Erste Ausfahrt Renault Mégane Electric: Starke Konkurrenz für den VW ID.3

Im ersten Fahrbericht erweist sich der Mégane Electric als gut gemachtes Elektroauto. Nur das Basismodell ist seltsam konfiguriert, sofern Renault dabei bleibt.

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Renault Mégane E-Tech Electric

Renault traut sich etwas: Das Basismodell des Mégane E-Tech Electric kann nur einphasig geladen werden. Selbst an öffentlicher Ladeinfrastruktur ist bei 7 kW Ladeleistung das Maximum erreicht.

Lesezeit: 6 Min.
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Renault hat einige Erfahrungen damit, wie man ein Elektroauto erfolgreich am Markt platziert. Der Kleinwagen Zoe verkauft sich seit vielen Jahren prächtig, obwohl er kein Sonderangebot ist. Nun soll das eine Klasse oberhalb des Renault Zoe wiederholt werden. Der Mégane E-Tech Electric hat gute Chancen dazu, denn in einem ersten Fahrbericht erwies er sich als gelungenes Auto. Über die Zusammenstellung des Angebots sollte Renault aber noch einmal nachdenken, was offenbar auch in Arbeit ist.

Der Mégane E-Tech wirkt auf Bildern größer und bulliger, als er in der Realität tatsächlich ist. Er ist gerade einmal rund 12 cm länger als ein Zoe, mit 4,21 m hat er etwa die Ausdehnung eines Opel Crossland oder eines VW T-Roc (Test), auch der Captur hat ein ähnliches Format. Der VW ID.3, der einer der Hauptkonkurrenten werden dürfte, ist mit 4,26 m nur geringfügig länger. Einen Kofferraum hat der Mégane Electric nur hinten, der fasst immerhin 440 Liter. Auf ein Ablagefach unter der vorderen Haube verzichtet Renault.

Zumindest vorerst wird der Mégane Electric nur mit zwei Batterien und E-Motoren angeboten: Die kleinere Ausführung hat 96 kW, 250 Nm und eine 40 kWh-Batterie. Die größere Version bietet schon 160 kW, 300 Nm und 60 kWh. Der kleine Speicher besteht aus acht Modulen mit je 24 Zellen, die auf einer Schicht verteilt sind. In der 60-kWh-Batterie sind zwölf Module eingebaut, die in zwei Schichten angeordnet sind. Zulieferer ist LG, die Zellchemie entspricht der aktuell üblichen NMC-Zusammensetzung, also Nickel, Mangan und Kobalt. In welchem Verhältnis diese Materialien zueinanderstehen, verrät Renault nicht. Die Energiedichte soll bei 600 Wh/Liter liegen, was gegenüber dem Speicher im Zoe einer Steigerung von 20 Prozent entsprechen soll.

Die kleine Batterie ist – Stand heute – nur mit Wechselstrom zu beladen. Je nach Konfiguration lässt sie sich mit sieben (einphasig) bis maximal 22 kW (dreiphasig) aufladen. Beide Werte sind in Deutschland in der Regel nur an öffentlicher Infrastruktur nutzbar, da in der heimischen Garage selten mehr als 16 Ampere pro Phase verfügbar sind. Je Phase lassen sich mit 230 Volt also rund 3,7 kW abrufen. Der Kunde hat bei der kleinen Batterie die Wahl, ob er mit 3,7 kW leben kann oder doch lieber mit bis zu 11 kW daheim laden möchte. In den vergangenen Wochen gab es Gerüchte, dass Renault darüber nachdenkt, auch die kleine Batterie mit einer DC-Ladeoption zu versehen. Offiziell bestätigt ist das bislang aber nicht.

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Erfahrungen der Konkurrenz zeigen aber, dass die meisten Kunden ohnehin zur Ausführung mit großer Batterie tendieren. Die ist grundsätzlich mit bis zu 130 kW an Gleichstrom ladbar, an Wechselstrom vollzieht Renault die gleiche Trennung wie bei der kleinen Batterie: 7 kW einphasig ist serienmäßig, 22 kW dreiphasig auch hier aufpreispflichtig. Im WLTP verspricht Renault 300 bzw. 470 km Reichweite.

Für diese erste Ausfahrt stand uns die stärkere Version zur Verfügung. Unterwegs erweist er sich so gerüstet als flotter Cruiser, sportliche Gene trägt er nicht in sich, obwohl es bei Bedarf natürlich ohne jegliche spürbare Verzögerung hurtig vorangeht. Mehr wäre in der aktuellen Konstellation mit alternativlosem Frontantrieb auch nicht erstrebenswert. Denn einerseits zeigen sich die Grenzen der Traktion bei vollständigem Leistungsabruf schon auf trockener Straße, andererseits sind Antriebseinflüsse in der Lenkung schon weit unterhalb dessen spürbar.

Renault Mégane E-Tech Electric (9 Bilder)

Der Renault Mégane E-Tech Electric wirkt auf Bildern bulliger und größer als ...

Wichtiger erscheint jedoch, dass der Mégane Electric sehr ordentlich gedämmt ist und seine Insassen somit kaum mit lästigen Fahrgeräuschen nervt. Trotz der 20-Zoll-Felgen samt geringer Flankenhöhe der Reifen werden auch Unebenheiten gut gefiltert. Adaptive Dämpfer gibt es auch gegen Aufpreis nicht. Fahrprogramme ändern Ansprechverhalten von Lenkung und Fahrpedal nur wenig. Dafür sind die Sitze bequem, wenngleich etwas mehr Seitenhalt nicht schaden würde. Auch das Platzangebot ist nicht überwältigend – Renault hätte an dieser Stelle mit verschiebbaren Rücksitzen eine Menge herausholen können.

Die Verarbeitung des Testwagens machte einen sehr routinierten Eindruck. Auch bei den Materialien hat Renault ein ungleich geschickteres Händchen bewiesen als Volkswagen im VW ID.3, was zugegebenermaßen auch nicht schwer war. Leider ist die Rundumsicht schlecht. Schmale Fenster und eine breite C-Säule beschneiden den Ausblick nach hinten empfindlich, was vor allem in der Stadt nervt. Dass der Wählhebel hinter das Lenkrad verlegt wurde, braucht dagegen nur eine kurze Eingewöhnung. Vielleicht findet sich ja recht bald jemand, der ihm eine Form gibt, die weniger nach einer Gestaltung mit der Axt ausschaut.

Das Infotainmentsystem lässt sich Renault von Google liefern, und das ist grundsätzlich keine schlechte Idee. Im Testwagen kam man schnell und auf kurzen Wegen zur gewünschten Funktion. Sprachsteuerung und Navigation waren während unserer Ausfahrt ohne Fehl oder gar Tadel.

Noch ist offen, was Renault für den Mégane E-Tech Electric verlangen wird. Das Basismodell mit einphasigem Ladegerät und vergleichsweise kleiner Batterie soll knapp 30.000 Euro kosten. Vermutlich werden sich die meisten Kunden für die Variante mit 60-kWh-Batterie interessieren. Sofern diese finanziell in etwa dort liegt, wo Volkswagen den vergleichbaren VW ID.3 positioniert hat, dürften die Sorgen in Wolfsburg noch etwas größer werden als ohnehin schon.

(mfz)