Elektroauto BMW iX im Fahrbericht: Schweres SUV mit Ambitionen

Mit dem E-SUV soll ein neues Kapitel bei BMW aufgeschlagen werden. Bei einer ersten Ausfahrt überrascht wenig, was im Sinne der Zielgruppe sein dürfte.

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BMW iX

(Bild: BMW)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Wolfgang Gomoll
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BMW stellt mit dem iX ein für europäische Verhältnisse großes SUV mit Elektroantrieb vor. Eine erste Ausfahrt mit einem Vorserienmodell zeigt, dass das Ergebnis kaum überrascht. Für die Interessenten ist das keine schlechte Nachricht, wie eine erste Probefahrt zeigt.

Im November 2021 soll der Verkauf des BMW iX starten. Geplant sind zunächst zwei Versionen. Das Basismodell iX xDrive 40, wenn man es denn so nennen will, bietet schon 240 kW und kostet 77.300 Euro. Der Energiegehalt der Batterie wird mit 71 kWh netto angegeben. Für unsere Ausfahrt stand das vorläufige Topmodell bereit. In diesem sind zwei E-Motoren mit 190 kW an der Vorderachse und 230 kW an der Hinterachse eingebaut. Im Verbund leisten sie 385 kW, das Systemdrehmoment beziffert BMW auf 765 Nm. Alle Motoren sollen ohne Seltene Erden auskommen.

Das klingt wahrlich üppig, doch die Motoren haben auch eine gewaltige Masse anzuschieben. Das Leergewicht ist mit 2510 kg angegeben, das zulässige Gesamtgewicht liegt bei 3145 kg. Vom einstigen i3-Gedanken, mittels teurer Materialien die zu bewegende Masse irgendwie nicht ausufern zu lassen, ist bei diesem Elektroauto nichts mehr geblieben. Der Ressourceneinsatz ist enorm.

Der Fahreindruck ist im Wesentlichen von zwei Dingen geprägt. Da ist zum einen die Ruhe, ja fast Stille, im Innenraum. Schall aus dem Antriebsstrang ist naheliegenderweise kaum zu vernehmen, doch auch Wind- und Abrollgeräusche sind akustisch weit entfernt. Es ist auf der Autobahn schon eine sehr forsche Herangehensweise erforderlich, um Windgeräusche aus dem Bereich der A-Säule hören zu können. Zu dem niedrigen Lautstärke-Niveau tragen unter anderem die steife Karosserie und die 22-Zoll-Reifen bei, die mit Schaumabsorbern versehen sind.

Trotz des enormen Gewichts erstaunt die Agilität in Kurven. Sicher, auch BMW kann 2,5 Tonnen beim Fahreindruck nicht einfach verschwinden lassen. Die aus BMW i3S und 1er bekannte, aktornahe Radschlupfbegrenzung ist im iX erstmals an zwei Achsen eingesetzt. Dazu kommt ein Fahrwerk mit Zweiachs-Luftfederung inklusive automatischer Niveauregulierung. Wohl auch dank der Hinterachslenkung, bei der die Räder bis zu drei Grad einlenken, und der gleichmäßigen Achslastverteilung schlägt sich der iX auch auf kurvenreichen Landstraßen erstaunlich gut. Es ist natürlich nicht mit einem hochgerüsteten Dreier zu vergleichen, aber angesichts der Massen, die hier durch die Gegend rollen, fährt sich das wuchtige SUV ziemlich agil.

BMW iX Fahrbericht (7 Bilder)

Zeitlosigkeit und zierliche Formen hatten im Lastenheft keine Priorität.

Vor dem Hintergrund des enormen Gewichts erscheint auch die üppig eingeschenkte Leistung nicht übertrieben, denn BMW will ja unabhängig davon auch diesen Koloss im Lichte des Claims "Freude am Fahren" verstanden wissen. Das Topmodell mit 385 kW beschleunigt in 4,6 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100. Nur zur Einordnung: Damit liegt dieser Brocken gleichauf mit einem BMW M240i. Bei 200 km/h wird der Beschleunigung elektronisch ein Ende gesetzt – für die meisten Käufer des iX ist das ohnehin nicht relevant. Doch es sind nicht diese Werte, die beeindrucken, sondern die verzögerungsfreie Wucht, mit der das große SUV anschiebt. Komplett ausschöpfen lässt sich das vermutlich kaum je irgendwo. Aufgrund der exzellenten Dämmung sind gerade unaufmerksame Fahrer rasch zu schnell unterwegs.

