iX 3/2018
S. 78
Report
Spatial Audio
Aufmacherbild

Im Kommen: dreidimensionaler Raumklang

Ohren auf

Grafisch werden virtuelle Welten immer überzeugender. Damit Computersimulationen dem Anwender ein echtes Eintauchen ermöglichen, müssen sie aber alle Sinne ansprechen – auch das menschliche Gehör.

Dank steigender CPU- und GPU-Performance bieten XR-Anwendungen – XR steht für X-Reality als Oberbegriff von Virtual (VR), Mixed (MR), Augmented (AR) und Cinematic Reality (CR) – heute fotorealistische Darstellung kombiniert mit Interaktivität, wie es noch vor zehn Jahren unvorstellbar war. Anwendungen, die früher leistungsfähige Grafik-Workstations erforderten, laufen jetzt sogar auf Smartphones.

Das Adverb „sogar“ müsste man eigentlich durch „endlich“ ersetzen, denn tatsächlich ist der nicht drahtgebundene Betrieb und die damit verbundene Bewegungsfreiheit ein wichtiger Faktor der sogenannten User Experience. Und diese UX ist der ausschlaggebende Faktor für den Erfolg eines solchen Systems. So konnte das iPhone nicht mit der klassischen Killerapplikation aufwarten, hat aber von Anfang an seinen Benutzern Interaktionsmöglichkeiten – etwa mit Touch-Gesten – geboten, die um Klassen komfortabler sind als die der bis dato schon existierenden PDAs mit in vielen Fällen vergleichbaren Funktionen.

Wenn aber die Qualität des Nutzererlebnisses – speziell bei XR-Anwendungen – so wichtig für den Erfolg eines Produktes oder einer Anwendung ist, darf man sich nicht allein um die visuelle Seite, sprich eine schnelle, fotorealistische Grafik, kümmern, sondern muss der Audiokomponente ebenso viel Bedeutung beimessen. Dies folgt schon aus der Erkenntnis, dass Menschen ihre Umgebung immer multimodal wahrnehmen, also über verschiedene Sinne gleichzeitig. Daher ist eine VR-Simulation umso überzeugender, je besser die diversen simulierten Sinneseindrücke für die menschliche Wahrnehmung ein konsistentes Bild ergeben.

Mit allen Sinnen wahrnehmen

Entsprechend dieser Erkenntnis wird auch im Audiobereich intensiv geforscht und entwickelt, und es gibt eigene Fachtagungen zu diesem Thema, etwa den Ende letzten Jahres in Graz veranstalteten International Congress on Spatial Audio (ICSA). Das Stichwort für die Entwicklungen im Audiobereich lautet also „Spatial Audio“ oder zu Deutsch etwas holprig übersetzt „räumliches Audio“. Dieser Begriff umfasst als Themenspektrum alle Bereiche der Audioproduktion, -wiedergabe und -rezeption, die sich speziell auf die Aspekte der räumlichen Wahrnehmung beziehen.

Ganz neu ist das Thema nicht – eins der Standardwerke dazu, die Monografie „Räumliches Hören“ von Jens Blauert, die unter anderem bereits einen Großteil der psychoakustischen Effekte beschreibt, auf denen moderne 3D-Audiosysteme basieren, erschien in der ersten Auflage schon 1974. Auch gehören die klassische Zweikanal- und Surround-Stereofonie im Grunde schon zu diesem Thema, da sich auch dort bei der Wiedergabe eine räumliche Abbildung virtueller Schallquellen erzielen lässt.