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Test Opel Corsa 1.2

Martin Franz
Opel Corsa

(Bild: Florian Pillau)

Nach vielen Jahren gibt es endlich wieder einen komplett neuen Corsa. Im Test mit dem 100-PS-Benziner sollte er seine Qualitäten unter Beweis stellen

Manche Wege im Leben kreuzen sich nur fast. Vor vielen Jahren wollte ich eigentlich nur die Hinterachsbuchsen in meinem alten Dreier wechseln. Dabei entdeckte ich ein ölfeuchtes Differenzial und reichlich Rost, wo keiner sein sollte. Dann riss auch noch die Bremsleitung. Die Zuneigung zu meinem E30 war temporär ein wenig getrübt. Es war der winzige Moment, in dem ein Corsa Joy mit Schiebedach, Klimaanlage und 82 PS, der so beim örtlichen Opel-Händler stand, plötzlich eine gewisse Anziehungskraft hatte. Eine realistische Betrachtung meiner finanziellen Möglichkeiten und meine nachhaltige E30-Begeisterung verhinderten, dass der Corsa und ich Lebensabschnittspartner wurden. Sympathisch blieben mir die Corsas, was einerseits mit der Fahrzeuggröße, andererseits auch damit zusammenhängt, dass sie innen nicht ganz so verspielt sind.

In dieser Hinsicht unterscheidet sich der neue Corsa – für mich wohltuend – vom Peugeot 208 [1] auf gleicher Basis, der deutlich progressiver gestaltet ist. Wichtiger erscheint aber, dass der Corsa ordentlich zusammengebaut ist. Auch bei der Materialauswahl wirkt nichts übertrieben gespart, ohne dass Opel hier neue Maßstäbe angestrebt hätte. Die setzt das Auto leider auch bei der Nutzung der Verkehrsfläche nicht. Für meine langen Beine ließ sich der elektrisch verstellbare, eigentlich recht bequeme Fahrersitz nicht weit genug nach hinten rücken. Das klappt im Mini meiner Frau erheblich besser.

Ich bin mit großen Füßen gestraft, die sich im knappen Fußraum mit eng stehenden Pedalen schon mal verheddern. Auch der Kofferraum ist mit 309 Litern etwas kleiner als beispielsweise im Renault Clio [2]. Unabhängig davon ist im Fond das Raumangebot etwas knapper als beispielsweise im Seat Ibiza (Test) [3]. Im Testwagen wurde die Kopffreiheit hinten vom optionalen Glasdach eingeschränkt, das sich nun, anders als noch im Vorgänger, nicht mehr öffnen lässt. Ein Rückschritt, den einige Fahrer in der Redaktion bedauerten.

Das feste Glasdach [4] ist nicht die einzige Stelle, an der die Handschrift der Franzosen deutlich wird. Im Testwagen war das „Multimedia Navi Pro“ eingebaut. Es kostet 1000 Euro und ist nur zusammen mit einem schlüssellosen Zugang und der Klimaautomatik zu haben. Letztere war im Testwagen nicht verbaut – eine Kombination, die es so also eigentlich nicht geben dürfte. Leider reagiert der Berührungsbildschirm etwas zäh auf Eingaben.

Doch das eigentliche Problem liegt an anderer Stelle: PSA, von denen Opel dieses System übernommen hat, hat sich viel Mühe gegeben, Optionen in verschiedenen Menüs auf unterschiedlichen Ebenen zu verstecken – und war leider erfolgreich. Das ganze System wirkt unglaublich verschachtelt. Der Mensch gewöhnt sich letztlich an vieles, wenn die grundsätzliche Bereitschaft dazu da ist. Hier stellt sich für mich aber die Frage, warum das derart gedankenlos zusammengesteckt wurde. Meine Empfehlung: Sparen Sie sich das Geld und nutzen Sie Android Auto oder Apple Carplay [5]. Beides ist ab der Ausstattungslinie Elegance serienmäßig.

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Damit bleibt einem auch das Display als Kombiinstrument erspart. Mit seinen breiten Rändern und der frugalen Darstellung wirkt es neben dem Instrumenteneinsatz mit Zeigern etwas unglücklich, um nicht zu sagen: billig. Glücklicherweise kann der Kunde hier frei wählen, sofern er nicht die große Ausbaustufe des Navigationssystems ordert.

Die Assistenzsysteme agieren auf unterschiedlichem Niveau. Der Spurhalte-Assistent pflegt dabei eine gewisse Tradition. Wie schon in einigen Testwagen von Opel beobachtet, hat er eine erhebliche Sehschwäche. Die Erkennungsquote würde ich auf 60 Prozent schätzen, womit dieser Helfer nicht hilfreich ist. Sehr viel besser funktioniert der Abstandstempomat, der meistens ohne rüde Bremsmanöver auskommt. In Verbindung mit dem Schaltgetriebe arbeitet er ab 30 km/h.

