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Opels Hybrid-Astra im Fahrbericht: Chancen des Plug-in-Hybrid nicht genutzt

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Der neue Astra bietet ein deutlich verbindlicheres Fahrgefühl. Mögliche PHEV-Vorteile nutzt er aber nur zum Teil, ein Update ist absehbar.

In der sechsten Generation technisch und optisch komplett überarbeitet fährt der Opel Astra nun auf Wunsch auch als Plug-in-Hybrid. Mit der neuen technischen Basis bietet er ein deutlich verbindlicheres Fahrgefühl. Die Chancen des Konzepts werden allerdings nur zum Teil genutzt.

Mit 4374 mm Länge, 2062 mm Breite und 1472 mm Höhe sind die Dimensionen des Golf-Konkurrenten zwar nahezu identisch geblieben, die technische Basis jedoch ist eine vollkommen andere. Er basiert auf der noch bei PSA entwickelten Plattform, die auch der kommende Peugeot 308 und der ebenfalls in Rüsselsheim gefertigte DS 4 [1] nutzen. Das macht eine erste Probefahrt besonders interessant.

Das Umschalten vom Elektroantrieb zum 1,6-Liter-Benziner geschieht nahezu unbemerkt und auch mit aktivem Verbrenner fällt der Antrieb angenehm durch akustische Zurückhaltung auf. Ebenso gut wie der Antrieb gedämmt sind die Gangwechsel verschliffen: Das Acht-Stufen-Getriebe agiert vorbildlich unauffällig. Der Antrieb mit einem 1,6-Liter-Vierzylinder mit 110 kW und 133 kW kombinierter Leistung tritt jederzeit spontan an und geht kraftvoll zu Werke, unabhängig davon, ob im reinen Elektromodus oder in Kombination. Laut Opel erreicht der Astra mit dem 12,4 kWh-Lithium-Ionen-Akku bis zu 60 Kilometer, real sollte man mit zwischen 40 und 50 km rechnen können. Mittelfristig wird es dabei kaum bleiben können, denn die deutschen Förderbedingungen für Plug-in-Hybride werden sich vermutlich im kommenden Jahr verändern.

In welcher Form dann Kauf und Besteuerung noch finanziell unterstützt werden, muss sich zeigen. Es könnte durchaus sein, dass Stellantis hier schneller nachrüsten muss, als vorgesehen. Was sich jetzt schon sagen lässt: Allerspätestens im Herbst 2023 muss ein Update dieses Plug-in-Hybrids erfolgen, wenn man weiterhin mit den staatlichen Subventionen kalkulieren will. Denn ab 2024 liegt die elektrische Mindestreichweite bei 80 km. Für alle PHEV, die das nicht schaffen, entfällt der Zuschuss. Wie viele Konkurrenten baut auch Stellantis darauf, die jeweils aktuellen Förderbedingungen genau zu erfüllen, aber eben auch nicht mehr.

Opel Astra PHEV Exterieur (0 Bilder) [2]

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Die Lenkung ist direkt und exakt. Das Fahrwerk gibt zwar beinahe jede Bodenwelle an die Insassen weiter, wirklich unkomfortabel ist das Fahrwerk jedoch nie. Die Straßenlage ist dafür ausgezeichnet: Der Kompakte zieht spurtreu um Kurven, muss bei Geradeausfahrt kaum nachkorrigiert werden.

Analoge Rundinstrumente gibt es nicht mehr. Gegen Aufpreis liefert Opel auch ein Head-up-Display. Einstellungen an der Klimaanlage oder der Sitzheizung müssen erfreulicherweise nicht mühsam über diverse Bildschirmmenüs erarbeitet werden. Für sie gibt es ganz normale, auch während der Fahrt sicher zu ertastende Knöpfe. Selbst das Radio lässt sich noch wie gewohnt bedienen, alles Vorteile für die Sicherheit [4]. Eine gute Idee hatte Opel zudem mit wählbaren, virtuellen Schnellwahltasten für sechs häufig genutzte Funktionen.

Ein Rückfahrassistent warnt bei eingelegtem Rückwärtsgang vor anderen Verkehrsteilnehmern, der Geschwindigkeitsassistent hat eine Stop & Go-Funktion und automatisierte Fahrfunktionen können nun vorausschauend das Tempo in Kurven anpassen, Geschwindigkeiten empfehlen oder halbautomatisch Spurwechsel unterstützen. Ebenfalls eine Assistenzfunktion bieten die aufpreispflichtigen Matrix-Scheinwerfer mit je 84 LED-Elementen. Sie blenden innerhalb von Millisekunden entgegenkommende oder vorausfahrende Verkehrsteilnehmer aus und beleuchten die übrigen Bereiche weiter mit vollem Fernlicht.

