Providerkrach sorgte für Riss im Internet

Wegen Vertragsstreitigkeiten kappte der US-amerikanische Netzbetreiber Cogent seine Verbindungen zur schwedischen TeliaSonera. Der Krach der beiden IP-Carrier zog das vermeintlich ausfallsichere Internet in Mitleidenschaft.

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Von
  • Holger Bleich

Wenn sich zwei der größten Internet-Datentransporteure streiten, zieht dies schon einmal das vermeintlich ausfallsichere Internet in Mitleidenschaft. Am 14. März kappte der US-amerikanische IP-Carrier Cogent sämtliche Verbindungen zu seinem schwedischen Mitbewerber TeliaSonera. So sorgte eine bilaterale Auseinandersetzung zwischen den Kontrahenten dafür, dass sich für zwei Wochen ein veritabler Riss durchs Netz der Netze zog.

Wo die Ursache für die Zwistigkeiten lag, ist Stoff für muntere Spekulationen im Web. Die Parteien selbst weisen sich mit unklaren Statements gegenseitig die Schuld zu. Fakt ist: Der Provider Cogent fiel in der Vergangenheit immer wieder durch eine aggressive Unternehmenspolitik auf und gilt als mitverantwortlich für einen heftigen Preiskampf am Bandbreitenmarkt. In den letzten Jahren legte er sich unter anderem mit Branchenriesen wie Level3 und AOL an.

Immer geht es um Netzzusammenschaltungen, so genannte Peering-Abkommen, über die der Verkehr zwischen den Netzen und Backbones der einzelnen Provider und Carrier geregelt wird. Cogent sieht sich mit seinem globalen Glasfasernetz auf einer Ebene beispielsweise mit Level3 als Tier-1-Carrier. Solche Provider der höchsten Klasse bezahlen in aller Regel nicht für Peering-Traffic, sondern schließen so genannte "settlement-free peerings" ab, bei denen sich die Kosten per Vertrag gegenseitig aufheben.

TeliaSonera sieht sich in einer ähnlichen Position wie Cogent. Der schwedische Carrier ist besonders stark in seinen Heimatmärkten in Skandinavien und auf dem Baltikum. Genau dorthin expandiert Cogent gerade. Insider vermuten, dass ein internes Muskelspiel der beiden Unternehmen dazu geführt hat, dass Cogent den Stecker zog.

Am 14. März also kappten die US-Amerikaner sämtliche Verbindungen zwischen ihrem Autonomen Netz (Autonomous System) AS 174 und dem von TeliaSonera (AS 1299). Für etwa 12 Stunden fanden die Daten noch über Alternativrouten, die durch das Netz von Verizon führten, den Weg zwischen Kunden der beiden Betreiber. Dann war aus unbekannten Gründen plötzlich auch dieser Weg verbaut.

In Statements schoben sich die Unternehmen gegenseitig die Schuld zu, Leidtragende waren vor allem die Kunden. Cogent-Chef David Schaeffer warf TeliaSonera vor, Verträge gebrochen zu haben, indem der Datenaustausch an mehreren Peering-Punkten verweigert oder Kapazitätsausbauten verhindert wurden. Das schwedische Unternehmen schoss zurück und beschuldigte Cogent in einem Informationsschreiben an seine Kunden, bewusst das Internet "paritioniert" zu haben.

Als direkte Konsequenz konnten beispielsweise Webserver, die nur über Cogent angebunden sind, ihre Seiten nicht mehr an TeliaSonera-Kunden liefern. Für viel Unmut sorgte der Krach bei der zahlenden Kundschaft des beliebten Onlinespiels World of Warcraft. Dessen Hersteller Blizzard hat alle europäischen Gameserver ausschließlich via TeliaSonera mit dem Internet verbunden. Folglich konnten sie auch von deutschen DSL-Nutzern, deren Provider Cogent als Datentransporteur nutzen, nicht mehr erreicht werden.

In Webforen musste sich Blizzard Schelte anhören, weil man für den Service lediglich einen Carrier nutzt ("single homed"). In der Tat ist es für Onlinedienste, die unabhängig vom Ausfall einzelner Netze stets verfügbar sein wollen, eigentlich unerlässlich, eine mehrfache Redundanz bei der Anbindung vorrätig zu haben ("multi homed"). Blizzard aber verwies in einer Stellungnahme lapidar auf den Krach der beiden Netzbetreiber: "Dies hat für einige Nutzer des Internets negative Auswirkungen, der Effekt ist das Ergebnis der Entscheidung von Cogent und unglücklicherweise außerhalb des Einflussbereichs von TeliaSonera."

Erst am 28. März berappelten sich die beiden Carrier. Plötzlich funktionierten die Peerings wieder, als sei nie etwas gewesen. Routenverfolgungen ergaben, dass man offensichtlich in London sogar einen zusätzlichen Austauschpunkt etabliert hat. Eine Stellungnahme der Kontrahenten war bislang nicht zu erhalten. (hob)