Sustainable Data Center: TÜV Rheinland stellt Nachhaltigkeitszertifikat aus

Einstufung von A bis G: Der TÜV Rheinland bietet ab sofort ein Data-Center-Nachhaltigkeitszertifikat. Dafür müssen Rechenzentren aber die Hosen herunterlassen.

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Rechenzentrum

(Bild: Timofeev Vladimir/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
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Inhaltsverzeichnis

Nach einem Entwurf des Energieeffizienzgesetzes sollen Rechenzentren bis 2027 klimaneutral sein. Damit wird die Nachhaltigkeit von Rechenzentren künftig an Relevanz gewinnen. Ein Schritt zur Bewertung solcher Rechenzentren könnte Sustainable-Data-Center-Zertifikat (SDC-Zertifikat) sein, das diese in Energieeffizienzklassen von A bis G einteilt. Der TÜV Rheinland hat das SDC-Zertifikat in Zusammenarbeit mit der Beratungsfirma High Knowledge entwickelt, die sich auf emissionsfreie und modulare Rechenzentren spezialisiert hat. Dabei wird jede technische Komponente einzeln bewertet.

Wichtige Aspekte bei der Zertifizierung sind unter anderem die Baugenehmigung, Schaltpläne, Mess- und Kühltechnik. Aber auch Aspekte wie der Arbeitsweg der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder die Abfallvermeidung werden berücksichtigt.

Das Zertifikat ist drei Jahre lang gültig. Zur Aufrechterhaltung muss jährlich ein erneuter Audit stattfinden. Punktet das Rechenzentrum im Audit ausreichend, bekommt der Betreiber das Zertifikat sowie einen Nachhaltigkeitspass und ein Label, das er auf seiner Website präsentieren darf – ähnlich dem Energielabel für Elektrogeräte.

Das Zertifikat dient auch dazu, einen Überblick zu erhalten, welche Aspekte noch verbessert werden können. Weiterhin kann der Betreiber Maßnahmen ergreifen, um eventuell weniger nachhaltige Eigenschaften zu verbessern und das RZ erneut abnehmen zu lassen.

Betreiber, die ein SDC-Zertifikat möchten, müssen sich laut TÜV Rheinland einem umfangreichen Audit unterziehen: Zunächst wird der Standort des Rechenzentrums untersucht. Dazu gehören unter anderem die Bauweise, Baustoffe, der Baugrund, auf dem das Rechenzentrum errichtet wurde, und ob der Betreiber bereits eine Nachhaltigkeitsstrategie verfolgt.

Danach wird die eingesetzte Informations- und Kommunikationstechnik näher untersucht – etwa die Energieeffizienz der IT-Komponenten und Anwendungen. Wie viel elektrische Energie für wie viel Rechenleistung genutzt wird, spielt eine entscheidende Rolle. Wer etwa alte, ineffiziente Server einsetzt, bekommt hier weniger Punkte.

Kriterien für ein SDC-Siegel

(Bild: TÜV Rheinland)

Ein dritter Teil befasst sich mit der Elektro- und Klimatechnik; etwa die Leistungsaufnahme, die Bauart der Kühltechnik und deren Effizienz und Energieverteilung. Da beim Rechenzentrumsbetrieb viel Abwärme entsteht, wird auch deren weitere Nutzung betrachtet: Bläst der Betreiber die warme Luft einfach nach außen oder nutzt er sie beispielsweise, um Büros zu heizen und Frischwasser zu erwärmen? Auch der Einsatz von Wasser für den Rechenzentrumsbetrieb – etwa zur Kühlung – spielt für das Zertifikat eine Rolle.

Weiter will der TÜV Rheinland auch auf Dinge achten, die zunächst banal erscheinen mögen – etwa die Abfallvermeidung und den Arbeitsweg der Mitarbeiter beziehungsweise deren Möglichkeiten, diesen klimafreundlicher zu gestalten. Punkte gibt es etwa für ein Jobticket oder ein dienstliches E-Bike.

Für das Audit muss der Rechenzentrumsbetreiber die Hosen herunterlassen – und das geht nur mit ordentlicher Dokumentation. Dazu gehören unter anderem die Baugenehmigung, Stromlaufpläne sowie Datenblätter und Dokumentationen der Server-, Netzwerk-, Mess- und Kühltechnik. Aber auch die der Arbeitsprozesse und bereits vorgenommener Maßnahmen zur Nachhaltigkeit. Ein Rechenzentrum des IT-Dienstleisters Akquinet hat als Erstes das SDC-Zertifikat erhalten und die Klasse B erreicht. Weitere Rechenzentrumsbetreiber sind im Gespräch, wie Ralph Freude vom TÜV Rheinland gegenüber heise online gesagt hat. "Wir wissen, dass nicht jedes Rechenzentrum alle Kriterien zur Nachhaltigkeit erfüllen kann, aber es soll auch motivieren, die jeweiligen Prozesse und Technik hinsichtlich eines ressourcenschonenden Umgangs zu optimieren. Es geht ja nicht nur um das Zertifikat, sondern im Fokus sollte auch die Umwelt stehen", sagt Ralph Freude vom TÜV Rheinland.

Die Grundidee des TÜV Rheinland ist nicht neu: Das deutsche Umweltbundesamt und auch sein österreichisches Pendant BMK verteilen bereits seit längerem Siegel für den umweltfreundlichen und nachhaltigen Rechenzentrumsbetrieb. Jedoch kennen diese Siegel keine Klassen und gehen laut TÜV – eine umfängliche Liste hat der Prüfdienstleister noch nicht veröffentlicht – nicht so tief wie das SDC-Zertifikat.

Außer mit Akquinet ist der TÜV Rheinland noch mit einem weiteren Rechenzentrumsbetreiber im Gespräch. Der Zertifizierer schätzt, dass sich aufgrund der neuen Regularien zeitnah 20 bis 30 Prozent der Rechenzentrumsbetreiber für das Zertifikat interessieren werden. Außerdem sollen die Richtlinien des SDC-Zertifikats bei Ausschreibungen von Neubauten als Maßgabe dienen können.

Rechenzentren sind enorm energiehungrig. Laut einer Bitkom-Studie aus dem Jahr 2021 benötigten deutsche Rechenzentren 2020 rund 16 Terawattstunden elektrischer Energie, also 16 Milliarden Kilowattstunden. Deren Erzeugung hat rund 6 Millionen Tonnen CO₂ ausgestoßen. Wenn es nach dem Entwurf des Energieeffizienzgesetzes geht, wird die Nachhaltigkeit für Rechenzentrumsbetreiber ein zentrales Thema.

(mack)