iX 6/2020
S. 25
Markt + Trends
IT-Recht und Datenschutz

Update: Rechtsaspekte der Coronakrise

Viruslast

Tobias Haar

Die Folgen der Corona-Pandemie beherrschen weiterhin das Tagesgeschehen in Unternehmen aller Art, einschließlich des IT-Sektors. Im Zentrum stehen häufig kontrovers diskutierte Fragestellungen zum Datenschutzrecht, aber auch zum Arbeits- und Gesundheitsschutz. Schließlich gibt es erste Gerichtsentscheidungen zu arbeitsrechtlichen Fragen der Coronakrise.

Zunehmend bereiten sich Unternehmen darauf vor, ihre Büros zu öffnen und die Mitarbeiter wieder aus dem Homeoffice zu holen. Dass es aber noch eine ganze Weile dauern könnte, zeigen die Pressemitteilungen von Google, Twitter und SAP. Ein Großteil der Mitarbeiter, wenn nicht sogar alle, sollen noch auf Monate im Homeoffice bleiben. Selbst danach dürften nicht alle ins Büro zurückkehren. Die erforderlichen Maßnahmen für so­ziale Distanz verlangen weiterhin einen größeren Abstand zwischen Mitarbeitern. 

Auf der Webseite des Bundesarbeitsministeriums heißt es dazu: „Der Sicherheitsabstand von mindestens 1,5 Metern wird universell auch bei der Arbeit eingehalten – in Gebäuden, im Freien und in Fahrzeugen!“ Gerade in Großraumbüros oder Fahrstühlen ist das nicht ohne Weiteres zu realisieren. Auf die Arbeitgeber kommt die Pflicht zu, diverse Vorgaben umzusetzen und ihre Einhaltung zu überwachen (siehe Abbildung). Hier droht ein erheblicher Aufwand.

Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind bei einer Rückkehr ins Unternehmen gefordert.
BMAS

Keine Videoüber­wachung der Vorgaben

Vor dem Arbeitsgericht Wesel ist ein Unternehmen unterlegen, das mithilfe von Überwachungskameras die Einhaltung des Mindestabstands durch die Arbeitnehmer überwachen wollte. Zum einen bedürfen solche Maßnahmen in Betrieben mit einem Betriebsrat der Mitbestimmung. Diese fehlte im konkreten Fall. Zum anderen sollten die Videoaufnahmen zur Auswertung ins Ausland übermittelt werden, was der geltenden Betriebsvereinbarung zum Installieren und Nutzen von Überwachungskameras widersprach.

Mehr Markenan­meldungen zu Corona

Unterdessen nimmt die Anmeldung von Marken mit den Bestandteilen „Corona“ oder „COVID-19“ stark zu, wie sich aus den entsprechenden Onlinedatenbanken des Deutschen Patent- und Markenamtes, aber auch des Europäischen Markenamtes ergibt. Ob die angemeldeten Marken auch tatsächlich eingetragen werden, steht noch nicht fest. Sowohl bösgläubig angemeldete Marken als auch Marken, die beschreibend für Waren und Dienstleistungen sind, dürfen nicht eingetragen werden. Experten gehen davon aus, dass viele Trittbrettfahrer bereits Markenanmeldungen vornehmen, ohne dass ein klarer Verwendungszweck vorliegt.

Kaum ein Begriff bewegt die Gemüter insbesondere von Datenschützern zurzeit mehr als „PEPP-PT“. Es geht um die Tracing-­App der „Pan-European Privacy-Preserving Proximity Tracing“-Initiative. Parallel arbeiten auch andere Initiativen, in Deutschland etwa Telekom und SAP, an ähnlichen App-Ansätzen. Um die Corona-Epidemie möglichst einzudämmen, sollen App-gestützt Infektionen aufgespürt und Quarantänemaßnahmen zielgenau umgesetzt werden können.

Dass es hierbei neben Informationen über mögliche Corona-Infektionen einer Person auch um Bewegungsdaten und damit um nach dem Datenschutzrecht geschützte personenbezogene Daten geht, für die besondere Anforderungen gelten, liegt auf der Hand.

Die Europäische Kommission hat Mitte April Leitlinien zum Datenschutz bei solchen Tracing-Apps vorgelegt. Sie setzt eine freiwilligen Nutzung voraus. Zentral ist dabei, dass Nutzer die vollständige Kon­trolle über ihre Daten behalten sollen. Unter dem Gesichtspunkt der Datenminimierung sollen Standortdaten nicht erhoben werden. Weitere Vorgaben umfassen etwa die Einhaltung der Zweckbindung und die Transparenz für den Anwender.

Bereits vor der Einführung von Tracing-Apps gibt es in Niedersachsen Streit um die Weitergabe von Daten von Personen unter Corona-Quarantäne an die Polizei. Die zuständige Landesdatenschutzbeauftragte Thiel erklärte die Vorgehensweise für unverhältnismäßig und rechtswidrig.

Unter Verweis auf den im Strafgesetzbuch geregelten Notstand wurde die Praxis der Datenübermittlung dennoch fortgesetzt. Gedeckt wird dies durch eine entsprechende Anordnung des Sozialministeriums, gegenüber dem die Datenschutzbehörde nicht weisungsbefugt ist. Solche Vorgänge sollen sich auch in anderen Bundesländern zugetragen haben. Sie dürften ein juristisches Nachspiel haben.

Fazit

Die Coronakrise stellt auch die Juristerei vor neue Herausforderungen. Während Gerichte langsam wieder in einen geregelteren Betrieb übergehen, müssen sich Arbeitgeber gut überlegen, welche Maßnahmen sie zum Gesundheitsschutz ergreifen und ob sie ihre Mitarbeiter nicht noch längere Zeit im Homeoffice belassen sollten. Das Datenschutzrecht stellt auch in der Pandemie-Bekämpfung hohe Hürden auf. Wie weit man dabei gehen darf, ist umstritten. Auch hier werden Gerichte darüber entscheiden müssen, welche personenbezogenen Daten an wen für wie lange und zu welchem Zweck übermittelt werden dürfen. (ur@ix.de)

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