Öffentlicher Gesundheitsdienst: Digitalisierung steht noch ganz am Anfang

Die meisten Gesundheitsämter stehen laut Gesundheitsministerium am Anfang der Digitalisierung, in einzelnen Bereichen wie IT-Sicherheit gebe es jedoch Erfolge.

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(Bild: PopTika/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti
Inhaltsverzeichnis

Zu Anfang der Corona-Pandemie haperte es deutlich mit der Datenübermittlung der Gesundheitsämter an das Robert-Koch-Institut. Im Zuge der Pandemie traten noch weitere Defizite in der Digitalisierung der Gesundheitsämter zutage. Das Bundesgesundheitsministerium hat deshalb ein Reifegradmodell entwickeln lassen, mit dem in den nächsten vier Jahren jährlich die digitale Reife der Gesundheitsämter erfasst und bewertet werden soll. Die Messung ist Voraussetzung dafür, Fördergelder für den Ausbau der Digitalisierung beantragen zu können.

Eine Auswertung der ersten deutschlandweiten Reifegradmessung auf Basis von 366 eingereichten Anträgen aus ganz Deutschland zeigt, dass die meisten Gesundheitsämter noch auf Stufe 0 stehen. Einzelne Gesundheitsämter befinden sich jedoch in Bereichen wie der IT-Sicherheit oder der Bereitstellung der IT-Infrastruktur bereits nahe am Zielbild, erläutert Torsten Eymann, Leiter des Projekts "Erfassung und Evaluation der digitalen Reife von Gesundheitsämtern" (EvalDiGe).

Stufen des Reifegradmodells

(Bild: BMG)

Stufe 0 des Reifegradmodells beschreibt den geringsten Reifegrad der Digitalisierung und Stufe 4 den höchsten. Bis 2025 sollen alle Gesundheitsämter die Stufe 3 erreichen. Da die Definition für Stufe 4 auf 62 Interviews mit Gesundheitsämtern basiert, zeigt sich Torsten Eymann überzeugt davon, damit über ein realistisches Zielbild zu verfügen. Die Auswertung der ersten Reifegradmessung soll Anfang 2023 veröffentlicht werden. Die nächste Erfassung soll zum 1. Dezember 2023 erfolgen, die weiteren im jährlichen Abstand bis 2025.

Die eigenständige Einstufung des Gesundheitsamts beziehungsweise in das Reifegradmodell ist – wie bei Krankenhäusern auch – eine notwendige Voraussetzung, um Fördermittel gemäß des Förderleitfadens beantragen zu können. Bis zu 800 Millionen Eurostehen im Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) zur Verfügung. Die Reifegradmessung ist über ein Web-Tool zu erreichen, für dessen Nutzung sich die Gesundheitsämter registrieren müssen.

Damit werden jedes Jahr acht Dimensionen der Digitalisierung erfasst, wie etwa die Digitalisierungsstrategie, die IT-Bereitstellung, IT-Sicherheit und die Bürgerzentrierung. Das Reifegradmodell werde in den nächsten Jahren sprachlich noch etwas genauer, sagte Eymann, doch an der Definition der Dimensionen werde sich nichts mehr ändern. Susanne Ozegowski, Abteilungsleiterin Digitalisierung und Innovation im Bundesgesundheitsministerium, erkennt an, dass hinter jedem Förderantrag eines Gesundheitsamts "jede Menge Arbeit steckt, die neben dem Tagesgeschäft läuft." Das Reifegradmodell biete dazu Leitplanken, an den sich die Gesundheitsämter entlang hangeln können. Es habe sich bereits bei der Digitalisierung der Krankenhäuser bewährt.

Von den eingereichten 366 Anträgen wurden 263 bewilligt. "Wir sind positiv überrascht über die hohe Teilnahmebereitschaft der Gesundheitsämter", sagt Antje Draheim, Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium. Die Anträge stammen aus allen Bundesländern und sind von Amt zu Amt sehr unterschiedlich. Für 2022 sei für die Digitalisierung in den Gesundheitsämtern der Aufbau von 1.500 Stellen für Digitalisierungsfachkräften geplant gewesen, inzwischen wurden bereits 1.775 Stellen eingerichtet. Weitere 3.500 Stellen sollen unbefristet besetzt werden, wobei die Personalsuche laut den Gesundheitsämtern nicht einfach sei. Draheim hofft jedoch, dass dies mit besseren Tarifen im öffentlichen Gesundheitsdienst möglich werde.

Ute Teichert, Abteilungsleiterin Öffentliche Gesundheit im BMG sagte, dass der öffentliche Gesundheitsdienst in den vergangenen Jahren seitens der Politik ein Schattendasein geführt habe. Die politische Debatte habe sich auf die Themen ambulante und stationäre Versorgung konzentriert. Die Pandemie habe jedoch seine wichtige Rolle nicht nur in Fragen des Infektionsschutzes und der Pandemie gezeigt, er spiele auch bei Themen wie Umwelt und Klima, Hilfe in sozialen Lebenslagen eine wichtige Rolle, um Menschen zu helfen. Ozegowski erinnerte daran, dass es in einer Pandemie darum gehe, "koordiniert und gesamthaft agieren zu können, kommunizieren zu können, sowohl zwischen den Gesundheitsämtern als auch auf die Landesebene als auch auf die Bundesebene". Deswegen sei das Thema Interoperabilität so wichtig, um eine gemeinsame Sprache zu sprechen.

Ausblick zur Digitalisierung des öffentlichen Gesundheitsdienstes

(Bild: BMG)

Die Digitalisierung der Gesundheitsämter stehe zwar noch am Anfang, doch die Reifegradmessungen würden im jährlichen Abstand zeigen, wo in kleinen Etappen Fortschritte geschehen. Der Ausbau des Deutschen Elektronischen Melde- und Informationssystems für den Infektionsschutz (DEMIS) werde dabei in der Digitalarchitektur des öffentlichen Gesundheitsdienstes "eine extrem große Rolle" spielen, erläutert Ozegowski, da es das Tool sei, mit dem die Vernetzungsinfrastruktur zwischen Gesundheitsämtern und dem Robert-Koch-Institut hergestellt wird. Seit Januar 2021 melden die Labore positive SARS-CoV-2-Erregernachweise über DEMIS an die Gesundheitsämter. Bis zum 1. Januar 2023 sollen alle Akteure des Meldesystems an die gemeinsame Infrastruktur angebunden sein. Des Weiteren sollen alle Meldungen gemäß Infektionsschutzgesetz in DEMIS integriert werden.

(mack)