eGovernment: Justiz in Sachsen-Anhalt mit "unwahrscheinlichem Nachholbedarf"

Umsetzung der E-Akte, Videoverhandlungen ermöglichen, neue Software, neue Hardware beschaffen– die To-Do-Liste von Sachsen-Anhalts Justizministerin ist lang.

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(Bild: Zolnierek/Shutterstock.com)

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  • dpa
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Sachsen-Anhalts Staatsanwaltschaften und Gerichte sollen bis spätestens 2026 mit elektronischen Akten arbeiten. Das zu schaffen, wird ein großer Kraftakt aus Sicht von Justizministerin Franziska Weidinger (CDU).

"Das Thema hat höchste Priorität. Wir sind hier noch in der Aufbauphase. Wir haben in Sachen Digitalisierung der Justiz in Sachsen-Anhalt unwahrscheinlichen Nachholbedarf", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur in Magdeburg.

Das Ziel 2026 müsse gehalten werden. "Das sind gesetzliche Erfordernisse. Ich rücke da nicht von ab. Alle in der Justiz sind darauf eingestimmt, dass wir das schaffen müssen", so die Ministerin.

"Es ist so, dass bei der Digitalisierung der Justiz mehr als 10, vielleicht sogar 20 Jahre verpasst wurden. Nun gilt es alles gleichzeitig anzupacken und zu bewältigen, eine echte Mammutaufgabe", sagte Weidinger.

"Wir sitzen derzeit an drei großen Themen gleichzeitig: Wir brauchen ein leistungsfähiges Datennetz, dazu hochmoderne, neu zu programmierende Software, die aktuell in den Verbünden der Bundesländer entwickelt wird, und wir benötigen neue Hardware, vom Monitor bis hin zur Videokonferenztechnik in den Sitzungssälen der Gerichte." Kürzlich wurde eine Stellenausschreibung für IT-Administratoren für die Justiz veröffentlicht.

Das Tempo in den unterschiedlichen Bereichen werde variieren, sagte Weidinger. "Wir fangen bei den Fachgerichten an, die werden wir voraussichtlich schneller mit den völlig neuen Softwareprodukten versorgen können. Außerdem sind die Staatsanwaltschaften bei uns schon weit." Es werde beispielsweise an den Gerichten weiterhin einzelne Papierakten geben. "Sie können nicht von einem auf den anderen Tag alles umstellen, es wird ein Umstellungsprozess."

Bislang wird an den Gerichten noch sehr viel ausgedruckt von dem, was auf dem elektronischen Weg ankommt. Auch das soll laut Weidinger deutlich reduziert werden. "Es soll ein automatisiertes Verfahren geben, sodass wir nicht mehr so viel ausdrucken müssen und mehr mit den digitalen Dateien arbeiten können. Das ist eine Zwischenlösung, die nötig ist, um die vollständige Digitalisierung vorzubereiten." Es solle nur noch das Nötigste in den Gerichten ausgedruckt werden, um eine führende Papierakte zu haben, auch für die nächste Instanz.

"Aber es soll dann parallel dazu auch eine elektronische Lösung für Rechtsanwälte, Gutachter und andere Behörden geben", sagte die Ministerin. "Das wird für alle Beteiligten für eine deutliche Arbeitserleichterung sorgen."

Welche Grenzen die E-Akten haben, sei bei der Notfallplanung für Strom- oder Systemausfälle deutlich geworden, sagte Weidinger. "Auch dann muss Justiz arbeitsfähig sein. Wenn Sie vollständig auf Digitalisierung umgestellt haben, können Sie bei einem Stromausfall nicht so schnell an ihre digitalen Systeme kommen. Dann stellt die Justiz auf analoges Arbeiten selbstverständlich um."

Mit Blick auf Videokonferenzen und Verhandlungen in Gerichten hat Sachsen-Anhalt ebenfalls Nachholbedarf. "Wir haben noch nicht ausreichend Videokonferenzanlagen in den Gerichten und wollen das schnell ändern", sagte Weidinger. "Wir wollen in einem ersten Schritt an jedem Justizstandort des Landes eine funktionierende Videokonferenzanlage haben – das ist die Zielstellung."

Aktuell gebe es einzelne Anlagen. Manche liefen gut, andere ruckelten, weil das Netz noch nicht so leistungsfähig sei. "Es gibt mobile Anlagen, die für die Gerichte zum Teil schon angeschafft wurden, da sind die Nutzer auch zufrieden. Für bestimmte Fälle der Verhandlung ist das sicher gut geeignet. Und da werden wir weitermachen." Die Ministerin betonte: "Ich wünsche mir, dass wir da längst weiter wären, weil die Bereitschaft der Richterinnen und Richter da ist, das in geeigneten Fällen zu nutzen. Aber wenn die neue Anlage nur da steht und nicht sicher funktioniert, hat das auch keinen Zweck und bringt niemanden weiter."

Ihr sei es wichtig, dass sich die Richterinnen und Richter einbringen, wie die Anlage im Sitzungssaal funktionieren soll. "Sie müssen dann in die Ferne digital ihre Verhandlungsführung sicherstellen. Diese Aufgabe betrifft den Kerngehalt richterlicher Tätigkeit: Wie schalte ich Mikrofone, wann sehe ich jemanden ausreichend in der Kamera, wann kann ich stumm schalten, was passiert, wenn jemand vom Bild verschwindet, welche Fälle sind für eine Videoverhandlung geeignet."

(kbe)