Technology Radar von ThoughtWorks sieht eine Renaissance der Softwarearchitektur

Innovationen für Softwarearchitekturen, Microsofts neue Offenheit sowie das zähe Ringen um Sicherheit zählen zu den Schwerpunkten des zweiten Halbjahresberichts der Softwareentwickler von ThoughtWorks.

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Technology Radar von ThoughtWorks spricht von Renaissance der Softwarearchitektur
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Von
  • Achim Born
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Cloud, Digitalisierung von Geschäftsmodelle, Industrie 4.0, IoT (Internet of things) – die derzeitigen Buzzwords hinterlassen zunehmend deutlichere Spuren in der Softwareentwicklung. Zumindest zeigt das der jüngste Technology Radar von ThoughtWorks, der wieder zweimal im Jahr die Einschätzung des 20-köpfigen Technology Advisory Board des Unternehmens zu Programmiertechniken und -Werkzeugen auflistet.

Besonders hervorgehoben wird dieses Mal die Renaissance der Softwarearchitektur-Thematik im Zuge des Cloud-Betreibermodells. Techniken wie Continuous Delivery, Containerisierung oder SDN (Software-Defined Networking) verstärken dabei den "wolkigen" Einfluss auf die Softwarearchitektur-Landschaft. Auch wird Microsofts Kursschwenk begrüßt, statt proprietärer Konzepte nun endlich große Teile der .NET-Umgebung als Open-Source-Projekte auf GitHub freizugeben. Die Autoren sind zuversichtlich, dass das den Weg zu Linux als Hosting-Plattform für .NET ebne und C# endlich zu einem echten Konkurrenten für die Schar an JVM-Programmiersprachen mache.

Als dritten Trend greift der Bericht den anhaltenden Kampf der Unternehmen um mehr IT-Sicherheit und Datenschutz auf, auch wenn die Autoren beklagen, dass bahnbrechende Durchbrüche fehlen. Folglich müsse man sich mit Verbesserungen im Kleinen begnügen, beispielsweise durch Testwerkzeuge wie ZAP (Zed Attack Proxy) von OWASP (Open Web Application Security Project), um mit automatisierten Penetrationstestläufen Schwachstellen in Webapplikationen aufzuspüren.

Das Technology Radar bewertet in der Regel rund 100 Techniken, grob sortiert in die Kreisquadranten Praktiken, Plattformen, Werkzeuge und (Programmier-)Sprachen & Frameworks. Zweites Ordnungskriterium sind vier Kreisringe, die Status quo und Praxistauglichkeit wiedergeben sollen. Unterschieden wird dabei von innen nach außen zwischen Adopt (Einführen), Trial (Ausprobieren in überschaubaren Projekten), Assess (Kandidat für eine intensivere Betrachtung) und Hold (Abwarten). Die Einschätzung besitzt gegenüber Analysen einschlägiger Marktforscher den Vorteil, dass das Stimmungsbild aus realen Projekterfahrungen genährt wird. Die seit 2010 regelmäßig veröffentlichten Radar-Berichte sind außerdem eine Quelle zur Entwicklung von Techniken über die Zeit. Dabei ist neben dem "Aufstieg" die Nachverfolgung des Abstiegs wegen nicht eingelöster Erwartungen fast noch interessanter.

Im aktuellen Radar haben unter den Herangehensweisen beziehungsweise Praktiken beispielsweise Verfahren des "consumer-driven contract testing" in Verbindung mit Microservices und automatisch generierte Diagramme von Cloud-Infrastrukturen den Sprung in die Adopt-Kategorie geschafft. Im Trial-Rang wird nun der Ansatz Oflline first für das Design von Webanwendungen neu geführt. Bei ihm lassen sich Inhalte im lokalen Speicher eines Browsers zwischenspeichern und zu einem späteren Zeitpunkt mit der Server-Datenbank synchronisieren.

Unter den Plattform-Techniken wird aus dem Big-Data-Umfeld Clouderas SQL-Engine Impala ebenso wie Zwei-Faktor-Authentifizierung mit zeitbasierten Einmal-Passworten (TOTP) Ausprobierniveau zugebilligt. Die Aufnahme der .NET-Bibliotheken CoreCLRund CoreFX in den Assess-Ring ist angesichts der erwähnten "Übergabe" an GitHub eine quasi-logische Konsequenz. Dagegen werden Application Server nur noch als Hold eingestuft. Der Ansatz, möglichst viele Anwendungen auf einen "dicken" Server zu packen, passe einfach nicht mehr ins Zeitalter der Container-Techniken und agiler Lieferverfahren à la Continuous Delivery. Dass in Folge des HTTP/2-Standards zudem GooglesHTTP-Beschleuniger SPDY gleichfalls dort landete, erscheint selbstverständlich.

Auf dem Gebiet der Sprachen und Frameworks hat das .NET-Framework Nancy den Adopt-Status erreicht, dessen Ausrichtung vom Ruby-Framework Sinatra inspiriert ist. Neu aufgenommen im Assess-Ring wurde das JavaScript-Framework für Single-Page-Anwendungen Ember.js, auch weil die Erfahrungen mit dem verbreiteteren AngularJS in ThoughtWorks-Projekten nicht immer positiv ausfallen sollen. Nach wie vor auf der Assess-Ebene verharrt übrigens auch Apples neue Programmiersprache Swift, die im Vergleich zum ausgereiften Objective-C noch Schwächen aufweise. Da die Tage von Objective-C jedoch gezählt seien, sollten strategische iOS-Anwendungen gleichwohl mit der neuen Sprache entwickelt werden.

Auffällig im neuen Technology Radar ist, dass der Bereich "Sprachen & Frameworks" vergleichsweise wenig Bewegung verzeichnet. Dagegen erweist sich das Tool-Segment als dynamisch. Allein die Assess- und Trial-Kategorien zählen elf beziehungsweise fünf neue, zuvor nicht im Radar gelistete Werkzeuge auf. In der Mehrzahl handelt es sich hierbei Techniken, die Entwickler die Testarbeit vereinfachen. Zu diesen zählen Quick (Test-Framework für Swift und Objective-C), NaCl (Bibliothek zur Verschlüsselung von Netzwerk-Kommunikation), HAMMS (ein sich "schlecht benehmender" HTTP-Server), REST-assured (Testen von REST-Services in Java) oder ZAP.

Siehe dazu auf heise Developer:

(ane)