Gut gefallen hat mir das aufpreispflichtige Matrix-Licht, das in dieser Klasse aktuell nur der Corsa und der Mazda 2 [8] bieten. Der Corsa erkennt andere Verkehrsteilnehmer sehr zuverlässig und blendet diese aus. Wer unbedingt nörgeln will, könnte dem System ankreiden, dass der Schatten teilweise etwas groß ist. Aber in dieser Klasse ist für eine noch feinere Auflösung die Marge zu klein. Für den Corsa Elegance kostet das Matrix-Licht 700 Euro, die es meines Erachtens wert sind.

Aufgeräumt hat Opel bei den Motoren. Im Vorgänger war noch eine wilde Mischung aus Saug- und Turbomotoren mit unterschiedlicher Zylinderzahl und verschiedenen Getrieben zu haben. Dagegen ist die Preisliste vom Dezember 2019 ziemlich übersichtlich. Dort findet sich der Corsa-e, ein Diesel mit 102 PS sowie drei Dreizylinder-Benziner mit 75, 100 und 130 PS. Der Diesel erfüllt die Abgasnorm Euro 6d-Temp, die Benziner alle die Euro 6d [9].

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Im Testwagen war der 100-PS-Benziner eingebaut. Er ist der Einzige, bei dem der Kunde die Wahl zwischen einem Sechsgang-Schaltgetriebe, wie im Testwagen verbaut, und einer Achtgang-Automatik hat. Die Kombination mit dem Schaltgetriebe erwies sich im Test als gute Wahl. Die kleine Maschine bietet ein ausreichendes Temperament, subjektiv bleibt er ein unbedeutendes Stückchen hinter dem 95-PS-Dreizylinder von Volkswagen zurück, obwohl er etwas mehr Leistung und mit 205 Nm deutlich mehr Drehmoment bietet. Das Getriebe lässt sich leicht betätigen, die beiden höchsten Gänge sind sehr lang ausgelegt.

Nüchtern betrachtet bietet dieser Motor schon mehr Temperament, als man im Alltag unbedingt braucht. Vom Basismotor mit 75 PS und 118 Nm setzt er sich deutlich ab, leider auch finanziell. 1680 Euro liegen zwischen den Alternativen, was in dieser Klasse eine Menge Holz ist. Der Diesel ist nochmals 1820 Euro teurer als der 100-PS-Benziner, was den Kreis der Interessenten vermutlich ziemlich einschränkt, wobei der Selbstzünder in dieser Klasse nie ein Renner war.

Beim Verbrauch konnte der Corsa in diesem Test keine neuen Spitzenwerte erzielen. Bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt kamen wir über Land auf rund 5,4 Liter, im Kurzstreckenbetrieb waren es etwas mehr als 6,5. Da geht sicher noch etwas weniger, die Testwagenbereifung mit 215/45 R17 mag ihren Anteil daran haben.

Unterschiedlich wurde in der Redaktion das Motorgeräusch beurteilt, wobei wir uns zumindest darin einig waren, dass der Corsa nicht besonders leise ist. Christian fand ihn „männlich und sportlich“ und meinte das vermutlich ganz ernst. Florian meinte, das typische Hämmern dürfte etwas besser weggedämmt sein. Ich fand das kleine Motörchen ganz schön brummig, bin in dieser Hinsicht aber auch anspruchsvoll: Bei den meisten Motoren bin ich schlicht froh, wenn ich sie nicht hören muss. Das für mich angenehmste Geräusch wird also vermutlich der Corsa-e [12] haben. Irritierend fanden übrigens alle Fahrer, dass man auf den Startknopf so lange drücken muss, bis die Maschine angesprungen ist. Fast überall reicht ansonsten inzwischen ein Antippen.

Einen guten Kompromiss hat Opel bei der Abstimmung von Federung und Dämpfung gefunden. Die meisten Unebenheiten werden unauffällig rausgefiltert, trotzdem hat der Fahrer eine gewisse Rückmeldung. Kurven geht der Corsa nicht übermäßig engagiert an. Ganz merkwürdig fühlt sich die künstliche Rückstellung des Lenkrads um die Mittellage an. Sie ist asymmetrisch, die Kraft aus der Drehung Richtung Mitte ist schwächer als die sich aufbauende Gegenkraft auf der anderen Seite. Auf der Autobahn geht es noch, in Stadt- oder Überlandverkehr stört es aber einfach. Wenn man glaubte, die ohnehin vorhandene Rückstellkraft der Vorderachse von der Lenkunterstützung verstärken zu müssen, hat man das bisher immer linear oder proportional gemacht, damit es sich „natürlich“ anfühlte. Es ist einer der wenigen Punkte, die im Corsa schon einmal besser gelöst waren.

