Trotz Bedenken: Bayern testet Palantir-Software mit echten Personendaten

Der Landesdatenschutzbeauftragte prüft, ob es für das VeRA-Pilotprojekt nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts überhaupt eine rechtliche Basis gibt.

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Palantir-Logo

(Bild: Spyro the Dragon/Shutterstock.com)

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Bayern hält an dem Plan fest, für die Polizei eine "verfahrensübergreifende Recherche- und Analyseplattform" (VeRA) auf Basis der Software "Gotham" des umstrittenen US-Unternehmens Palantir einzuführen. Das zuständige Landeskriminalamt (LKA) testet die Analyse-Software seit März sogar bereits mit echten Personendaten, wie der Bayerische Rundfunk (BR) meldet. Der bayerische Datenschutzbeauftragte Thomas Petri hält es aber für zweifelhaft, ob es dafür eine rechtliche Grundlage gibt. Denn das Bundesverfassungsgericht erklärte Mitte Februar den Einsatz automatisierter Datenanalysen durch die Polizei in Hessen und Hamburg in bisheriger Form für verfassungswidrig. Auch dort geht es prinzipiell um Gotham.

Prinzipiell wäre es möglich, dass Ermittler bei dem Pilotprojekt mit Realdaten Hinweise auf strafbare Rechtsverstöße erhielten, erläuterte Petri seine Bedenken gegenüber dem BR. "Wenn das der Fall ist, dann unterliegt die Polizei dem sogenannten Legalitätsprinzip. Das heißt, sie muss diesen Straftaten auch nachgehen." Damit werde der Probebetrieb zum handfesten rechtlichen Problem, weil die gesetzliche Basis für einen allgemeinen Einsatz der Big-Data-Software zur Strafverfolgung fehle. Der Kontrolleur will den Fall daher nun formal überprüfen. Der Münchner Strafrechtler Mark Zöller ist sich derweil bereits sicher: Das Agieren des federführenden bayerischen Innenministeriums und des LKAs seien "juristisch schlicht rechtswidrig"

Das LKA erteilte Palantir schon 2022 in einem europaweiten Vergabeverfahren den Zuschlag für den Aufbau von VeRA. Aus dem geschlossenen Mantelrahmenvertrag sind die Länder und der Bund im Rahmen des sich bereits seit Jahren hinziehenden Programms Polizei 2020 (P20) "selbständig abrufberechtigt". Der Bund hat sich aber dagegen entschieden, bei Sicherheitsbehörden auf diese Plattform zu setzen und eine übergreifende Variante davon zu entwickeln. Er baut auf "eigene digitale Kompetenz". Bayern hat nach Angaben des dortigen Innenressorts bereits rund 13,4 Millionen Euro für die Palantir-Software ausgegeben. Der Landtag soll nun im Lichte des Karlsruher Urteils das Polizeiaufgabengesetz (PAG) des Freistaats ändern, damit die Polizei VeRA zur Verbrecherjagd verwenden kann.

Für den Probelauf hält das Innenministerium eine solche PAG-Novelle aber nicht für erforderlich: "Die testweise Datenverarbeitung wird nicht für polizeiliche Zwecke genutzt", teilte es dem BR mit. "Die dient lediglich der internen Prüfung der Anwendung." Die Tests erfolgten mit Daten aus sechs polizeilichen Ermittlungssystemen. Darunter seien umfangreiche Datenbanken wie der Fahndungsbestand Inpol-Land, aber auch das Programm zur Bearbeitung von Verkehrswidrigkeiten. Die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und AfD fordern unterdessen in separaten Anträgen, VeRA bundesweit einzuführen und die anderslautende Entscheidung des Bundesinnenministeriums zu revidieren. Die Software habe sich etwa im Kampf gegen Clan-Kriminalität bewährt. Ein verbesserter polizeilicher Informationsaustausch sei dringend erforderlich. Bei der Ausschreibung habe sich mit dem Palantir-Programm nur ein einziges geeignetes Produkt finden lassen.

(mho)