iX 10/2019
S. 102
Wissen
Navigation

Kurz erklärt: Positionsbestimmung im WLAN

Ortskundig

Uwe Schulze

Navigation mit GPS ist im täglichen Leben unverzichtbar. Das Satellitensignal durchdringt aber keine Gebäude und für viele Anwendungen ist es nicht genau genug. Hier bietet Wi-Fi Location einen Ausweg.

Bereits zu Beginn der WLAN-Entwicklung wurden Lokalisierungsdienste implementiert. Sie dienten vor allem dem Auffinden von Geräten, etwa Beamern in Bürogebäuden. Mit dem Aufkommen von Bluetooth Low Energy (BLE) schwand das Interesse daran, da BLE-­Beacons nicht nur weniger Energie benötigen, sondern auch ganz neue Anwendungsszenarien eröffnen. Insbesondere das Lokalisieren von Personen elektrisierte den stationären Einzelhandel: Persönliche Daten von Kunden sowie deren Aufenthaltsdauer und in der Filiale zurückgelegte Wege sind wertvoll. Deshalb enthalten viele Access-Points ein BLE-Modul.

Grundsätzlich gilt es zu unterschieden, ob das Endgerät nur lokalisiert werden (etwa für eine Museums-App) oder ob es selbst seine Position bestimmen soll, wie es die Indoor-Navigation erfordert. In letzterem Fall werden Informationen über die Standorte der Access-Points benötigt, die die Infrastruktur liefert. Zudem muss eine Verbindung zu diesen Diensten im Netzwerk oder in der Cloud bestehen. 

Abstand halten

Sowohl im WLAN als auch für BLE diente bisher die Signalstärke als Grundlage für die Positionsbestimmung. Diese Methode nennt sich Received Signal Strength In­dicator (RSSI) und errechnet die Entfernung zur Basisstation aus der Dämpfung der eintreffenden Signale. Ein einzelner Access-­Point reicht dabei für die genaue Bestimmung des Standortes nicht aus, vielmehr sind mehrere ortsfeste Sender (BLE Beacons oder APs) nötig. Mit drei Fixpunkten ist die Ortung hinreichend genau (siehe Abbildung); jede weitere Station kann die Genauigkeit verbessern. Sie wird aber maßgeblich durch bauliche Gegebenheiten beeinflusst – und durch die räum­liche Verteilung der Access-Points. Mit Kalibrierungen lassen sich die konkreten Umgebungsbedingungen berücksichtigen.

Zur Ortsbestimmung mittels Feldstärke- oder Laufzeitmessung sind mindestens drei Basisstationen erforderlich.
American Society of Civil Engineers

Dieser hohe Implementierungsaufwand für eine oftmals doch nicht zufriedenstellende Genauigkeit ist einer der Gründe dafür, dass die Ortung über WLAN-Funkmodule ein Schattendasein fristet. Deshalb implementieren die Hersteller der Access-­Points zunehmend eine andere Technik: Round-Trip Time (RTT). Sie nutzt die unterschiedlichen Signallaufzeiten zu mehreren Access-Points für die Berechnung des Standortes. Dies ähnelt der Positionsbestimmung mittels GPS. Während die Dämpfung von unkontrollierbaren Faktoren wie der Zahl und dem Aufenthaltsort der anwesenden Personen beeinflusst wird und laufend schwankt, hängt die Signal­laufzeit im Medium Luft (mit Ausnahme reflektierter Signale) nur von der zu ermittelnden Entfernung ab. 

Die Distanzen und damit die Laufzeiten – erst recht deren Differenzen – sind im Vergleich zu GPS verschwindend gering. Es geht um Milliardstel Sekunden: Pro Nanosekunde (in scherzhafter Anlehnung an die Entfernungseinheit Lichtjahr auch „Lichtfuß“ genannt) legt ein elektromagnetisches Si­gnal rund 30 cm zurück und entsprechend genau muss die Messung sein. Das Ermitteln der Round-Trip Time ist einfach zu implementieren, weil sie nur aus einem einzigen Handshake besteht. Die Gegenstellen müssen aber über eine hinreichend genaue Systemzeit verfügen, da keine Synchronisierung stattfindet. Weiter erhöhen lässt sich die Genauigkeit der Standort­bestimmung durch einen mehrstufigen Handshake, in dessen Verlauf beide Gegenstellen Zeitstempel austauschen (Fine Time Measurement, FTM). Die Wi-Fi Alliance hat dafür die Zertifizierung „Wi-Fi Certified Location“ eingeführt. Unter der Bezeichnung „Next Generation Positioning“ standardisiert das IEEE diese Funktion unter der Bezeichnung 802.11az. 

Zu den ersten zertifizierten Produkten gehören WLAN-Chipsets von Broadcom, Intel, Marvell und Qualcomm mit speziellen Hardware-Zeitnehmern. Damit sind aktuelle Wi-Fi-6-APs für FTM gerüstet; etwas länger wird es dauern, bis auch Endgeräte damit ausgestattet sind.

Ein entscheidender Aspekt ist die verbindungslose Kommunikation zwischen Access-Point und Endgerät. Das Smartphone muss nicht im WLAN angemeldet sein, um Positionsinformationen zu erhalten. Die FTM-Datenpakete werden im sogenannten Pre-Association Mode übertragen, der einer Verbindung vorausgeht. 

BLE ab Version 5.1 kennt noch eine weitere Technik zur Lokalisierung von Endgeräten: Das über mehrere Antennen empfangene Signal wird hinsichtlich seiner Phasenverschiebung analysiert. Daraus lässt sich der Einfallswinkel des Si­gnals berechnen.

Fazit

Die Implementierung von Fine Time Measurement in gebräuchlicher Hardware macht die Lokalisierung im WLAN nicht nur genauer (bis auf wenige Meter), sondern auch einfacher. Aufwendige Messungen und Kalibrierungen entfallen. Damit hat FTM das Zeug, in vielen Anwendungsszenarien anstelle von BLE Beacons zum Einsatz zu kommen. Und da in Gebäuden fast immer eine WLAN-Infrastruktur vorhanden ist, bedeutet es keinen zusätzlichen Aufwand. (un@ix.de)

Uwe Schulze

ist freier Autor in Berlin.

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