iX 7/2018
S. 50
Titel
Blockchain-Anwendungen
Aufmacherbild

Blockchain im praktischen Einsatz

Und Action!

Immer mehr Projekte nutzen Blockchain-Technik jenseits von Kryptowährungen. Das Spektrum reicht vom sozialen Netz über digitale Identitäten bis zur automatisierten Abwicklung von Versicherungsfällen.

Bitcoin wurde im Jahr 2009 mit dem Ziel entwickelt, digitales Geld zu erschaffen, das nicht von zentralen Instanzen wie Zentralbanken kontrolliert wird. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass digitale Währungen mittlerweile weltweit von Regierungen und Organisationen ernst genommen werden, auch wenn sie im Alltag selten als Zahlungsmittel zum Einsatz kommen.

Die Blockchain-Technik, auf der Bitcoin und Tausende andere Kryptowährungen beruhen, ist aber nicht nur dazu geeignet, digitales Geld zu verwalten. Marktforscher und Trendscouts erwarten, dass sie in vielen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereichen Verbesserungen bringt. Hohe Erwartungen und Realität zusammenzubringen, fällt dabei auch Experten nicht leicht, da sich die Technik sehr schnell weiterentwickelt. Dieser Artikel stellt ausgewählte, real existierende Blockchain-Anwendungen vor. Ziel ist es, einen besseren Eindruck der Einsatzmöglichkeiten von Blockchain-Technologie zu vermitteln.

Was ist Blockchain?

Eine Blockchain ist im Grunde eine verteilte Datenbank. Diese Datenbank läuft auf allen Knotenpunkten, die an die Blockchain angeschlossen sind. In der ursprünglichen Ausprägung der Blockchain, nämlich Bitcoin, kann jeder Computer, der an das Internet angeschlossen ist, Teil der Blockchain werden und damit Zugriff auf die Datenbank erhalten. Diese verteilte Datenbank speichert unter anderem die Kontostände der Teilnehmer.

Mit einer herkömmlichen Datenbank würde der Versuch, eine Währung oder eine andere Anwendung auf diese Art zu betreiben, jedoch im Chaos enden, da jeder Teilnehmer die Datenbank zu seinen Gunsten anpassen könnte. Daher ist eine Blockchain auf solche Manipulationsversuche mit vier ineinandergreifenden Mechanismen vorbereitet.

Erstens gehört zu jedem Konto auf der Blockchain ein Schlüsselpaar aus einem privaten und einem öffentlichen Schlüssel, sodass nur der Besitzer des Schlüssels Transaktionen von seinem Konto durchführen kann. Zweitens wird nicht nur der aktuelle Zustand – etwa der Kontostand – gespeichert, sondern auch jede einzelne Transaktion. So lässt sich zweifelsfrei nachvollziehen, welche Veränderungen zum aktuellen Zustand geführt haben. Drittens sind Transaktionen in sogenannten Blöcken zusammengefasst, die über ein kryptografisches Hashverfahren mit allen vorangegangenen Transaktionen verbunden sind. Der Einsatz eines kryptografischen Hashverfahrens macht es einfach, die Integrität der Daten zu überprüfen und Manipulationen oder illegale Transaktionen zu erkennen.

Als viertes und entscheidendes Merkmal verwenden Blockchains einen Mechanismus, der die Datenbank auf allen angeschlossenen Computern synchron hält. Dieser Konsensmechanismus belohnt die Teilnehmer, die sich nach dem in der Blockchain festgelegten Verhalten richten. Ein Angreifer, der versucht, die Datenbank im Nachhinein zu verändern, müsste sehr hohe Ressourcen aufwenden, um alle anderen Teilnehmer von seinem Stand der Datenbank zu überzeugen, beispielsweise um eine alte Transaktion zu entfernen und so das ausgegebene Geld zurückzuerhalten. Seit der Entwicklung des Bitcoin ist es nicht gelungen, die öffentlichen Blockchains erfolgreich anzugreifen.

Blockchain im Einsatz

Blockchains haben eine Reihe von Eigenschaften, die sie auch für Anwendungsfälle prädestinieren, die über digitales Geld hinausgehen:

 Die in einer Blockchain gespeicherten Daten sind unveränderlich.

