iX 2/2020
S. 78
Report
Vernetzung

WLAN-Marktübersicht: Wi-Fi 6 im Unternehmenseinsatz

Durchsatzoptimiert

Uwe Schulze

Die sechste WLAN-Gerätegeneration hält bereits eine ausreichende Auswahl an Access-Points für einen Umstieg bereit. Eine Marktübersicht zeigt, ob und wann er sich lohnt.

Etwa alle drei Jahre erscheinen Access-Points mit neuer Hardware fürs WLAN, meist im Rhythmus der jeweiligen Industrienormen. Als das IEEE im Jahr 2012 seinen letzten WLAN-Standard 802.11ac verabschiedete, bestand eigentlich Konsens darüber, dass damit die Übertragung im 5-GHz-Band weitgehend ausgereizt ist. Die Grenzen der Physik waren erreicht. Mit 802.11ax gibt es nun aber doch noch einen neuen Standard für diesen Frequenzbereich, weil sich im jahrelangen praktischen Betrieb zeigte, dass weitere Verbesserungen möglich sind. Außerdem verschoben sich die Zielparameter, weshalb auch von „High Efficiency Wireless“ die Rede ist. Stand in der Vergangenheit vor allem die Durchsatzsteigerung im Vordergrund, so verbessern die neuen Access-Points den Upload, sparen Strom bei IoT-Sensoren und erhöhen die Zahl gleichzeitig nutzbarer Endgeräte. Das prädestiniert sie für den Einsatz in Hotels, Messehallen oder Sportarenen. Allein während des Super Bowl 2019 sollen 24 Terabyte innerhalb des Stadions übertragen worden sein.

Der Vorgängerstandard 802.11ac definierte nur die Übertragung im 5-GHz-Band. Nahezu alle Access-Points können aber auch im 2,4-GHz-Band funken, weil sie abwärtskompatibel zu 802.11n sind. Nun wird die Übertragung in beiden Bändern wieder in einem Standard zusammengeführt. Ausdrücklich vorgesehen ist die gleichzeitige Nutzung beider Frequenzbänder. APs mit Dualband-Funkmodulen („Radios“) wie Broadcoms BCM43684 können auch doppelt im 5 GHz-Band senden und empfangen. Dies sollten die ­Access-Points dynamisch beherrschen, sonst wird das 2,4-GHz-Band nicht mehr bedient und ältere Clients bleiben aus­geschlossen. Manche Geräte verfügen über ein drittes WLAN-Modul für die Spek­tralanalyse, für Verbindungstests und Wireless Intrusion Dedection and Prevention (WIDS/WIPS). Einige APs können sogar mit zwei Radios im 5-GHz- und ­einem im 2,4-GHz-Band gleichzeitig ­funken (siehe Tabelle „WLAN-Standards im Vergleich“).

Aktuelle Wireless-Standards im Vergleich
IEEE-Norm 802.11ac 802.11ad 802.11ax
maximale Brutto-Datenraten 6,9 GBit/s 7 GBit/s 9,6 GBit/s
maximale Reichweite 50 m 10 m über 50 m
Frequenzband 5 GHz 60 GHz 2,4 GHz und 5 GHz
maximale Anzahl von Sende-/Empfangsteilen 4×4 (Wave 1) 8×8 (Wave 2) 1 8×8
maximale Kanalbreite 80 MHz (Wave 1) 160 MHz (Wave 2) 2000 MHz 160 MHz
Modulation 256-QAM 64-QAM 1024-QAM
Antennentechnologie MU-MIMO (Downlink) Beam­forming MU-MIMO (Down- und Uplink)

Die Herstellervereinigung Wi-Fi Alliance (WFA) vermarktet neue Geräte nach 802.11ax als Wi-Fi 6 – wohl auch in Anspielung darauf, dass Wireless LANs dem Mobilfunkstandard 5G bereits eine Ver­sionsnummer voraus sind. Der Vorgänger 802.11ac firmiert unter Wi-Fi 5. Die WFA versteht ihr Marketing-Handwerk; Touristen an internationalen Hotelrezeptionen fragen meist nach „Wi-Fi Access“ und nicht nach „WLAN“ (Abbildung 1).

Bereits im Laufe des Jahres 2020 sollen die meisten installierten Enterprise-APs Wi-Fi 6 beherrschen (Abb. 1).
650 Group

Wi-Fi 6 und 5G werden oft in einem Atemzug genannt, da sie insbesondere für Serviceprovider gleichermaßen interessant sind. Schon jetzt können viele Mobilfunkkunden die Hotspots der Carrier an Bahnhöfen oder Flughäfen nutzen. Das entlastet die LTE-Netze, und Geräte ohne SIM-Karte wie Tablets oder Notebooks kommen ins Internet. Da sich mit 5G die Reichweiten der Funkzellen verkleinern, gewinnt Wi-Fi 6 als komplementäre Technik für die Serviceprovider an Bedeutung. Schätzungen zufolge soll bereits mehr als die Hälfte des gesamten Internetdatenverkehrs seinen Weg zum Endgerät über eine WLAN-Verbindung finden. Auch technisch nähern sich beide Funkstandards immer mehr an. Beamforming, Channel Aggregation und parallele Datenströme kamen zuerst im Mobilfunk zum Einsatz.

