Regeln für Bitcoin & Co.: EU-Parlament besiegelt Aus für anonyme Kryptozahlungen

Das EU-Parlament hat strenge Vorschriften zur Rückverfolgung von Krypto-Werten sowie für deren Aufsicht und Kundenschutz beschlossen. Sie greifen in 18 Monaten.

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(Bild: Shutterstock)

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Das EU-Parlament hat am Donnerstag jeweils mit großer Mehrheit zwei Verordnungen verabschiedet, mit denen es einen umfassenden Regulierungsrahmen für die Kryptowährungsbranche aufzieht. Es will damit dem "Wilden Westen" in dem Sektor mit zahlreichen Pannen, Pleiten und Vermögensverlusten ein Ende setzen und verloren gegangenes Vertrauen wiederherstellen. Der Rahmen bleibt allerdings in großen Bereichen hinter den bereits geltenden Regeln zurück, mit denen Kanada die Spekulation mit Kryptowährungen stark einschränkt.

Jahrzehntelang habe der Kryptosektor einen sicheren Hafen für Betrüger und internationale kriminelle Netzwerke geboten, monierten Abgeordnete im Rahmen der Abstimmung. Dem wollen sie nun effektive Geldwäschebekämpfung, mehr Verbraucherschutz und starke Finanzaufsicht entgegenstellen – so weit wie jene Länder, die Kryptowährung komplett verboten haben, gehen sie aber nicht.

Zu dem beschlossenen Paket gehört eine Verordnung zur Übermittlung von Angaben bei Geldtransfers und Kryptowährungen, die mit 529 zu 29 Stimmen bei 14 Enthaltungen das Abgeordnetenhaus passierte. Wer in der EU virtuelle Münzen wie Bitcoin, Ethereum oder Ripple verwendet, soll damit künftig unabhängig vom Gegenwert identifiziert werden können. Auf dieses Aus für anonyme Zahlungen und Spenden mit Krypto-Tokens haben sich Verhandlungsführer der EU-Gesetzgebungsgremien und der -Kommission bereits im Juni prinzipiell verständigt.

Mit der Initiative sollen anonyme Krypto-Wallets untersagt und Sorgfaltspflichten wie Identifizierungsauflagen auf den ganzen Sektor ausgeweitet werden. Ziel ist es, den Transfer von Krypto-Vermögenswerten "vollends" nachverfolgbar zu machen. Um die Effizienz des Bezahlsystems zu wahren und die Untergrundwirtschaft klein zu halten, plädierte die Kommission zunächst für eine Bagatellgrenze von 1000 Euro. Dieses Limit strichen die Parlamentarier und die Vertreter des EU-Ministerrats aber. Demnach müssen alle Überweisungen von Krypto-Vermögenswerten Informationen über deren Quelle und Empfänger enthalten. Diese sind den zuständigen Behörden auf Verlangen zur Verfügung zu stellen.

Die Vorschriften gelten auch für Transaktionen mit "Unhosted Wallets", die ohne Intermediäre wie Börsen oder Kryptowerte-Dienstleister auskommen und die Basis für dezentrale Finanzanwendungen bilden. Sie werden direkt bei privaten Nutzern verwahrt. Dafür gelten Sonderbestimmungen: Wenn ein Kunde mehr als 1000 Euro an seine eigene, nicht gehostete Wallet sendet oder von ihr empfängt, müssen die Anbieter von Krypto-Vermögenswerten überprüfen, ob die virtuelle Geldbörse tatsächlich dem Kunden gehört oder von ihm kontrolliert wird. Die Regeln gelten nicht für Überweisungen von Person zu Person, die ohne einen Anbieter durchgeführt werden. Dies bezieht sich etwa auf den Austausch über Bitcoin-Handelsplattformen.