 Alle Transaktionen sind transparent und nachvollziehbar.

 Die Datenspeicherung erfolgt verteilt.

 Blockchains sind nicht an einer Stelle abschaltbar.

 Transaktionen erfolgen pseudonym.

 Blockchains sind ein Peer-to-Peer-System: Transaktionen erfolgen direkt zwischen Teilnehmern, ohne Mittelsmänner.

So stellen neuere Blockchains wie Ethereum neben einer digitalen Währung sogenannte Smart Contracts zur Verfügung. Dies sind spezielle Konten auf der Blockchain, die sich so verhalten, wie es vorher definierter, unveränderlicher Programmcode festlegt. Die am weitesten verbreitete Programmiersprache für Smart Contracts ist Solidity. Mit ihr lassen sich Turing-vollständige Programme entwickeln, die als Teil der Blockchain ausgeführt werden. Beispielsweise kann man eine Provisionsvereinbarung als Smart Contract programmieren, der beim Empfang einer Transaktion automatisiert die Geldsumme aufteilt, die Provision ausschüttet, und den Rest an ein anderes Konto überweist.

Automatisierte Transaktionen

Smart Contracts bestehen aus Programmcode, der im Zuge einer Blockchain-Transaktion ausgeführt wird (Abb. 1).

Diese Automatisierung von Transaktionen auf Blockchains spielt in der Praxis eine wichtige Rolle, da sie Vertrauen in das Verhalten der Vertragsparteien herstellt – programmiertes Vertrauen. Anwendungen, die Blockchains verwenden, arbeiten normalerweise nicht ausschließlich mit Smart Contracts, sondern nutzen die bestehenden Techniken für Benutzer-Interface, Geschäftslogik und Datenablage weiter und ergänzen sie an den entscheidenden Stellen um Smart Contracts und Transaktionen zum Speichern von Daten (siehe Abbildung 1).

Im Folgenden werden fünf Projekte aus unterschiedlichen Branchen vorgestellt; unter ix.de/ix1807050 finden sich weitere Informationen zu allen Projekten. Sie sind in den Jahren 2016 und 2017 gestartet und machen sich die Eigenschaften von Blockchains sehr unterschiedlich zunutze:

 Steemit ist ein neues soziales Netzwerk, das seine Nutzer für ihre Aktivitäten entlohnt.

 Das schwedische Pilotprojekt Blockchain Land Registry soll Grundstücksübertragungen in Schweden effizienter machen.

 IBM und Maersk möchten gemeinsam die globale Logistik mittels Blockchain digitalisieren.

 Zug ID ist eine digitale Identität für die Bürger der Schweizer Stadt Zug.

 AXA Fizzy nutzt Smart Contracts für eine automatisierte Flugversicherung gegen Verspätungen.

Im nächsten Heft stellen wir ein von der Blockchain inspiriertes Projekt der Bundesdruckerei zum Identitäts- und Rechtemanagement vor.

Steemit: Soziales Netzwerk mit Blockchain

Steemit ist mit der Idee gestartet, dass soziale Netzwerke besser funktionieren, wenn die Teilnehmer für Aktivitäten wie das Erstellen beliebter Inhalte oder das Kuratieren mittels Likes entlohnt werden. Bei Teilnahme an der Social-Network-Plattform erhalten die Mitglieder Tokens in der STEEM-Währung, die eigens für Steemit geschaffen wurde und die auf der Steemit-eigenen Blockchain verwaltet wird. Die STEEM-Tokens lassen sich zwischen Teilnehmern übertragen und auch in Landeswährungen umtauschen.

Dies klingt fast zu schön, um wahr zu sein, und es muss sich noch zeigen, ob das Modell langfristig tragfähig ist. Steemit beruht auf einem genossenschaftlichen Ansatz, bei dem die Teilnehmer als Inhaber der Plattform und gleichzeitig als Konsumenten kostenloser und kostenpflichtiger Angebote agieren. Damit soll die Plattform finanziert und zusätzlich der Wert der Plattform und damit auch der STEEM-Währung gesteigert werden.