iX 6/2018
S. 121
Wissen
Mobilfunk
Aufmacherbild

Kurz erklärt: European Aviation Network (EAN)

Himmelan

WLAN im Flugzeug ist ein alter Hut, aber bisher gab es nur den Übertragungsweg über teure Satelliten. EAN bietet erstmals die Möglichkeit, mit Basisstationen am Boden zu kommunizieren, was die Kosten senkt und die Datenrate erhöht.

Als die Lufthansa 2004 unter dem Namen FlyNet einen WLAN-Dienst in ihren Langstreckenflugzeugen startete, war sie ihrer Zeit voraus. Zwei Jahre später musste sie ihn streichen, weil Boeing als Betreiber der Infrastruktur nicht die Gewinnzone erreichte. 2009 begann der zweite Versuch mit Technik von Panasonic Avionics. Wieder handelte es sich um teure, langsame Satellitenverbindungen. So boten die Fluggesellschaften diesen Service bisher nur auf Langstreckenflügen an.

Als Alternative kommt die direkte Kommunikation zwischen Flugzeug und Basisstationen am Boden infrage, aber erst in Gestalt von LTE existiert eine ausgereifte Technik, die die notwendige Leistung bei zugleich niedrigeren Kosten realisiert. Mit dem European Aviation Network (EAN) ist seit Februar eine Infrastruktur in Betrieb, die satellitengestützte Kommunikation mit Basisstationen am Boden kombiniert. EAN soll eine unterbrechungsfreie Internetverbindung vom Start bis zur Landung innerhalb Europas ermöglichen.

Das EAN ist ein Gemeinschaftsprojekt der Deutschen Telekom mit dem Satellitenbetreiber Inmarsat. Die Technik im Flugzeug stammt von Thales, die Bodenantennen von Nokia. Technisch gesehen besteht das Netz aus 300 über Europa verteilten Basisstationen und einem geostationären Satelliten, der vor allem die Gebiete über den Meeren abdecken soll. Die Flugzeuge benötigen Antennen an der Ober- und Unterseite und sollen ständig Kontakt sowohl zum Satelliten als auch zu den Bodenstationen halten. Von der Verbindungsqualität hängt es ab, wann welcher Übertragungsweg genutzt wird.

Stark modifizierter Mobilfunk

Neben den Antennen erhält jedes Flugzeug einen Bordserver und mehrere über die Kabine verteilte Access Points. Wie ein Endgerät authentifiziert sich das Flugzeug per SIM-Karte. Ein in Amsterdam installierter EAN-Server vervollständigt die Architektur. Ein Flugzeug lässt sich binnen einer Nacht ausrüsten und nach Herstellerangaben soll das Equipment an Bord 200 kg leichter sein als herkömmliche Satellitentechnik. Erstkunde ist British Airways, die bereits in den kommenden Wochen einen solchen WLAN-Dienst anbieten will. Die Lufthansa erwägt EAN für Flugzeuge der Europaflotte, die schon 2017 mit Satellitentechnik von Inmarsat ausgestattet wurde. Die LTE-Technik wurde für diesen Einsatzzweck erheblich modifiziert, da LTE normalerweise nur für maximal 350 km/h ausgelegt ist. Je nachdem, ob sich ein Flugzeug dem Sendemast nähert oder sich von ihm entfernt, verschieben sich die Trägerfrequenzen – der sogenannte Dopplereffekt. Deshalb misst die EAN-Technik ständig die Empfangsfrequenz und passt die Sendefrequenz entsprechend an.

Wenig Schwierigkeiten bereiten dagegen die Reiseflughöhen von bis zu 12 000 m, die noch im Bereich herkömmlicher Mobilfunkreichweiten liegen. In der Luft gibt es zudem keine Gebäude oder anderen Hindernisse, die sonst die Reichweite begrenzen. Jeweils drei Antennen sind gen Himmel gerichtet und bewirken eine kegelförmige Ausleuchtung. Die Basisstationen stehen zwar bevorzugt erhöht, etwa auf Bergen. Ein Teil nutzt aber auch gewöhnliche Mobilfunkmasten, wobei die oberen Mastpositionen ideal sind.

Eine Herausforderung besteht jedoch im ungewöhnlich großen Durchmesser einer EAN-Funkzelle von bis zu 150 km – begrenzt durch die Erdkrümmung. Das ist etwa zehnmal so groß wie bei der terrestrischen Mobilfunkkommunikation, weshalb auch die Signallaufzeiten mit bis zu einer halben Mikrosekunde Modifikationen an der LTE-Technik erforderten, die über eine reine Erhöhung der Sendeleistung hinausgehen.

EAN funkt im zuvor ungenutzten LTE-Band 65; der Satellit verwendet zwei Frequenzbänder im S-Band, die erst nach einem längeren Vergabeverfahren in allen EU-Staaten sowie der Schweiz und Norwegen an Inmarsat gingen.

Im Flugzeug stehen 75 MBit/s in Download- und 20 MBit/s in Upload-Richtung zur Verfügung, die sich – wie in Funknetzen üblich – alle Endgeräte teilen. Die Latenz beträgt mit 60 bis 90 ms nur ein Zehntel dessen, was bei der Satellitenkommunikation üblich ist.

Wenn in Zukunft viele Passagiere den Dienst nutzen, soll die Kapazität schnell und einfach geografisch skalierbar sein. In der ersten Ausbaustufe sind bis zu vier Flugzeuge je Funkzelle vorgesehen. Die Antennen lassen sich am einfachsten ferngesteuert mittels Stellmotoren nachjustieren. Für den weiteren Ausbau sind bevorzugt Standorte in der Nähe der Flughäfen und entlang stark frequentierter Routen vorgesehen. Eine Erweiterung in Richtung Russland und der Türkei könnte folgen.

Die Preise und Abrechnungsmodelle für Internetdienste an Bord obliegen den Fluggesellschaften. Die Telekom denkt aber bereits darüber nach, EAN als Roaming-Partner aufzunehmen und damit wie schon zahlreiche Hotspots am Boden in eigene Tarife zu integrieren. Da sich das EAN auf Europa beschränkt, werden die globalen europäischen Carrier in ihrer Flotte wohl zwei Systeme installieren: EAN für die Kurz- und Mittelstrecke und ein rein satellitengestütztes System für Interkontinentalflüge. (un@ix.de)