Ich gebe offen zu, dass ich immer mal wieder erschüttert bin, was nach nur wenigen Klicks im Konfigurator unterm Strich erscheint. Ein 100-PS-Corsa überschreitet rasch einen Listenpreis von 20.000 Euro, der – sehr umfangreich ausgestattete – Testwagen die Marke von 26.000 Euro. Klar, das zahlt in der Realität nur ein sehr uninformierter Käufer, in den Autobörsen werden neue Opel Corsa mit LED-Scheinwerfern ab etwa 17.000 Euro aufwärts gehandelt. Das ist eine durchaus selbstbewusste Ansage, denn dafür finden sich auf dem Markt eine Reihe von interessanten Alternativen zum Corsa. Unsere Wege werden sich wohl erst wieder nahe kommen, wenn ein Corsa-e in finanzieller Reichweite liegt. Der wird es leichter haben als sein Vorfahr, muss er doch nicht mehr gegen einen E30 antreten.

Datenblatt
Hersteller Opel
Modell Corsa 1.2 Elegance
Motor und Antrieb
Motorart Benziner
Zylinder 3
Ventile pro Zylinder 4
Hubraum in ccm 1199
Leistung in kW (PS) 74 (100)
bei U/min 5500
Drehmoment in Nm 205
bei U/min 1750
Antrieb vorn
Getriebe Schaltgetriebe
Gänge 6
Fahrwerk
Spurweite vorn in mm 1489
Spurweite hinten in mm 1488
Lenkung Elektro-mechanische Servolenkung
Wendekreis 10,74
Reifengröße vorn 215/45 R17
Reifengröße hinten 215/45 R17
Bremsen vorn Scheiben
Bremsen hinten Scheiben
Maße und Gewichte
Länge in mm 4060
Breite in mm 1765 (1960 mit Außenspiegeln)
Höhe in mm 1433
Radstand in mm 2538
Kofferraumvolumen in Litern 309
max. Kofferraumvolumen in Litern 1081
Leergewicht in kg nach EU inklusive 68 kg Fahrer und 7 kg Gepäck 1165
Zuladung in kg 455
Dachlast in kg 70
Anhängelast in kg 55
Tankinhalt in Litern 44
Fahrleistungen
Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in Sekunden 9,9
Höchstgeschwindigkeit in km/h 194
Verbrauch
Verbrauch WLTP in Litern/100 km 5,4 bis 5,9
Testverbrauch Minimum in Litern 5
Testverbrauch Durchschnitt Litern 5,9
CO2-Emission WLTP in g/km 122 bis 134
Abgasnorm Euro 6d
Schlüsselnummern zu 2.1 / zu 2.2
Daten Stand Dezember 2019
Preisliste
Modell Corsa 1.2
Ausstattungslinie Elegance
Preis für diese Ausstattungslinie 17530
Infotainment
DAB+ Serie
USB-Anschluss Serie
Soundsystem -
Navigationssystem Ab 800
Freisprecheinrichtung Serie
Head-up-Display -
Assistenz
Tempomat Serie
Abstandstempomat 450
Einparksensoren vorn 760
Einparksensoren hinten 355
Einparkassistent Ab 650
Rückfahrkamera Ab 650
Müdigkeitserkennung Serie
Spurhalteassistent Serie
Matrix-Licht 700
Funktion
LED-Scheinwerfer Serie
Alarmanlage 300
schlüsselloser Zugang 325
Komfort
Sitzheizung 350 (im Paket)
Ledersitze 1450
beheizbares Lenkrad 350 (im Paket)
Lederlenkrad Serie
Klimaanlage Serie
Klimaautomatik 310
Automatikgetriebe 1760
Schiebedach -
festes Glasdach 700
Sonstiges
Metalliclack 495
Leichtmetallfelgen Serie
Preisliste Stand 01.12.19

(mfz [13])


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[1] https://www.heise.de/autos/artikel/Fahrbericht-Peugeot-208-4472397.html
[2] https://www.heise.de/autos/artikel/Erste-Ausfahrt-Renault-Clio-2019-4397903.html
[3] https://www.heise.de/autos/artikel/Im-Test-Seat-Ibiza-1-0-EcoTSI-Style-3889096.html
[4] https://www.heise.de/autos/artikel/Nervtoetende-Details-und-unsinnige-Ideen-in-unseren-Autos-2382391.html?view=bildergalerie&bild=8
[5] https://www.heise.de/autos/artikel/Was-bieten-Android-Auto-und-Apple-Carplay-4475656.html
[6] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_4651212.html?back=4651096;back=4651096
[7] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_4651212.html?back=4651096;back=4651096
[8] https://www.heise.de/autos/artikel/Vorstellung-Mazda-2-Mildhybrid-4647488.html
[9] https://www.heise.de/autos/artikel/Abgasnorm-Euro-6-Was-wichtig-wird-4600305.html
[10] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_4651212.html?back=4651096;back=4651096;back=4651096
[11] https://www.heise.de/bilderstrecke/bilderstrecke_4651212.html?back=4651096;back=4651096;back=4651096
[12] https://www.heise.de/tests/Probefahrt-mit-Opels-Elektroauto-Corsa-e-In-Bestform-4681037.html
[13] mailto:mfz@heise.de