Mit FreeBSD 13.0, OpenBSD 6.9 und NetBSD 9.2 gibt es für Anhänger der bekannten klassischen Unix-Systeme derzeit viele spannende Neuerungen mit teilweise deutlichen Performance-Gewinnen. Auch bei DragonflyBSD 6.0 wurde optimiert. GhostBSD behebt lästige Netzwerkfehler beim Start des Systems. Bei den Nachfolgern von Suns OpenSolaris gibt es gute und schlechte Neuigkeiten.

GhostBSD ist wie NomadBSD und dem wenig bekannten, aber besonders eleganten helloSystem, ein komplett vorkonfigurierter Live-Desktop auf Basis von FreeBSD. Eigentlich konfigurieren BSD-Anwender ihr Netzwerk mit einfachen und flexiblen Optionen in den Konfigurationsdateien von Hand, doch in FreeBSD hat für diese triviale Aufgabe ein Netzwerkmanager im Look der GNU/Linux-Version Einzug gehalten.

Unter GhostBSD schaffte es der "networkmgr" 5.0 nicht, beim Start automatisch eine DHCP-Adresse zu beziehen – das funktionierte erst im Nachhinein durch einen manuellen Eingriff (zwei Mausklicks). Entfernt man den Netzwerkmanager, holt sich GhostBSD wie erwartet seine IP-Adresse beim DHCP-Server ab. Das Problem ist in GhostBSD 2021.05.11 gelöst, der Netzwerkmanager erhielt einen Fix.

Kleine Ungereimtheiten wurde auch im Dateimanager "Caja" behoben, so dass Dateien und Programme dort auf Wunsch auch korrekt mit Root-Rechten geöffnet werden können. Bei der selbstgebauten grafischen Paketverwaltung namens "Softwarestation" wurden Abstürze behoben, die wohl mit Zusammenhang mit Threads unter GTK3 stehen.

Das Entwickler-Team rund um Eric Turgeon stellt GhostBSD 21.05.11 als Hybrid-ISO-Image für CD-R oder USB-Stick zur Verfügung. Als Desktop Environment stehen das aktuelle MATE oder Xfce zur Auswahl. Bei den "Versionsnummern" handelt es sich eigentlich um das Datum, an dem die ISO-Images erzeugt wurden, da GhostBSD die CI/CD-Philosophie (Continuous Integration/Delivery) adaptiert hat und mit Rolling Releases arbeitet. Alle Neuerungen und Funktionen finden sich wie üblich in den Release-Notes [1].

Dragonfly BSD ist ein Fork von FreeBSD 4.8, den Matt Dillon 2003 für seine Optimierungen bezüglich Kernel-Threads und SMP initiierte. Das jetzt von den Entwicklern freigegebene Dragonfly BSD 6.0 [2] setzt diese Tradition fort und bietet eine lange Liste an Verbesserungen des Kernels. Wie auch bei anderen BSDs gibt es eine bessere Anpassung an AMDs Zen 1- und Zen 2-CPUs wie Threadripper oder EPYC. Endlich sind funktionierende Treiber für die Temperatursensoren und mit "amdsmn" ist auch Support für das AMD System Management Network (SMN) verfügbar.

Probleme mit der Darstellung im EFI-Framebuffer wurden ebenso behoben wie die überfällige Erkennung und spezielle Behandlung von Intel-Prozessoren wegen Meltdown. Grafiktreiber sind nun auf dem Stand von Linux 4.10.17. Andere BSDs ersetzen immer mehr GPL-lizenzierte Software durch frischen und neuen Code unter den freien BSD-Lizenzen und sind weitestgehend auf LLVM/Clang umgestiegen. Dragonfly BSD 6.0 hat auf den GCC 8 als Standard C/C++-Compiler aktualisiert.

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Die große Vision von Dragonfly BSD ist es, ein komplettes hybrides Rechenzentrum als ein einziges Rechnersystem mit einem einzigen Dateisystem (HAMMER2) darzustellen. HAMMER2 macht auch in Version 6.0 Fortschritte, ist vom gesteckten Ziel aber noch weit entfernt. Bislang gibt es für FreeBSD und als Portierung auf Dragonfly BSD einen unter der GPL stehenden Treiber für das ext2/ext3/ext4-Dateisystem von GNU/Linux. Tomohiro Kusumi hat einen solchen Treiber von Grund auf neu geschrieben und mit zusätzlichen Funktionen versehen – und diesen unter die BSD-Lizenz gestellt. Kusumis Code dürfte in Kürze auch die ext2/ext3/ext4-Treiber in den anderen BSDs ersetzen.

Das clusterfähige HAMMER2-Dateisystem von Dragonfly BSD 6.0 ist noch nicht produktionsreif, könnte später einmal aber eine Alternative zu ZFS und Btrfs sein.

(Bild: Michael Plura)

Dragonfly BSD 6.0 steht unter der BSD-Lizenz und ist für die x86-64-Plattform frei auf der Projektseite [4] erhältlich. Mit einem Live-System kann die Kompatibilität der eigenen Hardware vorab getestet werden.

