iX 12/2017
S. 118
Wissen
Funknetze
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Kurz erklärt: Wireless Mesh Networking

Engmaschig

Nicht jeder Access Point benötigt einen LAN-Anschluss. Mehrere Geräte lassen sich per Funk zu einem drahtlosen Netz koppeln.

Wer die Meldungen und Produktvorstellungen zu neuen Access Points (APs) und WLAN-Routern verfolgt, gewinnt den Eindruck, dass es sich bei Mesh Networking um eine brandaktuelle Entwicklung im WLAN-Umfeld handelt. Das Gegenteil ist der Fall: Der zugrunde liegende Standard IEEE 802.11s ist eher ein Oldtimer, dessen Entwicklung bereits 2003 begann und dessen endgültige Version 2011 erschien.

Lange wurde Mesh Networking ausschließlich als eine Funktion für Outdoor-APs angesehen, und nahezu alle Geräte für den Außeneinsatz beherrschen dies seit Langem; allerdings auch viele Indoor-APs, was die Datenblätter aber nur selten herausstellen.

Spontan oder mit Bedacht

Wireless Mesh erlaubt es, APs (oder Endgeräte mit entsprechender Funktion) per Funk miteinander zu verbinden. Damit lassen sich Ad-hoc-Netze einfach einrichten, Reichweiten in bestehenden WLANs erhöhen und größere Flächen durch den Einsatz vieler APs abdecken, ohne Kabel zu verlegen. Wo im klassischen WLAN die Daten mehrerer APs in einem Switch aggregiert werden, tauschen Letztere in einem Mesh-Netz Daten direkt miteinander aus und bilden einen drahtlosen Backbone. Hierzu müssen sie sich in gegenseitiger Reichweite befinden und die Funkzellen größere Überlappungen aufweisen als sonst üblich. Weil Mesh-Netze dadurch störanfälliger werden, definiert der Standard 802.11s mit Mesh Deterministic Access ein deterministisches Zugriffsverfahren, das Zeitabschnitte statt des konkurrierenden Zugriffs auf das Shared Medium nutzt. Um vollduplex arbeiten zu können, müssen die APs über zwei Funkmodule für das 5-GHz-Band verfügen, was etwas irreführend auch als Triband beworben wird.

Zur Wegsuche zwischen den Knoten nutzen Access Points kein IP-Routing-Protokoll, sondern arbeiten auf der MAC-Ebene, um die spezifischen und sich ändernden Eigenschaften der Funkverbindung zu berücksichtigen. Statt der statischen Layer-2-Protokolle wie RSTP (Rapid Spanning Tree Protocol) kommt das eigens für Mesh entwickelte Hybrid Wireless Mesh Protocol zum Einsatz. Es eignet sich gleichermaßen für infrastrukturell genutzte WLANs (etwa im Unternehmensumfeld) wie für Ad-hoc-Verbindungen. Dafür nutzt es zwei Routing-Techniken: proaktives (tree based) Routing für fest installierte APs und reaktives (on demand) Routing für spontan erstellte Mesh-Netze. Grundsätzlich erlaubt der Standard aber auch andere Routing-Protokolle.

802.11s sieht die Installation Dutzender Access Points vor, die nur per Funk miteinander verbunden sind. Die Weiterleitung über mehrere APs (multi-hop) ist damit die Regel. Im Extremfall braucht hiervon nur ein einziger an ein LAN oder WAN angeschlossen zu sein, was aus Redundanz- und Performancegründen allerdings nicht sinnvoll ist. Ausdrücklich vorgesehen ist Wegeredundanz, sodass bei Ausfall eines APs die Daten über einen anderen Pfad ans Ziel kommen.

Mesh-Netze kennen keine Hierarchie und damit keinen Master-Controller, der alles steuert. Vielmehr organisieren sie sich selbst und passen sich dynamisch an die Umgebungsbedingungen an. Durch dieses Konzept ist Mesh Networking flexibel – auch beim Hinzufügen neuer APs. Bei der Fehlertoleranz ist ein Mesh-Netz einer Switch-Infrastruktur sogar überlegen, denn bei enger Vermaschung ist mehrfache Redundanz bereits eingebaut.

Es gibt drei Netzfunktionen, von denen jeder Knoten eine, zwei oder alle drei ausführen kann: Mesh-Points reichen Daten zum nächsten Knoten weiter, Mesh-Access-Points tauschen Daten mit Endgeräten aus und Mesh-Point-Portale bilden die Gateways zur drahtgebundenen Netzwelt.

Für die Endgeräte erscheint das Mesh-Netz wie ein einfaches WLAN. Da alle APs die gleiche SSID nutzen, können sich Endgeräte frei bewegen und bei schlechtem Empfang in einen anderen AP einbuchen.

Im kleinen Kreis

Dass der Begriff Mesh gegenwärtig in aller Munde ist, liegt vor allem an Google WiFi (seit Sommer 2017 auch in Deutschland erhältlich), das mehrere Google-APs schnell und einfach per Smartphone-App vernetzt und 802.11s eingebaut hat. Vergleichbare Produkte sind NETGEAR Orbi und Linksys Velop, die sich jedoch nicht am Standard orientieren. Die Interoperabilität mit Geräten anderer Hersteller verhindern bei allen Systemen bereits die herstellerspezifischen Apps zum Einrichten und Überwachen. Aus technischer Sicht ist der Begriff Mesh Networking durchaus angebracht – er hat hier aber wenig mit dem zu tun, was über viele Jahre damit assoziiert wurde, beispielsweise die Wegeredundanz in einem vermaschten Netz oder Multi-Hop-Übertragung.

Für den Unternehmenseinsatz steht mit 802.11s bereits seit Längerem ein mächtiger Standard für große und flexible Mesh-Netze zur Verfügung. Er sichert Interoperabilität und ist bereits in vielen APs implementiert. Datenraten von mehreren GBit/s, wie sie die neuen Gerätegenerationen nach 802.11ac erreichen, lassen sich jedoch besser über eine kabelgebundene Infrastruktur ausnutzen, sodass Implementierungen in Unternehmen weiterhin auf den Außenbereich und spezielle Anwendungsfälle beschränkt bleiben. Auch vom IoT-Boom profitiert Wireless Mesh Networking kaum, da sich hierfür zunehmend neue Low-Power-WAN-Techniken mit großer Reichweite und geringem Energiebedarf etablieren. (tiw)