WIPO-Chef: Geistiges Eigentum differenzierter schützen

Stärkere Differenzierungen beim Schutz des geistigen Eigentums seien unverzichtbar: So genüge ein einheitliches Patentsystem für alles – von der Maschine bis zu molekularbiolgischer Entwicklung – den Ansprüchen der Wissensgesellschaft nicht mehr, meinte der Generaldirektor der World Intellectual Property Organisation.

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Von
  • Monika Ermert

Francis Gurry, Generaldirektor der für den Schutz des Geistigen Eigentums verantwortlichen World Intellectual Property Organisation (WIPO), erklärte in einem Interview, stärkere Differenzierungen beim Schutz des geistigen Eigentums seien unverzichtbar. Mit der wachsenden Rolle von Wissen in allen Bereichen der Produktion werde sich auch ein verfeinertes System von Schutzrechtsansprüchen entwickeln. So genüge etwa ein einheitliches Patentsystem für alles – von der Maschine bis zu molekularbiolgischer Entwicklung – den Ansprüchen der Wissensgesellschaft nicht mehr.

Gurry, der seit zwei Jahren im Chefsessel der WIPO sitzt, illustrierte die Veränderungen am Beispiel der Debatte um die Novellierung des Patentrechts in den USA. Die dortige IT-Industrie habe entschieden vor einstweiligen Verfügungen als Maßnahme gegen mögliche Patentverletzungen gewarnt. In der voll vernetzten Gesellschaft könnten solche Verfügungen die Technolgieentwicklung ganzer Sparten blockieren. Die pharmazeutische Industrie dagegen bezeichnete die Verfügungen als Kernbestandteil ihrer Schutzstrategie. "Vermutlich haben beide Recht, und nicht nur einer von beiden", kommentierte Gurry.

Der WIPO-Chef erkannte dabei zugleich an, dass die internationale Diplomatie im Bereich der Technik in einer Krise stecke. Die Politik hinke den ökonomischen Veränderungen und auch Verschiebungen im Bereich Technologieentwicklung hinterher. Längst gehörten klassische Entwicklungsländer wie China zu den Patentweltmeistern. Außerdem funktioniere der "Multilateralismus" nicht mehr. Die bei der WIPO, einer Organisation der Vereinten Nationen, versammelten Länder haben seit Jahren keinen internationalen Vertrag zum geistigen Eigentum mehr unter Dach und Fach bringen können. Von einer Harmonisierung des Patentrechts über den Schutz gegen "Signalpiraterie" (Broadcasting Treaty) bis zur neuen Schrankenregelung für Blinde und sehbehinderte Menschen – die Regierungen schaffen keinen Kompromiss mehr. Dies sei auch der Grund, warum viele Regierungen verstärkt auf bilaterale Freihandelsabkommen oder auf plurilaterale Abkommen wie das Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) setzten, erläuterte Gurry.

Neben einer stärkeren Differenzierung in den Schutzsystemen und einer Anpassung an ökonomische Gegebenheiten riet Gurry auch dazu, auf die Entwicklung in der Wissensgesellschaft selbst zu blicken. "Was die Welt uns zu verstehen gibt, ist, dass Plattformen besser sind als Verträge." Plattformen wie Twitter oder Facebook böten entsprechendes Anschauungsmaterial. "Hätte man soziale Veränderungen in dieser Art durch einen internationalen Vertrag herbeiführen können? Nein," sagte Gurry. (jk)