US-Gericht: Knacken von DRM unter Pay-TV-Konkurrenten üblich

Die News-Corp.-Tochter NDS wurde für schuldig befunden, das Knacken der Nagravision-Verschlüsselung in Auftrag gegeben zu haben. "Reverse Engineering" der Verschlüsselungssysteme sei üblich im Konkurrenzkampf der Satelliten-TV-Anbieter, argumentierte NDS.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 71 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Der zur News Corporation gehörende TV-Verschlüsselungsspezialist News Digital Systems (NDS) hat den Prozess gegen den Pay-TV-Anbieter Dish Network verloren. Anstelle der von Dish Network und dem Rechtsvorläufer Echostar geforderten Schadensbegleichung von ca. 1,6 Milliarden US-Dollar muss NDS jedoch nur 45,69 Dollar Schadensersatz und 1000 Dollar Strafgebühren für das Hacken einer einzigen Smartcard bezahlen sowie zusätzlich die Gesamtkosten des fünf Jahre langen Verfahrens übernehmen. Ein kalifornisches Bundesbezirksgericht befand NDS für schuldig, Hacker mit dem Knacken der Verschlüsselung von Dish/Echostar beauftragt zu haben. Das Gericht folgte aber der NDS-Argumentation, dass das "Reverse Engineering" der Verschlüsselungssysteme eine übliche Praxis im harten Konkurrenzkampf der Satelliten-TV-Anbieter ist. Im Einzelnen folgte das Gericht nicht den von Dish vorgelegten Beweisen, dass NDS Details des Verschlüsselungssystems an die Szene der TV-Piraten weitergegeben haben soll.

Über das widersprüchliche Urteil freuen sich NDS ebenso wie Dish Network in ihren jeweiligen Statements. Während NDS hervorhebt, dass man froh sei, dass die verleumderischen Angriffe gegen die Muttergesellschaft News Corporation (und deren Mehrheitseigner Rupert Murdoch) vorüber sind, betont Dish Network den Gewinn des Prozesses. Man sei zwar betrübt über die Schadenssumme, habe aber in der Sache Recht behalten, dass NDS die von Dish genutzte Technik gehackt hat.

Dish Network (bzw. der Vorläufer Echostar) setzt auf das Nagravision genannte Verschlüsselungssystem von Nagrastar bzw. der Schweizer Kudelski-Gruppe, während NDS für die Satellitensender des Murdoch-Konzerns die Videoguard genannte Technik entwickelt, auf die beispielsweise Premiere umstellt, nachdem Murdoch im großen Stil in den TV-Anbieter investiert. Das im israelischen Haifa ansässige Entwicklerlabor hatte den Starhacker Christian Tarnovsky mit seiner Firma Flylogic Engineering mit dem Hacken des Konkurrenzsystems beauftragt. Dies wurde im Gerichtsverfahren in Kalifornien von NDS niemals bestritten. Man habe die Systeme aller Konkurrenten geknackt oder knacken lassen, um aus den so gewonnenen Erkenntnissen auf Sicherheitslücken im eigenen System schließen zu können, erklärte der NDS-Entwicklungsleiter Zvi Schkedy vor Gericht. Das "Reverse Engineering" sei eine gängige Praxis der Branche.

Die Rechtsanwälte von Dish Network konnten im Gerichtsverfahren im direkten Verhör von Tarnovsky zwar einige Ungereimtheiten in seinen Kontakten mit der Piraterieszene aufdecken, jedoch nicht nachweisen, dass dieser Details ins Internet gestellt hat, wie die TV-Verschlüsselung ausgehebelt werden kann. Umgekehrt musste der Chef von Nagrastar in der Befragung durch NDS-Anwälte zugeben, dass seine Firma dem kanadischen Starhacker Ron Eiser ein eigenes Labor finanziert hatte. Damit gewann das Gericht den Eindruck, dass das Reverse Engineering auf beiden Seiten eingesetzt wurde.

Während die Juristen noch rätseln, ob der Fall als Präzendenzfall für die Zulässigkeit des Reverse Engineering gelten kann, sehen Programmierer die Sache mit gemischten Gefühlen. "Damit existiert jetzt ein Präzendenzfall, dass das Reverse Engineering von DRM-Verfahren der Konkurrenz legal ist," erklärte der Programmierer und Sicherheitsexperte Felix von Leitner gegenüber heise online. "Gegner von DRM-Systemen werden verfolgt und mit Gefängnis bedroht, aber wenn es in der Branche passiert, dann ist das O. K." Leitner sieht die widersprüchliche Entscheidung des kalifornischen Gerichtes in einer Linie mit deutschen Gesetzen, die die Nutzung von Hacker-Tools verbieten. (Detlef Borchers) / (jk)