Fahrbericht Elektroauto Kia Niro EV: E-SUV mit zähem Ladetempo

Kia war früh mit einem breiten E-SUV-Angebot auf dem Markt. Doch mit dem neuen Niro EV verpasst die Marke den entscheidenden Schritt. Eine erste Ausfahrt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 43 Kommentare lesen
Kia Niro EV

(Bild: Kia)

Lesezeit: 6 Min.
Inhaltsverzeichnis

Im Hyundai-Konzern, zu dem auch Kia gehört, war die strategische Entscheidung früh gefallen: Sie machten Kunden in den gefragten SUV-Segmenten ein Elektroauto-Angebot. Der Umstand, vor der Konkurrenz ein E-Auto liefern zu können, wurde belohnt, denn Modelle wie der Hyundai Kona Electro oder auch der Kia Niro EV verkauften sich gut. Inzwischen hat sich der Konzern mit der 800-Volt-Spannungsebene in die erste Liga katapultiert, was die resultierende Spitzenladeleistung betrifft. Der Nachfolger des Niro EV wurde deshalb mit einiger Spannung erwartet, doch Kia hat in dieser Klasse auf High-End-Technologie verzichtet. Eine erste Ausfahrt.

Kia setzt in der 4,4-Meter-Klasse auf die bisherige K3-Plattform, und nicht, wie in den größeren Modellen, auf die modernere E-GMP-Basis. Die Spannungsebene bleibt hier bei 400 Volt, das maximal Ladetempo bei gerade einmal 86 kW. An einer DC-Säule mit mindestens 80 kW muss der Kunde für die Aufladung von 10 auf 80 Prozent wenigstens 45 Minuten warten. Das entspricht in diesem Bereich einer durchschnittlichen Ladeleistung von 60 kW – unter idealen Bedingungen, wohlgemerkt. Damit bleibt der Niro EV nicht nur hinter Modellen wie dem Kia EV6 deutlich zurück, sondern auch hinter den meisten Konkurrenten. Natürlich ist man sich dessen auch bei Kia bewusst: "Wir arbeiten daran, dies zu verbessern", versucht Kia-Produktmanager Maximilian Mika zu beruhigen.

Serienmäßig ist ein dreiphasiges AC-Ladegerät mit 11 kW. Für den deutschen Markt mit der Begrenzung der Schieflast auf 20 A auf einer Phase ist eine Besonderheit des Niro EV meistens unbedeutend. Im Ausland kann das mögliche, einphasige Laden mit 7,2 kW allerdings durchaus wichtig sein. Kia verspricht im WLTP eine Reichweite von 460 km. Der Verbrauch im Zyklus soll bei 16,2 kWh liegen, was die Ladeverluste einschließt. Wir kamen laut Bordcomputer auf 17,8 kWh, zu denen die Ladeverluste noch hinzugerechnet werden müssen. Die sind unterschiedlich hoch, je nachdem, welchen Weg für die Aufladung gewählt wird. Geladen wird der Kia Niro EV übrigens an der Front. Spannend ist der Ansatz, die Traktionsbatterie auch als Speicher nutzen zu können. Die Entladeleistung beträgt bis zu 3 kW, was locker reicht, um beispielsweise im Urlaub das e-Bike wieder mit Strom zu versorgen.

Im Vorgänger waren zwei Antriebsstränge im Angebot, doch die Version mit kleiner Batterie fand offenbar nicht genug Anklang. Vermutlich bietet Kia den neuen Niro EV deshalb nur noch mit der 64,8-kWh-Batterie und dem 150-kW-Motor an. Damit ist das SUV so kräftig wie ein Skoda Enyaq iV 80 (Test), den er bei den Fahrleistungen trotz deutlich weniger Drehmoment hinter sich lässt. Das Werk nennt 7,8 Sekunden im Standardsprint und 167 km/h Spitze. In der Praxis fühlt sich der Niro souverän an, trotz je nach Ausstattung rund 1,8 Tonnen Leergewicht. Die vier angebotenen Fahrmodi unterscheiden sich deutlich, doch selbst in Eco wirkt der Niro nicht behäbig. Kia bietet das SUV auch als Vollhybrid und Plug-in-Hybrid, doch der angenehmste Antrieb steckt eindeutig im Niro EV.

Kia Niro EV (5 Bilder)

Vorn ähnelt der neue Kia Niro dem etwas größeren Sportage.
(Bild: Kia)

Kia bietet im Niro kein adaptives Fahrwerk an, doch der gefundene Kompromiss ist akzeptabel. Das Auto rollt komfortabel ab und verzichtet darauf, irgendwie sportlich erscheinen zu wollen – gut so. Die Lenkung behelligt niemanden mit Rückmeldung, die vermutlich ohnehin nur eine Minderheit vermisst. Nachbessern könnte Kia bei den Sitzen, denn Seitenhalt und Beinauflage sind etwas knapp geraten. Ziemlich komfortabel, weil treffsicher arbeitet die "Smart Regeneration". Sie passt die Rekuperation der Verkehrsdichte an, was meistens recht gut klappt.

Zunächst bietet Kia den Niro EV nur in der teuersten Ausstattungslinie an. 47.590 Euro werden so fällig, was für ein 4,42 Meter langes SUV durchaus eine selbstbewusste Ansage ist. Dafür gibt es eine umfangreiche Serienausstattung, die auch Dinge wie Wärmepumpe, induktive Ladestation für Smartphones und Abstandstempomat inkludiert. Nicht zu haben sind Matrixlicht und eine kabellose Einbindung von Android Auto und Apple CarPlay. Extras sind in sechs Pakete verpackt, die sich zum Teil untereinander bedingen. Wer ein Schiebedach (690 Euro) haben will, muss beide Assistenzsysteme-Zusammenstellungen und ein Sitz-Paket ordern. In letzterem sind dann belüftete Liegesitze vorn und eine Sitzheizung hinten enthalten. Aufpreis für Schiebedach und die drei Pakete insgesamt: 4260 Euro.

Kia Niro EV (8 Bilder)

Armaturenbrett im aktuellen Stil der Marke: Fast alles ist funktional gelöst und erschließt sich von selbst.

Im internen Vergleich wird der Niro EV durch die aktuell noch gültigen Subventionen interessant. Ein vergleichbar ausgestatteter Niro Hybrid kostet so kaum weniger, wobei sich die Preise vor Ort durch individuelle Rabatte natürlich unterscheiden können. Inklusive Kaufprämie ist der Plug-in-Hybrid, wiederum ähnlich ausstaffiert, der günstigste der drei.

Die Verhältnisse könnten sich durchaus noch einmal verschieben, denn einerseits ist – Stand Mitte Juli – ungeklärt, wie es mit der staatlichen Unterstützung für Plug-in-Hybride und Elektroautos ab 2023 im Detail weitergeht. Andererseits wird Kia den Niro EV auch etwas schlichter ausgestattet anbieten. Doch beim Importeur rechnen sie nicht damit, dass sich damit für die meisten Käufer etwas ändert. "Etwa 80 Prozent unserer Kunden wählen die höchste Ausstattungslinie", sagt Mika. Die Aussicht, mit einem geringen Serienumfang vielleicht 10 Prozent des Kaufpreises zu sparen, ist also offenbar kein zugkräftiges Argument.

(mfz)