iX 6/2018
S. 58
Titel
Bot-Anwendungen
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Chatbots für Unternehmen

Holpriger Start

In immer mehr Anwendungen arbeiten vollautomatisierte Dialogsysteme. Einsatzbereiche gibt es viele: Marketing, Service, Onlineshops und Buchungsportale könnten davon profitieren.

Traditionelle Versicherungen haben es dieser Tage schwer. Ihre über Jahre aufgebaute Kundenbindung ist weidlich ausgeschöpft, und nun treten immer mehr Onlineversicherer auf den Plan. Vergleichsportale im Stil von Check24 spitzen den Wettbewerb weiter zu.

Durch Digitalisierung und Verjüngung der Marke will etwa die Münchner Allianz Bestandskunden besser bedienen und neue gewinnen. Und so machte man sich vor einem Jahr auf, dafür einen Skill für Alexa zu entwickeln. Doch Dienstleistungen rund um ein Kundenkonto sind mit vielen Sicherheits- und Datenschutzauflagen belegt.

Reines Content-Marketing zu Versicherungsthemen ließe sich aus den vorhandenen Daten leicht umsetzen. Doch woher soll die Motivation kommen, den besagten Skill zu installieren und zu nutzen, wenn die meisten Informationen schon im Web zur Verfügung stehen? Man verfiel daher auf eine neue Idee: Wenn schon nicht die Endkunden, könnten vielleicht die eigenen Mitarbeiter eine lohnende Zielgruppe abgeben.

Versicherungsmakler sind zwischen ihren Terminen einen Gutteil des Tages im Auto unterwegs. Diese Zeit wollte die Versicherung nutzen und entwickelte ein automatisiertes Dialogsystem, das mit Amazons Spracherkennung in der Lage ist, ein gesprochenes Protokoll zum eben absolvierten Termin aufzunehmen. Der Bot fragt eine Liste ab und der Berater antwortet im Klartext. Die Daten werden strukturiert abgelegt und stehen nicht nur dem Außendienstler, sondern auch dem gesamten Unternehmen zur Verfügung.

Ein Hotel-Bot in Hamburg sollte doch die Elbphilharmonie kennen, oder ist das zu viel verlangt (Abb. 1)?

Die erste Euphoriewelle in Sachen Bots und Skills ist schon wieder abgeebbt, denn die hohen Erwartungen haben viele Angebote nicht erfüllt (Abbildungen 1 und 2). Vor allem, wenn es um das Erledigen alltäglicher Aufgaben geht. Ein gutes Beispiel ist der bereits im Sommer 2016 gestartete Messenger-Bot von Domino’s Pizza. Er möchte zunächst die Adresse wissen, um den nächstliegenden Lieferanten zu finden, dann stellt er aktuelle Angebote vor. Für eine individuelle Pizza verlinkt er auf die Website.

Viele Bots können noch zu wenig

Die Nutzer haben hohe Ansprüche: Nicht nur der Skill der Deutschen Bahn erntet schlechte Noten (Abb. 2).

Bei Domino’s gibt man unumwunden zu, dass die Mehrzahl der Anfragen via Social Media sich um die Tagesangebote dreht. Ein Kunde, der den gesamten Service der Fastfood-Kette nutzen will, dürfte davon eher enttäuscht sein. Eine klare Kennzeichnung des Aufgabenbereichs könnte in diesem Fall möglicherweise helfen.

Dennoch: Aus Sicht eines Unternehmens ist das Beantworten von Standardfragen und die gleichzeitige Entlastung des Callcenters ein wichtiger Aspekt für den Einsatz von Bots. 35 Prozent aller Anrufer bei der Schweizer Großbank UBS fragen nach dem Kontostand. Die dafür anfallenden Kosten ließen sich reduzieren, könnte ein Automat die Frage beantworten. Das freilich bedarf einer sicheren Infrastruktur, und die würde eine Schweizer Bank wohl kaum auf Facebook suchen. Die eigene Website besuchen aber nur Nutzer, die ohnehin onlineaffin sind und eben nicht zu den Telefonierern zählen.