Harte Kekse, weiche Marshmallows: Interface vermittelt Weichheit von Objekten

Menschen fühlen Weichheit unterschiedlich. Ein Softness Rendering Interface muss das berücksichtigen, wenn es die Weichheit von Objekten digital vermittelt.

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Das Bild zeigt das Softness Rendering Interface (SORI).

SORI kann die Weichheit unterschiedlicher Objekte differenziert darstellen.

(Bild: Jamani Caillet)

Lesezeit: 4 Min.

Robotikforscher des Reconfigurable Robotics Lab (RRL) der School of Engineering der École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) haben das Softness Rendering Interface (SORI) entwickelt, das kutane und kinästhetische Weichheitswahrnehmung differenziert darstellen kann. Es schließt damit eine Lücke in der Robotik, bei der es auf die genaue Vermittlung von weichen Materialien ankommt.

Bei der Wahrnehmung von Weichheit wird zwischen zwei primären Formen unterschieden: kutane und kinästhetische Rückmeldung. Die kutane Form liefert eine sensorische Rückmeldung, die über die Haut der Fingerspitze wahrgenommen wird. Die kinästhetische Wahrnehmung erfolgt über eine Rückmeldung der Kraft, die auf das Fingergelenk wirkt. Der Mensch kann dadurch Weichheit sehr differenziert unterscheiden, schreiben die Forschenden in ihrer Studie "SORI: A softness-rendering interface to unravel the nature of softness perception", die in Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlicht ist.

"Wenn man mit der Fingerspitze auf einen Marshmallow drückt, ist es leicht zu erkennen, dass er weich ist. Wenn man aber einen harten Keks auf den Marshmallow legt und erneut drückt, kann man immer noch erkennen, dass der weiche Marshmallow darunter liegt, obwohl die Fingerspitze eine harte Oberfläche berührt", erklärt Mustafa Mete, Doktorand im RRL. "Wir wollten sehen, ob wir eine Roboterplattform entwickeln können, die dasselbe kann."

SORI entkoppelt kutane und kinästethische Hinweise voneinander. Dadurch kann das System die Weichheit von verschiedenen Materialien nachstellen. Das Interface besteht dabei aus zwei unabhängig voneinander arbeitenden Systemen. Das eine rendert die Kontaktfläche, das andere die Steifigkeit.

Das Kontaktflächen-System besteht aus einem ringförmigen, weichen pneumatischen Aktuator (soft pneumatic actuator – SPA). Er steuert die Größe der Kontaktfläche für die Fingerspitze, in dem eine Membran aufgeblasen wird. Das sei wichtig, weil neurowissenschaftliche und psychologische Studien gezeigt hätten, dass das über die Haut vermittelte Gefühl weitgehend davon abhängt, wie groß der Kontakt der Haut zur Oberfläche ist. Eine Oberfläche, die einen größeren Bereich der Fingerspitze umschließt, wird entsprechend weicher wahrgenommen. Dabei hängt die Wahrnehmung auch davon ab, wie groß und fest ein menschlicher Finger ist. Ein Finger des einen Menschen kann daher eine Oberfläche stärker berühren als der eines anderen, um die Weichheit eines Objektes zu erfühlen.

Um dem zu begegnen, entwickelten die Forscher Parameter für die Geometrie einer Fingerspitze und deren Kontaktfläche. So konnten sie die Weichheitswerte entsprechend abschätzen. Diese Weichheitsparameter, die für verschiedene Materialien ermittelt wurden, übertrugen die Wissenschaftler auf SORI.

Das zweite System stellt die Steifigkeit dar. Es besteht aus einem prismatischen Origami-Gelenk, das mit einem Pouch-Aktuator verbunden ist. Solche Aktuatoren bestehen aus aufblasbaren Taschen, die dadurch unterschiedliche Bewegungen ausführen können und etwa zum Anheben von Objekten geeignet sind. Bei SORI reguliert ein Pouch-Aktuator die auf die Fingerspitze ausgeübte Kraft.

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Durch die Entkopplung von kutanen und kinästhetischen Rückmeldungen gelingt es SORI, die Weichheit verschiedener Materialien originalgetreu nachzubilden, wie etwa von Rindfleisch, Lachs und Marshmallows. Das Interface kann aber auch Materialien nachahmen, die sowohl weich als auch fest sind. Die Forscher imitierten etwa einen Keks auf einem Marshmallow und ein in Leder gebundenes Buch. In einem virtuellen Experiment wurden auch dynamisch veränderbare Oberflächen fühlbar gemacht, wie etwa die eines schlagenden Herzens.

Die Technik lasse sich in vielen unterschiedlichen Gebieten einsetzen, sagen die Wissenschaftler des EPFL. Ein Hauptgebiet sei die Anwendung in der Medizin. SORI könnte dazu verwendet werden, angehende Mediziner bei der Schulung zur Erkennung von Krebstumoren zu unterstützen. Bei robotergestützten medizinischen Operationen könnte SORI wichtiges haptisches Feedback an die operierenden Chirurgen zurückliefern. Hinzu kommen Anwendungen, bei denen etwa aus der Ferne die Weichheit eines Objektes erfühlt werden muss.

SORI ist jedoch kein Weichheitssensor für Roboter, betonen die Wissenschaftler. Das System diene ausschließlich dazu, das Gefühl einer Berührung digital zu übertragen.

(olb)