Neben GNU/Linux, den BSDs und den speziellen Unixen einiger Hersteller gibt es immer noch eine kleine aber treue Community für die Nachfolger von Sun Solaris. Da die Zusammenhänge eher unbekannt sind, hier der Versuch, einen komprimierten Überblick zu geben: Sun Microsystems hat 2004 sein kommerzielles SystemV-Unix "Solaris" als leicht abgespecktes OpenSolaris quelloffen und frei zur Verfügung gestellt. 2007 entwickelte Sun unter dem Codenamen "Project Indiana" eine OpenSolaris-Distribution, die vor allem Linux-Benutzer als Zielgruppe hatte. Leiter des Projekts war der Debian-Gründer Ian Murdock. 2009/2010 übernahm Oracle Sun Microsystems und dank Larry Ellisons vehementer Ablehnung von Open-Source-Projekten wurde OpenSolaris sofort eingestellt. Wie bei OpenOffice oder MySQL wurde auch OpenSolaris als Fork von den ehemaligen und enttäuschten Entwicklern weitergeführt.

Illumos entwickelt den OpenSolaris-Kern weiter, also Kernel, Treiber, Netzwerk-Stack, Bibliotheken und das Basis-Userland – vergleichbar mit Solaris-OS/Net. OpenIndiana baut darauf eine Desktop-Distribution mit X und einem Desktop-Environment auf und ist eher mit dem kompletten Sun OpenSolaris vergleichbar. Parallel dazu gab beziehungsweise gibt es auch andere Distributionen wie Nexenta OS (offiziell Nexenta Core Plattform), ein auf Storage-Anforderungen optimiertes Illumos mit Ubuntu-Userland, SmartOS von Joyent als minimaler Hypervisor-Host oder OmniOS, Belenix, Schilix.

Betrachtet man die Installationsbasis von BSD-Systemen gegenüber GNU/Linux als Nische, so muss man die Solaris-Abkömmlinge als Nische innerhalb einer Nische ansehen – wie bei den BSDs jedoch mit einer treuen Fangemeinde. Da hier auch die SPARC-Plattform, also die ehemalige Sun-Hardware, hoch angesehen wird, ist die Entscheidung von Illumos, den SPARC-Port einzustellen, sicher ein harter Schlag. Illumos wird es fortan nur noch als 64-Bit x86-Port geben.

Für die Entwickler gab es dafür mehrere Gründe. Zunächst sind die von ihnen eingesetzten UltraSPARC T2-Maschinen wie die Sun T5120 oder Sun T5220 bereits seit fast zehn Jahren ohne Support (EoL). Auch der Nachschub über Auktionsplattformen dünnt sich immer mehr aus. Wer ältere Systeme am Leben halten will, wird leicht feststellen, dass mittlerweile oft horrende Preise für vollmundig als angeblich "ultra rare!!1!" angepriesene Workstation und Server oder auch nur Teile davon gefordert werden. Neuere SPARC-Systeme von Fujitsu oder gar Oracle gestellt zu bekommen, dürfte für das Illumos-Projekt schwierig sein. Theoretisch ließe sich Illumos/SPARC unter QEMU laufen lassen, die Geschwindigkeit einer dann komplett emulierten Architektur wäre allerdings unbrauchbar langsam. Hinzu kommt, dass viele Entwicklerwerkzeuge und deren Infrastruktur heute nicht mehr zwangsläufig auf SPARC laufen oder dafür optimiert sind. Da Projekte wie Illumos oder OpenIndiana nicht gerade von Entwicklern überschwemmt sind, muss man die bittere Entscheidung hin zur gefährlichen CPU-Monokultur – auch als Sun/SPARC-Fan – wohl oder übel akzeptieren.

Immerhin gibt es beim OpenSolaris-Nachfolger OpenIndiana eine schicke neue Version namens "Hipster 2021.04" [5]. OpenIndiana ist seit Version 2017.04 nicht mehr als 32-, sondern nur noch als 64-Bit-x86-System verfügbar. Es gibt eine LiveDVD, ein Live-USB-Image und textbasierte Installations-Images.

Illumos verabschiedet sich von der SPARC-Architektur, bietet mit Illumos "Hipster 2021.04" aber ein fertig konfiguriertes LiveSystem mit MATE-Desktop, das - für ein erstes Kennenlernen in geringer Auflösung - auch unter VirtualBox läuft.

(Bild: Michael Plura)

OpenIndiana 2021.04 bringt neue Pakete wie Node.js oder den WINE für Windows-Programme. Endlich gibt es auch mehrere Treiber für Nvidia-Grafikkarten (nvidia-460.67/390.414/340.108), so dass auch ältere oder moderne Karten einsetzbar sind. Firefox und Thunderbrid ESR wurden auf die Version 78 aktualisiert. Intern wurden GCC7/8/9 mit Patches versehen, um die Illumos libc SSP-Implementation für -fstack-protector zu unterstützen. OpenSSL wurde auf 1.1.1 aktualisiert und auch bei Python sind die neuen Versionen 3.7 und 3.9 verfügbar. Das problemlos startenden Live-System ist mit seinem MATE-1.24.1-Desktop sofort als Alternative beispielsweise zu Ubuntu-MATE einsetzbar.

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(tiw [7])


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[4] https://www.dragonflybsd.org/
[5] https://www.openindiana.org/2021/05/01/openindiana-hipster-2021-04-is-here/
[6] https://www.heise.de/ix/
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