SPD warnt vor "perfider" Instrumentalisierung der Sicherheitsdebatte

Die Sozialdemokraten neigen bei Forderungen der CDU nach einer Ausweitung der Videoüberwachung, Online-Durchsuchungen sowie der Auflösung der Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit weiter zu Skepsis.

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Die SPD neigt angesichts von Forderungen insbesondere aus der CDU zu einer erneuten Verschärfung von Sicherheitsgesetzen und dem Ausbau der Überwachung nach den jüngsten Terrorunruhen in Großbritannien weiter zu Skepsis. Führende Vertreter der Sozialdemokraten haben sich demgemäß ablehnend gegenüber einem Ausbau der Videoüberwachung, der Einführung einer gesetzlichen Regelung für heimliche Online-Durchsuchungen sowie zur Auflösung der Grenzen zwischen innerer und äußerer Sicherheit geäußert. So beklagte etwa der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Fritz Rudolf Körper, in der Süddeutschen Zeitung, dass die Union die Terrorgefahr politisch "perfide" instrumentalisiere. Die Sicherheit Deutschlands dürfe "nicht zum Gegenstand parteitaktischer Überlegungen werden", ergänzte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil.

Nach Informationen der Süddeutschen wollen Mitglieder des Bundeskabinetts wie Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU), Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) und Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) am morgigen Mittwoch bei ihrer wöchentlichen Runde über weitere Anti-Terrormaßnahmen beraten. Dabei soll es auch um Schäubles Forderung gehen, möglichst schnell ein Gesetz zum Ausbau der präventiven Befugnisse des Bundeskriminalamts (BKA) zu beschließen. Darin will der Innenminister den umstrittenen verdeckten Fernzugriff des BKA auf Festplatten von privaten PCs und auf virtuelle Speicherplattformen im Netz festschreiben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte zuvor bei der Vorstellung des Entwurfs (PDF) für ein neues Grundsatzprogramm der CDU im Einklang mit Schäuble schärfere Sicherheitsgesetze und einen verstärkten Einsatz der Bundeswehr auch im Innern gefordert. Die Trennung von innerer und äußerer Sicherheit ist der CDU-Vorsitzenden zufolge "von gestern". Dabei hatten sich die Koalitionsspitzen erst im Frühjahr darauf verständigt, das Thema Bundeswehr im Inneren nicht mehr zu verfolgen. Doch der Entwurf für das Grundsatzprogramm der Christdemokraten, das der Bundesvorstand am Wochenende beschlossen hat und das auf dem Parteitag Anfang Dezember in Hannover endgültig verabschiedet werden soll, enthält weiteren Sprengstoff für die große Koalition. So bemüht die CDU darin alte Slogans konservativer Innenpolitiker und fordert: "Datenschutz darf nicht zum Täterschutz werden."

Der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestags, Sebastian Edathy von der SPD, konterte im ZDF-Morgenmagazin: "Beim Thema Sicherheit in Deutschland müssen wir die Verhältnismäßigkeit im Auge haben und die Zweckmäßigkeit." Die Trennung von Polizei und Armee müsse aufrechterhalten werden, notfalls seien mehr Polizisten einzustellen. Auch die von Schäuble und dem Branchenverband Bitkom ins Spiel gebrachte Installation von mehr elektronischen Kamera-Augen im öffentlichen Bereich stieß bei Edathy auf wenig Gegenliebe. Videoüberwachung diene in der Regel nicht der Verhinderung von Verbrechen, sondern helfe bei der Aufklärung. Da dürfe man den Bürgern nichts anderes vormachen. Zudem seien vor allem die Länder für derartige Vorhaben zuständig. Die Technik zur Online-Durchsuchung ist laut dem SPD-Politier zudem noch nicht so weit entwickelt, dass sie eingesetzt werden könnte. Außerdem müsse bedacht werden, dass es sich dabei um einen weitgehenden Eingriff in die Privatsphäre handeln würde.

Die innenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Silke Stokar, macht sich derweil für eine "sachliche Debatte über den sinnvollen Einsatz von Überwachungskameras" stark. Auf Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes hat die Oppositionspartei Einsicht in die bislang geheim gehaltenen Verträge zwischen dem Bundesinnenministerium und der Deutschen Bahn zur gemeinsamen Sicherheitszentrale verlangt. "Wir wollen Auskunft darüber, wie viele Bahnhöfe in Deutschland mit Videokameras überwacht sind, welche Vereinbarungen es zur Qualität der eingesetzten Technik gibt und wie die Kostenaufteilung zwischen Bahn und Ministerium geregelt ist", erläutert Stokar. Die Übertragung von Aufgaben auf den privaten Sicherheitsdienst der Bahn dürfe nicht zu gefährlichen Sicherheitslücken führen. "Genau hinsehen" statt sich auf allgegenwärtige elektronische Augen zu verlassen, muss auch laut Gisela Piltz, Stokars Kollegin bei der FDP, die Botschaft sein. Schäuble streue den Menschen Sand in die Augen, wenn er den Eindruck erwecke, dass ein mehr an Videokameras Anschläge verhindern könne.

Zu den Auseinandersetzungen um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)