Insbesondere in Unternehmensnetzen werden die Karten zwischen Wireless LAN und Mobilfunk neu verteilt, da Deutschland als eines der ersten Länder lokale 5G-Frequenzen an Unternehmen vergibt. BMW und VW befinden sich bereits in der Planungsphase; die Messe Hannover wird ihr 100 Hektar großes Gelände zu einer privaten 5G-Pilotregion ausbauen. Der parallele Einsatz von WLANs und Mobilfunknetzen nimmt zu; Zyxel verwendet deshalb bereits 5G-Filter zur Vermeidung von Interferenzen.

Frequenzen effizienter genutzt

Wie schon beim Vorgängerstandard wurde auch bei Wi-Fi 6 noch einmal an allen Schräubchen gedreht, die weitere Fortschritte versprechen. Dabei zielen die Verbesserungen nicht nur auf die werbewirksame Erhöhung der maximalen Übertragungsrate, sondern vor allem auf die effizientere Nutzung des Frequenzspektrums und Verbesserungen unter schlechten Umgebungsbedingungen – „real-world conditions“ nennen das die Hersteller. Zum einen liegen hier noch die größten Reserven, zum anderen wird es immer schwieriger, für die steigende Zahl von Access-Points ideale Standorte zu finden.

Deshalb sind unterschiedliche Verfahren für mehrere Ziele im Einsatz (siehe Tabelle „Verbesserungen von WLANs gemäß IEEE 802.11ax alias Wi-Fi 6“). Mit der Beliebtheit der Streamingdienste stieg ­bisher vor allem das Datenvolumen im Down­stream, doch inzwischen wächst auch der Upstream deutlich – Instagram und Cloud-Backups lassen grüßen. Die Parallelisierung mehrerer Datenströme (Multi-­User Multiple Input Multiple Output) war bisher nur im Downlink möglich; mit Wi-Fi 6 ist es nun auch für den Uplink definiert (Abbildung 2). Zusätzlich steigt die maximale Stream-Anzahl von vier auf acht; das Verfahren heißt dementsprechend 8×8 MU-MIMO. Vorher waren es maximal vier Streams. Lediglich „Wave 2“ des Vorgängerstandards hatte ebenfalls schon bis zu acht Streams vorgesehen, aber es waren kaum entsprechende Geräte verfügbar.

MU-MIMO erlaubt dedizierte Verbindungen im „Shared Medium“ Luft. Auch eine Bündelung ist möglich (Abb. 2).
LANCOM
Verbesserungen von WLANs gemäß IEEE 802.11ax alias Wi-Fi 6
OFDMA MU-MIMO
erhöht die Effizienz erhöht die Übertragungskapazität
reduziert die Latenz erhöht den Durchsatz pro Client
wirkt bei niedrigem Durchsatz wirkt bei hohem Durchsatz
wirkt bei kleinen Datenpaketen wirkt bei großen Datenpaketen

Der optimierten Übertragung vieler kleiner Datenpakete dient das Multiplexverfahren Orthogonal Frequency Division Multiple Access (OFDMA): Statt wie bisher für jedes Paket ein Band von mindestens 20 MHz zu reservieren, arbeitet es mit Unterkanälen. Auch diese Technik stammt aus dem Mobilfunk. Was dort Subcarrier heißt, nennt sich hier Resource Units (RU). Sie belegen jeweils nur 2 MHz, was eine bessere Ausnutzung des Kanals für viele kleine Datenpakete ermöglicht (Abbildung 3). Mehrere Resource Units können parallel genutzt oder gebündelt werden. OFDMA funktioniert sowohl im Up- als auch im Downlink und schränkt die Reichweite nicht ein.

Resource Units erhöhen den Durchsatz beim parallelen Übertragen kleiner Datenpakete (Abb. 3).
IEEE

Anders verhält es sich beim neuen Modulationsverfahren QAM-1024 (Quadrature Amplitude Modulation), das einen regelrechten Geschwindigkeitsschub bringen soll. Damit lassen sich zehn statt acht Bit pro Symbol übertragen und die Anzahl verwendeter Symbole vervierfacht sich. Dies bedeutet aber weniger Redundanz und damit eine geringere Störsicherheit. Die von den Herstellern beworbenen 25 bis 35% mehr Durchsatz sind also allenfalls auf kurzen Entfernungen mit Sichtverbindung zu erwarten. Welches Verfahren auch immer zum Einsatz kommt: Einen Wald von Antennen bekommen die Anwender meist nicht zu sehen, da sich sämtliche AP-Komponenten im Gehäuse verbergen lassen (Abbildung 4).

Kommentieren