Russland umgehen: EU plant Internetkabel durchs Schwarze Meer

Ein 45 Millionen Euro teures und rund 1100 Kilometer langes Unterseekabel soll die EU mit Georgien verbinden. Vodafone hat die Region offenbar auch im Blick.

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Das Schwarze Meer auf einer Landkarte

(Bild: Michele Ursi / Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

Die EU will ein Unterwasser-Internetkabel durch das Schwarze Meer verlegen, um die Verbindung nach Georgien zu verbessern und von der Festnetzinfrastruktur unabhängiger zu werden, die durch Russland verläuft. Dies berichtet die "Financial Times" unter Berufung auf nicht genannte Quellen. Die 45 Millionen Euro teure Leitung soll demnach die osteuropäischen Mitgliedstaaten über internationale Gewässer in dem Binnenmeer mit dem Kaukasus verknüpfen und etwa 1100 Kilometer lang sein. Die Europäische Investitionsbank habe einen Zuschuss von 20 Millionen Euro für das Projekt vorgeschlagen. Fragen zur Deckung der restlichen Kosten, zum Zeitplan und zur konkreten Durchführbarkeit seien aber noch offen.

Die Zeitung zitiert aus einem bislang unveröffentlichten Strategiepapier der EU-Kommission, wonach der EU-Kommission die "Abhängigkeit" der Region "von terrestrischen Glasfaserverbindungen über Russland" Sorgen bereitet. Die EU und Georgien sollen sich bereits 2021 grundsätzlich einig gewesen sein, dass ein solches Unterseekabel notwendig sei. Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine habe dem Vorhaben nun zusätzlichen Auftrieb gegeben, da sich beide Seiten nicht auf "unsichere oder instabile Verbindungen" verlassen wollten.

Dem Bericht nach prüft auch Vodafone die Möglichkeit, eine Kabeltrasse durch das Schwarze Meer zu verlegen. Diese Initiative mit dem Namen Kardessa würde die Ukraine mit Bulgarien, der Türkei und Georgien verbinden und dann auf dem Landweg nach Armenien, Kasachstan und weiter nach Asien führen. Der britische Telekommunikationskonzern sei derzeit auf der Suche nach Ausrüstern und Partnern, habe eine Stellungnahme aber abgelehnt.

Die EU plant auch ein separates Stromkabel unter dem Schwarzen Meer als Teil des Global-Gateway-Konnektivitätsprogramms, das Chinas Strategie der "neuen Seidenstraße" Paroli bieten soll. Die Leitung wird laut der Kommission Ungarn und Rumänien mit Georgien und Aserbaidschan verbinden, um die Versorgungssicherheit der Gemeinschaft zu stärken. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) kündigte dazu schon im September an: "Wir wollen weltweit in hochwertige Infrastrukturen – Verbindungen zwischen Waren, Menschen und Dienstleistungen – investieren."

Marktbeobachtern zufolge werden 99 Prozent des gesamten internationalen Internetverkehrs über rund 500 Unterseekabel abgewickelt. Weltweit ist ein Kampf um die Kontrolle solcher strategischen Ressourcen und die durchgeleiteten Datenmassen entbrannt. Seekabel gelten als anfällig für Sabotage und Spionage: Geheimdienste können sie – vor allen in ihrem eigenen Hoheitsgebiet – leicht anzapfen. Von Europa aus ging zuletzt eine große Datenleitung namens Iris zwischen Irland und Island im November in Betrieb. Die Kommission präsentierte im Herbst nach dem Sabotageakt gegen die Nord Stream-Pipelines in der Ostsee einen Fünf-Punkte-Plan für den Schutz kritischer Unterwasserinfrastrukturen. Dabei will die EU auch stärker mit der NATO kooperieren.

(mki)