Mit 517 zu 38 Stimmen bei 18 Enthaltungen verabschiedete das Parlament zudem eine neue Verordnung über Märkte für Krypto-Vermögenswerte. Diese Vorgaben für "Markets in Crypto-Assets" (MiCA) sollen Verbraucher und Investoren vor Missbrauch und Manipulation auf volatilen Krypto-Marktplätzen schützen sowie die Finanzstabilität sichern. Emittenten von Stablecoins wie Tether oder Circles USDC, die die an den US-Dollar, einen Währungskorb oder andere Vermögenswerte gekoppelt sind, müssen künftig eine ausreichend liquide Reserve im Verhältnis 1:1 und teils in Form von Einlagen bilden, um Totalausfälle zu verhindern.

Jeder Inhaber solcher Token erhält permanent Anspruch auf gebührenfreien Umtausch. Ferner gilt eine Beschränkung auf 200 Millionen Euro an Transaktionen mit schnell wachsenden Stablecoins pro Tag. Solche Kryptowährungen werden künftig von der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) kontrolliert. Eine Präsenz des Emittenten in der EU wird Pflicht, um auf dem europäischen Markt aktiv werden zu dürfen. Anbieter von Wallets für Krypto-Werte aller Art haften, wenn sie virtuelle Münzen der Anleger verlieren. Jeglicher Marktmissbrauch inklusive Insiderhandel soll erfasst werden.

Alle Anbieter von Diensten für Krypto-Werte werden eine Zulassung benötigen, wenn sie in der EU tätig sein wollen. Die zuständigen nationalen Behörden müssen die Genehmigungen innerhalb von drei Monaten erteilen und der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) regelmäßig einschlägige Informationen über die größten Akteure übermitteln. Die ESMA soll zudem Vorschläge machen, um die negativen Auswirkungen des Schürfens insbesondere von Bitcoins auf die Umwelt und das Klima abzumildern. Die Kommission muss binnen zweier Jahre Mindestnachhaltigkeitsstandards vorlegen.

Non-Fungible Tokens (NFTs), die auf Basis von Blockchain-Einträgen das Eigentum an realen Objekte wie Kunst, Musik und Videos repräsentieren sollen, werden grundsätzlich vom Anwendungsbereich ausgenommen. Dies gilt aber nicht, wenn sie unter bestehende Krypto-Vermögenskategorien fallen. Die Kommission wird beauftragt, innerhalb von 18 Monaten eine umfassende Bewertung vorzunehmen.

Die neuen Aufsichtsstrukturen stellten "ein Bollwerk gegen Lehman-Brothers-Momente wie bei der Kryptobörse FTX" dar, warb MiCA-Berichterstatter Stefan Berger (CDU) für die Vorschriften. Herausgeber von neuen Coins müssten künftig auch relevante Informationen zum Energieverbrauch und zu den Umweltauswirkungen vorlegen. Dies schaffe Transparenz für Verbraucher. Er zeigte sich überzeugt, dass MiCA globale Standards setzen und als Booster für "junge Technologien wie die Blockchain" insgesamt fungieren werde.

"Gegenwärtig werden illegale Krypto-Finanzströme schnell und mit hoher Wahrscheinlichkeit unentdeckt durch die Welt bewegt", erklärte Ernest Urtasun, Co-Berichterstatter für die Transferverordnung. Dem schiebe die EU nun einen Riegel vor. "Dass jetzt anonyme Zahlungen und Spenden in digitalen Währungen total und ab dem ersten Euro verboten werden, hat keine nennenswerten Auswirkungen auf die Kriminalität", monierte dagegen Patrick Breyer (Piratenpartei). Diese Klausel beraube aber "gesetzestreue Bürger ihrer finanziellen Freiheit" und komme einem weiteren Schritt gleich, "auch das Bargeld abzuschaffen".

Der IT-Verband Bitkom feierte MiCA als "Meilenstein für die Blockchain- und Krypto-Branche". Damit erhalte eine "innovative und junge Branche Rechtssicherheit". Es liege nun an den Aufsichtsbehörden, in den kommenden 18 Monaten Standards zu entwickeln und in der Praxis durchzusetzen. Beide Verordnungen müssen vom Rat noch förmlich gebilligt werden, bevor sie im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden und 20 Tage später in Kraft treten. Nach den anderthalbjährigen Umsetzungsfristen greifen die Vorschriften dann.

Update 19:49 Uhr: Verweis auf kanadische Regulierung ergänzt

(axk)