9000 Lichtjahre lange Gasstruktur nahe der Sonne schaukelt "wie eine La-Ola"

Erst dank der Daten des Weltraumteleskops Gaia wurde vor vier Jahren ein gigantisches Gasband vergleichsweise nahe der Sonne entdeckt. Nun gibt es Neuigkeiten.

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Darstellung einer Spiralgalaxie mit einer wellenförmigen Struktur

Künstlerische Darstellung der "Radcliffe-Welle" in der Milchstraße, als gelber Punkt die Sonne

(Bild: Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics)

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Unsere Sonne wird auf ihrem Weg in der Milchstraße von einer gigantischen wellenförmigen Gasstruktur begleitet, die sich auch tatsächlich so bewegt, wie eine La-Ola im Stadion. Das hat eine Forschungsgruppe vier Jahre nach der Entdeckung der "Radcliffe-Welle" jetzt herausgefunden. Diese ist etwa 9.000 Lichtjahre lang und besteht aus miteinander verbundenen Gaswolken, in denen aus dem vorhandenen Material gehäuft Sterne entstehen. Deren Bewegungen konnten dank der präzisen Daten des Weltraumteleskops Gaia jetzt ermittelt werden, was den Rückschluss auf die Eigenbewegung des gigantischen Gasbands ermöglicht hat. So habe man jetzt herausgefunden, dass sich die darin versammelten Sternenhaufen tatsächlich hoch und herunterbewegen – "genau wie Menschen in einem Stadion".

Die Bewegung der "Radcliffe Wave"

(Bild: Ralf Konietzka, Alyssa Goodman & WorldWide Telescope)

Obwohl die Sonne lediglich 500 Lichtjahre vom zentralen Bereich der "Radcliffe-Welle" entfernt ist, war das Gebilde bis zu ihrer Entdeckung unbekannt. Dabei handle es sich um "die größte kohärente Struktur, die wir kennen", wie die Astrophysikerin Catherine Zucker vom Center for Astrophysics der Universität Harvard erläutert. Erst eine auf Basis von Gaia-Daten erstellte genaue Karte von Gasstrukturen in der weiteren Nachbarschaft habe die dreidimensionale Struktur deutlich sichtbar gemacht. Die anfänglichen Daten waren aber nicht genau genug, um herauszufinden, ob sich die Struktur auch tatsächlich bewegt. Das konnte erst mit neuen und präziseren Daten von Gaia untersucht und bestätigt werden. Der Forschungsartikel ist im Fachmagazin Nature erschienen.

So wie Menschen während einer La-Ola im Stadion von der Erdanziehung zurück in ihre Sitze gezogen werden, würden die Sternenhaufen der "Radcliffe-Welle" von der Milchstraße zurückgezogen, erklärt Ralf Konietzka die Bewegung der Struktur. Der Doktorand hat die neue Forschungsarbeit geleitet. Nachdem damit jetzt eine der grundlegenden Fragen zu der Struktur geklärt sei, können man sich noch schwierigeren widmen, erklärt das Team. So wisse man bislang noch überhaupt nicht, wodurch die Welle entstanden ist oder warum sie sich genau so bewegt. Dazu gebe es verschiedene Theorien, die von Sternenexplosionen bis zu einer Kollision der Milchstraße mit einer Zwerggalaxie reichen. Außerdem stelle sich natürlich die Frage, wie verbreitet derartige Strukturen in der Milchstraße und anderswo sind.

Das Weltraumteleskop Gaia ist 2013 gestartet und lichtet mit einer Gigapixelkamera kontinuierlich den Sternenhimmel ab. Mittels Parallaxenmessung kann es auf seinem Weg um die Sonne die Position unzähliger Sterne sowie Galaxien und im Laufe der Zeit auch deren relative Bewegung genau bestimmen. Dabei werden die Daten nicht nur präziser, es können auch immer mehr Objekte in den Katalog aufgenommen werden. Die 2016 veröffentlichte erste Sammlung enthielt Messdaten zu etwa einer Milliarde Sterne, 2018 waren es schon fast 1,7 Milliarden, 2020 noch einmal über 100 Millionen mehr. Der jüngste Datensatz ist mit über 10 Terabyte, der größte jemals veröffentlichte der Astronomiegeschichte.

(mho)