Zufallszahlen aus verschränkten Atomen

Forschern aus den USA und Europa ist es gelungen, mit Mitteln dern Quantentechnik nachweisbar zufällige Zahlen zu erzeugen.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Dr. Reinhard Wobst

Die Erzeugung zufälliger Zahlen ist schwierig. Für Simulationsrechnungen sind per Algorithmus generierte so genannte Pseudozufallszahlen zwar das Mittel der Wahl, doch zur Bereitstellung zufälliger kryptografischer Schlüssel taugen solche Algorithmen allein wenig, denn ihre Ergebnisse hängen deterministisch vom verwendeten Startwert (Seed) ab.

Für die Kryptografie muss Zufall daher "von außen" kommen, indem man nicht vorhersagbare Ereignisse kombiniert oder spezielle Hardware verwendet. Allerdings lässt sich aus den generierten Werten nicht sicher erkennen, ob der Zufall dank einer äußeren Beeinflussung nur vorgegaukelt ist.

Den einzigen "wahren Zufall" liefern Quanteneffekte. Jedoch waren auch dort mögliche Manipulationen des Systems bisher nicht sicher nachweisbar. Dieses Problem haben nun erstmals Forscher vom Joint Quantum Institute der University Maryland zusammen mit europäischen Kollegen auf eine neuartige Weise gelöst: Quantensysteme (etwa zwei Photonen oder Atome) können verschränkt sein. Das heißt, ihre Zustände sind nicht mehr unabhängig. Sobald eines der beiden Systeme gemessen wird, zeigt das andere ohne zeitliche Verzögerung einen davon abhängigen Messwert (etwa die gleiche Polarisation). Obwohl sie räumlich getrennt sind, verhalten sie sich, als wären sie fest gekoppelt. Solche Verschränkung widerspricht der Erfahrung der Alltagswelt, sie lässt sich nur bei mikroskopischen Quantensystemen beobachten.

Die Forscher nutzen nun den Umkehrschluss aus: Wenn zwei solche Systeme verschränkt sind, dann müssen sie sich "quantenmechanisch" verhalten und können nicht von außen gesteuert sein. Das heißt, dass auch von ihnen generierter Zufall nicht von außen beeinflusst sein kann. Dazu fingen sie zwei Atome in zwei komplett getrennten Fallen in einem Meter Abstand ein und ließen sie Photonen emittieren, mit deren Hilfe sie verschränkt wurden. Sobald beide Atome gleichzeitig ein Photon aussendeten, wurde die Verschränkung angenommen. Ob dies wirklich der Fall war, überprüften die Wissenschaftler mittels der Bell-Ungleichungen, die immer dann verletzt werden, wenn die Gesetze der klassischen Physik nicht mehr gelten. Beide Atome wurden dazu zufällig gedreht und von ihnen emittierte Photonen gemessen. Waren die Ungleichungen verletzt, generierte man aus den gemessenen Photonen ein Zufallsbit.

Auf diese Weise entstanden nach 3000 Messungen 42 "echte" Zufallsbits mit 99 Prozent Konfidenzniveau. Für praktische Belange ist solch ein System derzeit noch viel zu langsam und zu aufwendig. Allerdings ist für das Gelingen solcher Versuche das physikalische Prinzip wichtig, nicht seine konkrete Realisierung.

Das Projekt wurde unter anderem mit EU-Mitteln finanziert: Aus den Projekten PERCENT (Percolating entanglement and quantum information resources through quantum networks) und QORE (Quantum correlations) flossen insgesamt 9 Millionen Euro. Den vollständigen Forschungsbericht hat Nature veröffentlicht . (ck)