Elektroauto Mercedes EQT: Teurer Pragmatiker im ersten Fahrbericht

Mercedes ermöglicht einen ersten Fahreindruck des elektrischen Ablegers der T-Klasse. Der keineswegs schlechte EQT dürfte Mühe haben, eine Zielgruppe zu finden.

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Mercedes EQT

(Bild: Mercedes)

Lesezeit: 5 Min.
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Der Automarkt ist aus den Fugen geraten, was sich unter anderem an einem Preisniveau zeigt. Mercedes, per selbstdefiniertem Anspruch noch nie für günstige Angebote zuständig, liefert wie zum Beleg mit dem elektrischen Setzling der T-Klasse ein Auto ab, für das eine Zielgruppe nicht ganz einfach zu finden sein dürfte. Nicht etwa, weil der Mercedes EQT ein furchtbares Auto wäre. Eine erste Ausfahrt zeigt, dass er sich ganz anständig schlägt. Dennoch bleibt die Frage, wer ihn kaufen soll. Spoiler vorweg: Wir wissen es auch nach ein paar Kilometern nicht so recht.

Gewissermaßen per Definition wendet sich das Format Hochdachkombi an pragmatische Autokäufer. Herzen fliegen diesem Segment eher nicht massenhaft zu, viel mehr spricht es Interessenten an, die Funktion vor Form stellen. Der elektrische Antriebsstrang ist mit 90 kW ausreichend kräftig, um die Fahre auch beladen angemessen flott in Bewegung zu setzen. Das gilt vor allem dort, wo der EQT vermutlich vorrangig eingesetzt wird: in der Stadt und über Land. Auf der Autobahn reicht es zum Mitschwimmen, wenngleich bei 132 km/h Schluss ist. Abseits der Schnellstraße bietet der EQT genügend Temperament, ein Eindruck, der sich auch daraus speist, dass die komplette Kraft jederzeit augenblicklich abgerufen werden kann. Der spontane und extrem leise Antritt gefällt.

Die Langstrecke ist ohnehin nicht die Domäne des EQT, denn die Versorgung mit elektrischer Energie ist für ein modernes Elektroauto bescheiden dimensioniert. Die Batterie hat nur 45 kWh, die maximale Ladeleistung liegt bei 80 kW. Mercedes verspricht bis zu 282 km Reichweite im WLTP und einen Verbrauch von 19 kWh/100 km. Über das Jahr dürfte die alltägliche Praxis so aussehen, dass man nach spätestens rund 200 km den nächsten Ladestopp einplant. Ein Leergewicht von rund 1,9 Tonnen will bewegt sein, und die Stirnfläche ähnelt der eines SUV. Das sind nun mal keine optimalen Voraussetzungen für einen geringen Stromverbrauch.

Gut gelöst ist hingegen, dass der EQT die vergleichsweise häufig anzutreffenden AC-Ladestationen mit 22 kW komplett nutzen kann. Das hebt ihn aus der Masse der aktuellen Elektroautos hervor und wird vor allem jene freuen, die auf die öffentliche Ladeinfrastruktur angewiesen sind. Denn so ist die Batterie nach etwas mehr als zwei Stunden wieder geladen.

Mercedes EQT (6 Bilder)

Die zweite Schiebetür werden Familien im Alltag schnell schätzen.
(Bild: Mercedes)

Zum Start des Verkaufs im Sommer gibt es den EQT nur in einer 4,5-m-Variante, eine Version mit langem Radstand soll im Herbst folgen. Für die wird es dann auch eine dritte Sitzreihe geben. Schon in der kurzen Version ist erwartungsgemäß ordentlich Platz. Die hintere Bank lässt sich verschieben, womit sich das Raumangebot variabel nutzen lässt. Da das Batteriepaket im hinteren Unterboden verbaut ist, sitzen die Fondinsassen rund fünf Zentimeter höher als Fahrer und Beifahrer. Sind die Vordersitze in der niedrigsten Position, können die Füße der Insassen der zweiten Reihe nicht darunter gestellt werden, während zwischen dem Boden des Gepäckraums und den umgeklappten Rücksitzen eine hohe Stufe entsteht, die die Funktionalität des Laderaums beeinträchtigt. Der Kofferraum fasst 551 bis 1979 Liter. Falls einmal deutlich mehr gefragt ist: Die zulässige Anhängelast liegt bei 1,5 Tonnen.

Der Testwagen war sorgsam verarbeitet und zumindest für dieses Segment auch hochwertig eingerichtet. Eigenwillig erscheint, dass Mercedes auf ein Kombiinstrument mit Zeigern setzt, im baugleichen Renault Kangoo wird dagegen ein modisches Display eingebaut. Auch der Bildschirm in der Mitte fällt mit sieben Zoll recht übersichtlich aus, sein breiter Rand erinnert an die Basisausstattung der vorherigen C-Klasse. Die Drehregler für die Klimatisierung kommen von Renault, funktional gibt es an ihnen nichts zu mäkeln. Gut gefallen hat uns das große Fach über den Vordersitzen und die Schiebetüren auf beiden Seiten.

Also, der Mercedes EQT fährt leise, beschleunigt ausreichend, ist ordentlich verarbeitet und bietet viel Platz. Die Batterie ist eher klein, lässt sich zumindest mit Wechselstrom aber überdurchschnittlich rasch laden. Eine Beschreibung für ein pragmatisches Auto, doch der EQT wird es nicht einfach haben. Mit rund 49.000 Euro ist er ca. 10.000 Euro teurer als der Renault Kangoo E-Tech auf gleicher Basis. Auch der etwas einfacher eingerichtete, elektrische Mercedes Citan ist nicht derart teuer. Mercedes versucht also die Nische der Pragmatiker zu besetzen, die bereit sind, viel Geld für etwas auszugeben, was in ihrem Leben eine untergeordnete Priorität hat.

Nüchtern betrachtet werden die aber, so sie Wert auf den oberflächlichen Glanz eines EQT legen, vermutlich eher zur T-Klasse mit Verbrenner greifen. Die ist aktuell ab 31.000 Euro zu haben. Ausstattungsbereinigt und mithilfe der Kaufunterstützung liegen die realen Kosten für einen Kauf von T-Klasse und EQT näher, als es auf den ersten Blick scheint. Doch knapp 50.000 Euro sind eine heftige Ansage für einen letztlich unprätentiösen Hochdachkombi ohne zeitgemäße Eignung für lange Strecken, so angenehm er im täglichen Umgang auch wirken mag.

(mfz)