Tempo legt BMW auch beim Laden vor: In den technischen Daten werden bis zu 195 kW Ladeleistung versprochen, die 70 Prozent zwischen 10 und 80 Prozent SoC sollen in 35 Minuten nachgeladen sein. Im Topmodell hat die Batterie einen Nettoenergiegehalt von 105,2 kWh. Bezogen auf die Angaben von BMW würde das eine durchschnittliche Ladeleistung von rund 126 kW zwischen 10 und 80 Prozent bedeuten. An Wechselstrom ist derzeit bei 11 kW das Maximum erreicht. Hier will und muss BMW noch nachlegen: Audi bietet im e-tron gegen Zuzahlung bis zu 22 kW.

BMW nennt im WLTP Werte zwischen 19,8 und 23 kWh/100 km. Wir kamen inklusive einer Etappe über die Autobahn auf 26,5 kWh/100 km. Die Reichweite beziffert BMW mit 549 bis 630 km unter den Bedingungen des WLTP. Betont wird ein cW-Wert von 0,25, was in der Tat beeindruckend ist. Allerdings ist die Stirnfläche 2,82 m2 groß. Wer also den iX unbedingt zügig über die Autobahn treibt, darf sich auf erheblich höhere Werte einstellen, als sie der WLTP auch nur ansatzweise widerspiegelt.

Der iX wird, zusammen mit dem i4, eines der ersten BMW-Modelle, welches das neue Infotainmentsystem OS8 mit auf den Weg bekommt. Es bietet eine weiter aufgerüstete Hardware, gleichzeitig werden noch mehr Rechenaufgaben in die Cloud ausgelagert. Zwei Monitore mit 12,3 und 14,9 Zoll Größe vereinen sich zu einem Bildschirm, der den Fahrerplatz als "Curved Display" umfasst. Die Bedienung erfolgt vor allem über Sprachbefehle, wer mag, darf auch auf dem Bildschirm rumtapsen oder Bewegungen davor vollführen, verbunden mit der Hoffnung, dass das System wunschgemäß auf das Gehampel reagiert. Der edel eingefasste Dreh-Drück-Steller blieb erhalten, die frei belegbaren Favoritentasten hat BMW dagegen rausgeworfen – schade eigentlich.

BMW iX Fahrbericht Innenraum (3 Bilder)

Das Display rechts ist leicht zum Fahrer geneigt. Wer sich nicht mit der inzwischen recht ordentlichen Sprachsteuerung anfreunden mag, kann das Infotainmentsystem auch über den Dreh-Drück-Steller bedienen. Die frei belegbaren Favoritentasten sind mit der neuesten Generation des Systems Geschichte.

Anders als bei der Mercedes S-Klasse oder beim VW ID.4 verzichtet BMW darauf, die Navigationshinweise per Augmented Reality schweben zu lassen. Das Ganze habe nichts mit einem Technologienachteil zu tun, sondern sei beabsichtigt, wie BMW versichert. Man habe bei verschiedenen Projekten herausgefunden, dass diese Darstellung im Head-up-Display Fahrerinnen und Fahrer stärker ablenkt, heißt es auf Nachfrage.

Der erste Eindruck bestätigt insgesamt die Erwartungen: Der BMW iX ist ein großes, schweres SUV mit (über)reichlich Leistung, viel Platz, exzellentem Komfort und einem Infotainmentsystem, das keinen Vergleich zu scheuen braucht. Der Ressourcenverbrauch ist gewaltig – und der Zielgruppe mehrheitlich vermutlich schnuppe. Alle anderen können sich vielleicht damit trösten, dass der iX global betrachtet eine Randerscheinung bleiben wird und in der Gesamtbilanz seiner Umweltbelastung zumindest vergleichbar große Autos wie beispielsweise einen BMW X5 locker hinter sich lässt. Das kann allerdings schwerlich als Maßstab gelten. Ein Auto wie den iX mit dem Label "umweltfreundlich" zu versehen, erscheint uns kühn.

(mfz)