iX 2/2019
S. 64
Review
Server
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Lenovos ThinkSystem SR850

Doppeldecker

Sein ThinkSystem SR850 hat Lenovo ungewöhnlich aufgebaut: viele Funktionen und selbst einen Teil der Prozessoren auf Module ausgelagert. Nutzer sollen so den exakt für sie passenden Server konfigurieren können.

Lenovos Ingenieure haben in ihrer Jugend mit Bauklötzen gespielt – am liebsten mit den dänischen, die man zusammenstecken kann, um aus kleinen Modulen Großes zu schaffen. Das übertragen sie auf das SR850, einen Rack-Server doppelter Höhe, der gleich vier Intel-Xeon-CPUs der Scalable-Baureihe aufnehmen kann. Vier dieser Chips auf einer Platine anzuordnen, ist gar nicht so einfach, denn die notwendige Kommunikation im Gigahertzbereich zwischen den Zentraleinheiten untereinander und mit den Speicherbausteinen erzwingt kurze Wege. Wenn es nebeneinander nicht geht, dann doch übereinander, so Lenovos einleuchtende Idee.

Öffnet man den Gehäusedeckel der Maschine, erschließt sich die klare Gliederung der Technik sofort. Ganz hinten vor der Rückwand stecken die Hot-Swap-Netzteile und die PCIe-Steckkarten. Auf dem Mainboard davor sind die CPUs eins und zwei platziert, begleitet zur Linken und Rechten jeweils von sechs DDR4-DIMM-Sockeln. Die CPUs drei und vier und deren 24 Speichersteckplätze finden sich auf einer Erweiterungskarte, die die ganze Breite des Gehäuses und etwa ein Viertel der Tiefe einnimmt. Vielpolige und speziell abgeschirmte Steckverbinder schaffen kurze Wege für die CPU-zu-CPU-Kommunikation mit Intels Ultra Path Interconnect (UPI).

Der Clou ist, dass der Nutzer das Obergeschoss mit einem großen Henkel leicht hochhebeln kann – jedoch nur, wenn der Techniker vorher das obere Netzteil ausbaut. So kommt niemand auf die Idee, die Prozessoren im laufenden Betrieb tauschen zu wollen. Welche CPU der Kunde wählt, hängt von den Anforderungen und vom Geldbeutel ab. Zwischen zweimal Xeon Gold 5115 und viermal Platinum 8180M liegen Welten. Hinzu kommt, dass man das zweite Stockwerk später nachkaufen kann.

Kurze Wege durch Etagenbau

Die doppelstöckige Anordnung der Prozessoren begrenzt automatisch die Höhe der Kühlkörper. So ist es schon ein kleines Wunder, dass sie die Überschusswärme von bis zu 205 Watt pro CPU abführen können. Allerdings weist Lenovos Spezifikation in diesem Punkt eindeutige Restriktionen aus: Einige Xeons sind Frischluftfanatiker und verzeihen den Einbau von Backplane und Massenspeicher nicht. Es überrascht nicht, dass ein Platinum 8180 mit 28 Kernen und 205 Watt Heizleistung dazugehört, doch wieso die 12 Kerne des 6126T mit ihren vergleichsweise geringen 125 Watt der Ausschlussliste angehören, wissen nur Intel und Lenovo.

Dabei hat Intel das Temperaturmanagement gut im Griff. Die Testmaschine litt anfangs unter einer falsch eingestellten Lüfterregelung, was bei Vollauslastung zum Runtertakten einiger Kerne nach Überschreiten der 95-Grad-Schwelle führte. Das funktionierte sogar so gut, dass es kaum messbare Leistungseinbußen gab. Apropos Kühlung: Sechs kräftige Lüfter lassen die von vorne durch die Massenspeicher vorgewärmte und durch die Backplane verwirbelte Luft über CPUs und DDR4-Speicher streichen. Für eventuell gesteckte PCIe-Zusatzkarten bleibt bloß noch warmer Wind übrig. Damit dieser dann optimal nach draußen gelangt, hat Lenovo selbst die Löcher der Rückwand optimiert – statt einfach einen runden Bohrer anzusetzen, stanzt der Konzern Sechsecke ins Blech. Die Rotoren der Lüfter drehen sich in einem steckbaren Plastikgehäuse und lassen sich im laufenden Betrieb tauschen, dank der Kontaktverbindungen muss der Nutzer kein Kabel lösen.

Sofern die Maschine die Daten vom Massenspeicher nicht im SAN finden soll oder aufgrund der Temperaturrestriktion finden muss, kann der Kunde zwischen vielen Optionen wählen. Eine Backplane verfügt über acht Steckplätze für hochkant gesteckte 2,5-Zoll-Laufwerke. Zwei Backplanes passen nebeneinander ins Gehäuse, sodass sich im Vollausbau 16 Disks aneinanderreihen. Der Einzug von NVMe-Drives in die Serverwelt macht die Ansteuerung der Massenspeicher nicht einfacher. Standard ist die Verkabelung fürs SAS/SATA-Protokoll, wahlweise mit einem RAID-Controller, den der Hersteller einfach in einen passenden PCIe-Slot steckt und intern verkabelt. Überhaupt hat Lenovo die Anzahl der fest verbauten Komponenten aufs Minimum reduziert, schließlich verfügt der Server über 11 PCIe-Slots. Neben SAS/SATA-HBA oder RAID-Controller findet sich hier selbst der Ethernet-Adapter als PCIe-Karte in Slot 7. Dies macht das Berücksichtigen von Kundenbedürfnissen einfacher, den Umfang des Konfigurators aber länger, denn auch die Auswahloptionen an HDDs oder SSDs ist groß.