Studie: Open Source trägt global 8,8 Billionen Dollar zur Wirtschaftskraft bei

Harvard-Forscher Frank Nagle hat berechnet, was Firmen zahlen müssten, wenn es keine freie Software gäbe. Auch Unternehmensgründer sollen beflügelt werden.

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(Bild: Imilian/Shutterstock.com)

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Die weltweite Wirtschaft profitiert massiv von frei verfügbarer Software mit offenem Quellcode. Zu diesem Ergebnis kommt Frank Nagle, Assistenzprofessor an der Harvard Business School (HBS). Zusammen mit Manuel Hoffmann (HBS) und Yanuo Zhou von der Universität Toronto hat Nagle den Wert von Open-Source-Software in einer jüngst veröffentlichten gleichnamigen Studie berechnet. Vor allem auf der Nachfrageseite, also bei Unternehmen, die solche Programme und zugehörige Programmiersprachen und Bibliotheken nutzen, ist die Summe hoch: Für Firmen würden demnach Kosten in Höhe von 8,8 Billionen US-Dollar anfallen, wenn sie diese Systeme kaufen oder selbst entwickeln müssten. Auf der Angebotsseite müssten zudem 4,15 Milliarden US-Dollar für die theoretische Neuentwicklung der heute schon am häufigsten verwendeten Open-Source-Software-Produkte durch Programmierer ausgegeben werden.

Unternehmen müssten laut der Analyse ohne freie Software 3,5-mal so viel für ihre Computerprogramme ausgeben, als sie es derzeit tun. 84 Prozent der Mehrkosten würden allein für die sechs wichtigsten Programmiersprachen anfallen, also für C, Java, JavaScript, Python, Typescript und Go. Bei der eigentlichen Software berücksichtigten die Forscher neben Linux etwa den Apache-Server, FileZilla, GIMP, LibreOffice, TensorFlow, VirtualBox und den VLC Media Player. Sie fanden zudem heraus, dass 96 Prozent des Wertes an Open-Source-Software in Unternehmen bislang von nur 5 Prozent aller beitragenden Entwickler geschaffen wurden. Bislang blieb freie Software bei wirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Rechnungen weitgehend unberücksichtigt, da sie über kein Preisschild verfügt und Marktdaten schwerer zu beziehen sind.

Das Team um Nagle wertete zwei Quellen aus, die den Einsatz freier Software durch Millionen von Unternehmen weltweit erfassen. Dabei handelt es sich einmal um das Census II-Projekt, in das Daten aus Zehntausenden Firmen einfließen. Zweitens zapften die Wissenschaftler den BuiltWith-Datensatz an, der Informationen aus Scans von fast neun Millionen Webseiten umfasst. Dabei werteten sie die zugrunde liegende Technik einschließlich Open-Source-Bibliotheken aus, um den Anteil an freien Softwarelösungen zu ermitteln. Zuvor hatten etwa Analysten einer 2021 veröffentlichten europäischen Studie bereits geschätzt, dass die ökonomische Bedeutung von Open Source allein 2018 in damals noch 27 EU-Länder bei bis zu 95 Milliarden Euro lag.

In einer anderen, im November veröffentlichten Untersuchung fand Nagle zusammen mit Wirtschaftswissenschaftler Shane Greenstein und der Unternehmensstrategin Nataliya Wright heraus, dass eine Zunahme der Beteiligung an Open-Source-Projekten über das Portal GitHub in einem bestimmten Land folgenden Jahr zu einem Anstieg der Zahl neuer Technologiefirmen ebendort führt. Der Anstieg von Code-Beiträgen in einem Land um ein Prozent führte etwa zu 0,2 bis 0,4 Prozent mehr Gründungen von IT-Unternehmen allgemein und 0,03 bis 0,1 Prozent mehr neuen Open-Source-Unternehmen. Zwischen einzelnen Staaten wichen die Ergebnisse aber stark ab. Die Gründeraktivität steigerte sich vor allem in Ländern mit höherem Pro-Kopf-Einkommen und einer besser ausgebildeten Bevölkerung. Doch auch in den Ländern mit mittlerem Einkommen sei die Zahl der Programmierer gewachsen. Diese erwirtschaften jährlich Dienstleistungen in zweistelliger Milliardenhöhe.

Würde mehr in Ausbildung investiert, könnte Open Source diesem Team zufolge auch dazu beitragen, die Wettbewerbsbedingungen zwischen besser und schlechter ausgestatteten Ländern anzugleichen und so als Innovationsmotor zu fungieren. Zudem führe die Zunahme der GitHub-Beteiligung in einem Land zu mehr global ausgerichteten Unternehmensgründungen, da auch die Entwickler-Community weltweit agiere. Neugründungen seien ferner häufiger auf gemeinschaftliche und soziale Ziele ausgerichtet wie etwa Geschlechtergleichstellung, ökologische Nachhaltigkeit sowie verbesserte Gesundheit und Bildung. Generell erhöhe sich die Qualität von Start-ups parallel zum verstärkten Einbringen in Projekte mit freier Software. Beide Studien zeigen laut der OSB Alliance, "dass von der Unterstützung des Open-Source-Ökosystems sowohl die Zivilgesellschaft als auch einzelne Unternehmen und ganze Volkswirtschaften profitieren". Politische Unterstützung entfalte so "sowohl regional als auch global eine starke wirtschaftliche, innovationsfördernde und soziale Hebelwirkung".

Update

Falsche Summe in Titel korrigiert.

(olb)