Platz ist vor allem vorn reichlich. Hinten dagegen wird es für größer gewachsene Passagiere schnell eng. Die anderen können es in der Kompaktklasse allerdings auch nicht besser: Der VW Golf [5] ist hinten ähnlich knapp geschnitten. Gegen Aufpreis bietet Opel im Astra Sitze, die von der "Aktion Gesunder Rücken e.V." zertifiziert sind. Die Vorteile der vielfach einstellbaren Sitze bemerkt man vor allem nach längeren Fahrten: Man kommt entspannt und ohne steife Knochen an. Das Hybridmodell bietet Platz für bis zu 352, bei umgelegter Rückbank bis 1268 Liter Gepäck, während es ohne zusätzlichen E-Antrieb zwischen 422 und 1339 Liter sind.

Der Akku kann über eine Steckdose an der Seite hinten links aufgeladen werden. Eine DC-Schnellladeoption wie bei Plug-in-Modellen von Mercedes bietet der Opel leider nicht. Voll ist ein leerer Akku frühestens nach rund zwei Stunden und auch das nur, wenn man das kräftigere Ladegerät bestellt, das die serienmäßige Ladeleistung von mickrigen 3,7 auf 7,4 kW an einer Phase anhebt – selbst an einem 22-kW-Ladeanschluss.

Zu Hause bringt die immerhin 500 Euro teure Option in den meisten Fällen keine Beschleunigung, denn die geförderten Wallboxen liefern an einer Phase nur 3,7 kW. Stellantis hätte den Plug-in-Hybriden mit einem zweiphasigen Lader deutlich praxisgerechter einrichten können – der Konzern hat an dieser Stelle die Chance vertan, sich mit einem zweiphasigen Ladegerät von der Konkurrenz abzusetzen. Mal schnell während seiner Erledigungen zwischenzuladen ist damit also meist keine Option und führt dazu, dass der Astra seltener als sein Fahrer es vielleicht möchte, elektrisch gefahren werden kann.

Opel Astra PHEV Interieur (6 Bilder) [6]

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Alles anders, aber nicht alles schlechter: Zwei Bildschirme auf einem gebogenen Feld, Head-Up-Display ohne Hilfs-Scheibe und trotzdem noch eine Menge die Bediensicherheit verbessernder physischer Knöpfe. 

Auf die Verkäufer kommt zudem ein erhöhter Aufklärungsbedarf hinzu, wollen diese ihre weniger gut informierten Kunden nicht nachhaltig verärgern. Denn die optionale Ladeleistung von 7,4 kW lässt sich in der Regel nur an öffentlicher Ladeinfrastruktur nutzen. In der heimischen Garage dürfte fast überall bei 3,7 kW an einer Phase Schluss sein, selbst wenn dort eine geförderte Wallbox mit 11 kW hängt.

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Die aktuelle Subventionspolitik rückt Hybrid und alleinigen Verbrenner finanziell nah aneinander. Der günstigste PHEV kostet in der Ausstattung "Business Edition" 35.800 Euro, von denen 7177 Euro Förderung abgezogen werden können. Damit liegen zwischen Verbrenner und Hybrid keine Welten mehr, wobei der PHEV mit 133 kW Systemleistung erheblich kräftiger ist als der stärkste Benziner mit 96 kW. Es bleibt eine Differenz von knapp 1600 Euro beim Listenpreis, wenn man als Referenz den 96-kW-Benziner mit Automatik heranzieht. In der Praxis dürfte der Abstand zwischen den Modellen größer sein, denn für den geförderten Hybrid werden in der Regel geringere Nachlässe gewährt.

Im Laufe des Jahres reicht Opel einen zweiten Plug-in-Hybrid im Astra nach, der im Peugeot 308 auf gleicher Plattform schon zu haben ist. Die Systemleistung liegt hier bei 165 kW, wobei der E-Motor mit 81 kW unverändert bleibt. Die Mehrleistung kommt von Benziner, der im stärkeren Hybrid 133 statt 110 kW leistet. Im Peugeot liegen zwischen beiden PHEV genau 2000 Euro, im Opel Astra rechnen wir mit einem ähnlichen Zuschlag.

Wer die Möglichkeit hat, zu Hause oder am Arbeitsplatz zu laden, dürfte mit einem batterieelektrisch angetriebenen Auto in den meisten Fällen besser bedient und zukunftssicherer aufgestellt sein. Vor allem, wenn es mit dem nicht konsequent umgesetzten Hybridantrieb des Astra vergleicht. Die gute Nachricht für Astra-Begeisterte mit Blick auf die Antriebswende: Einen batterieelektrischen Astra-e soll es ab kommendem Jahr geben. Stellantis wird vermutlich die Chance nutzen und diesen Antriebsstrang dann auch in den Kombis von Astra und 308 anbieten.

(fpi [9])


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[4] https://www.heise.de/autos/artikel/Klartext-Contra-Beruehrungsbedienung-4585339.html
[5] https://www.heise.de/tests/VW-Golf-1-5-TSI-im-Test-Bestseller-auf-Mutkurs-4716668.html
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