UN-Cybercrime-Konvention: EU streitet mit China und Russland über Datenschutz

Abhören in Echtzeit, staatliches Hacking und Auslieferungen – bei den Verhandlungen über ein UN-Abkommen gegen Cyberkriminalität steht viel auf dem Spiel.

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(Bild: sdecoret/Shutterstock.com)

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Am Freitag ist in Wien die bereits fünfte Verhandlungsrunde über ein Abkommen der Vereinten Nationen zum Kampf gegen Cyberkriminalität nach zehn Tagen zu Ende gegangen. Die Gespräche gehen mittlerweile immer wieder in heiße Phasen. Als besonders heikel gilt etwa ein Kapitel über die internationale Zusammenarbeit im Bereich der Strafverfolgung, denn dieses dreht sich etwa um die Übermittlung und den grenzüberschreitenden Zugriff auf personenbezogene Daten etwa in Cloud-Diensten ("E-Evidence"), Auslieferungsverfahren, Rechtshilfe, gemeinsame Ermittlungen und besondere Techniken.

Die geplante UN-Cybercrime-Konvention war bereits im Vorfeld umstritten, da vor allem Russland und China die Debatte anstießen. Ein früher russischer Vorschlag sah unter anderem eine Pflicht für Anbieter von Online-Diensten vor, Strafverfolgungsbehörden weltweit beim Abhören in Echtzeit zu unterstützen. Zudem drängt Moskau darauf, "subversive oder bewaffnete Aktivitäten, die auf den gewaltsamen Sturz des Regimes eines anderen Staates gerichtet sind", zu verbieten. Das Verbreiten terroristischer und extremistischer Informationen inklusive "politischer Hassrede" soll weltweit strafbar werden. Die EU-Kommission sicherte dagegen voriges Jahr zu, besonders auf "ein hohes Schutzniveau der internationalen Menschenrechtsstandards" zu achten.

Das kommt nicht überall gut an. Ägypten etwa habe sich während der vergangenen Tage an der Häufung des Begriffs "Menschenrechte" unter anderem im konsolidierten Verhandlungspapier vom 20. April gestört, berichtet die österreichische Bürgerrechtsorganisation Epicenter.works, die vor Ort dabei war. Abgesandte aus dem autoritär regierten Nahoststaat hätten sich gewundert, was das überhaupt mit Cybercrime zu tun habe. Russland habe die Bühne trotz an sich knapp bemessener Redezeit für den Versuch genutzt, um in "Philibuster-Manier" die Rolle der UN in den internationalen Beziehungen allgemein zur Sprache zu bringen.

Die Gespräche entwickelten sich zunehmend zu einem Schlachtfeld zwischen der EU und anderen westlichen Ländern auf der einen Seite sowie China, Russland und weiteren autokratischen Regimen auf der anderen Seite, schreibt das Online-Portal "Euractiv". Erklärtes gemeinsames Ziel sei es zu verhindern, dass Online-Straftaten "demokratische Institutionen und Werte sowie die Justiz" untergraben und sich negativ auf die Rechtsstaatlichkeit und die zunehmende Anfälligkeit von Staaten etwa für Cyberangriffe auswirken. Die EU-Staaten wehrten sich aber etwa gegen die skizzierte "Notwendigkeit, die internationale Zusammenarbeit auf allen Ebenen zu verstärken". Vor allem sollten sie Hinweise darauf einfügen, dass die Kooperation innerhalb der Grenzen des Völkerrechts erfolgen, die Grundfreiheiten respektieren und die Menschenrechte schützen müsse. Russland und China wollten solche Passagen dagegen streichen. Peking spricht sich auch gegen eine Klausel aus, die Ausnahmen für die Pflicht zur Auslieferung oder Rechtshilfe vorsieht, wenn es "stichhaltige Gründe" dafür gibt, dass die Anschuldigungen auf Geschlecht, Rasse, Religion, Nationalität, ethnischer Herkunft und politischen Ansichten beruhen oder die Todesstrafe droht.

Russland wendet sich gegen Formulierungen wie "das Recht auf Schutz vor willkürlichen oder unrechtmäßigen Eingriffen in die Privatsphäre und das Recht auf ein faires Verfahren". Moskau will ferner, dass das Übereinkommen potenziell jede Straftat abdeckt, während die EU es auf schwere Straftaten beschränken will, die in beiden Rechtsordnungen zu einer Höchststrafe von mindestens vier Jahren führen können. Weitere Auseinandersetzungen gibt es über den Datenschutz generell. Zivilgesellschaftliche Organisationen wie Access Now, der Chaos Computer Club, die Electronic Frontier Foundation und European Digital Rights (EDRi) forderten jüngst in einer Eingabe, etwa die Echtzeitüberwachung so einzugrenzen, dass kein Eindringen in Netzwerke und Endgeräte erlaubt werde. Staatliches Hacking und fehlende Absicherungen könnten "die rechtmäßigen Aktivitäten von Journalisten, Whistleblowern, Sicherheitsforschern und anderen" kriminalisieren und andere schwerwiegende Folgen haben.

(tiw)