iX 3/2018
S. 90
Report
Digitalisierung
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Mitarbeiter fit für die Digitalisierung machen

Investieren statt entlohnen

Mitarbeiter sind in fast jedem Unternehmen der wichtigste Faktor. Eine Veränderung so zu gestalten, dass sich alle eingebunden fühlen, ist schwierig genug. Im Kontext der digitalen Transformation wird das zur Herkulesaufgabe.

Der fünfte von zehn Schritten im Bitkom-Leitfaden lautet: „Investieren Sie in Ihre Mitarbeiter“ [1].

Kann man diesem Tipp widersprechen? „Investieren Sie NICHT in Ihre Mitarbeiter!“ – das fühlt sich nicht richtig an, oder? Die Aufforderung, in die eigenen Mitarbeiter zu investieren, ist ein Allgemeinplatz. Man würde zustimmen, wenn es nicht so überflüssig wäre. Insofern ist die folgende Frage fast schon ketzerisch: Wozu soll ein Unternehmen im Kontext der digitalen Transformation in die Mitarbeiter investieren?

Eine Antwort des Bitkom findet sich im genannten Leitfaden: „[…] sorgen Sie dafür, dass Ihre Mitarbeiter […] den Anschluss an die Unternehmensentwicklung nicht verlieren.“ Hilft Ihnen das auf Ihrem digitalen Weg? Falls ja, haben Sie ein Problem. Dann haben Sie nämlich Mitarbeiter, die offensichtlich nicht an der Unternehmensentwicklung beteiligt sind und die wie Vieh der Herde folgen. Was Sie brauchen, sind jedoch Mitarbeiter, die das Unternehmen aktiv mitgestalten.

Investitionen in Mitarbeiter und Investitionen in Unternehmensentwicklung sind nicht zwei verschiedene Dinge – Letzteres ist ein Resultat von Ersterem. Dabei stellen sich folgende Fragen:

 In welche Mitarbeiter soll ich (besonders) investieren?

 Wie soll ich investieren?

Zur ersten Frage kann man pauschal sagen: In alle. Aber das hilft nicht weiter. Ohne die Struktur eines Unternehmens zu kennen, lässt sich diese Frage kaum sinnvoll beantworten. Mit einer sehr wichtigen Ausnahme: Der Chef ist auch ein Mitarbeiter. Ein Investment in ihn ist sinnvoll. Immer. Das gilt für alle Unternehmen in allen Branchen.

Die zweite Frage ist einfacher: Man kann Geld investieren oder Zeit. Geld fließt in bessere Betriebsmittel und Schulungen. Zeit wird in die Veränderung der Organisation investiert. Dabei handelt es sich sowohl um Zeit, die sich das Management für die Transformation nimmt, als auch um Zeit, die die Mitarbeiter zum Lernen oder für kreative Freiräume bekommen.

Dieser Artikel versucht, konkrete Empfehlungen an der Schnittstelle zwischen Personal und Digitalisierung zu geben. Die Herangehensweise ist eher exemplarisch als vollständig.

Fitness für Komplexität

Der Führungsstil „Command & Control“ ist bei vielen Firmen auf dem Rückzug. Darin unterscheiden sich digital führende Unternehmen wenig vom Durchschnitt (Abb. 1).

Fangen wir mit dem Chef an. Dass ein Chef sich weiterbildet, ist hoffentlich der Normalfall. Was ist heute anders als früher? Der Organisationsexperte Peter Senge schreibt dazu: „Es reicht nicht mehr aus, dass eine einzelne Person – ein Ford oder Sloan oder Watson – stellvertretend für die gesamte Organisation lernt. Es wird in Zukunft nicht mehr möglich sein, dass man die Dinge oben ausknobelt und dafür sorgt, dass alle anderen den Anweisungen des großen Strategen folgen. Die Spitzenorganisationen der Zukunft werden sich dadurch auszeichnen, dass sie wissen, wie man das Engagement und das Lernpotenzial auf allen Ebenen einer Organisation erschließt“ [2].

Was hat der Chef also heute zu lernen? Auf jeden Fall: führen statt managen. Genauer: laterale Führung, also Führung ohne Befehlsketten und Anweisungen „von oben nach unten“ [3]. Unternehmen, in denen dieser Stil etabliert ist, sind für die digitale Transformation oft gut aufgestellt. Andere werden nachziehen müssen. Warum ein lateraler Führungsstil erforderlich ist, wird sich im weiteren Verlauf des Artikels zeigen, wenn es um die (anderen) Mitarbeiter des Unternehmens geht.

Durch Digitalisierung bekommen Mitarbeiter mehr Verantwortung und Freiräume: Diese Aussage hört man häufiger bei Firmen, die digitale Technologien für die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen anwenden (Abb. 2).

Damit geht eine stärkere Beteiligung und Einbindung der Mitarbeiter einher. Im Englischen steht dafür der Begriff Empowerment. Ein bescheidener, aber wichtiger Anfang kann darin bestehen, dass der Chef dem Mitarbeiter nicht mehr sagt, was er tun soll, sondern ihn fragt, was er bei einer gegebenen Aufgabe für die richtige Herangehensweise hält. Der Vorteil: Wer eine Anweisung bekommt, führt die Aufgabe des anderen aus. Wer gefragt wird, macht sich die Lösung zu eigen.

Empowerment ist der Schlüssel

Selbstverständlich ist es damit nicht getan und von heute auf morgen lässt sich eine Veränderung nicht herbeiführen. Es ist wichtig, dass jeder im Unternehmen weiß, welche Aufgaben er oder sein Team eigenverantwortlich entscheiden und umsetzen darf und welche – noch – nicht. Wenn das jedem klar ist, kann man daran arbeiten, das Empowerment stufenweise zu erhöhen.