iX Special 2021
S. 3
Editorial
iX Special 2021

Zwischen null und eins

Wer glaubt, dass Quantencomputer den Abschied vom Binären einläuten, irrt wohl. Auch Quanten-Bits oder Qubits kennen die Zustände eins und null, nur eben auch – theoretisch – unendlich viele dazwischen. Im Prinzip eröffnen sie uns das Universum zwischen den Nullen und Einsen und finden damit Abkürzungen beim Lösen von Aufgaben mit Unmengen an Kombinationsmöglichkeiten. Dazu zählen neben Optimierungen in der Produktion und in der Logistik – man denke nur an das Problem des Handlungsreisenden – die Suche nach geeigneten Material- und Wirk­stoffzusammensetzungen.

Daher eignen sich Quantencomputer nur für bestimmte Anwendungen. Der Grund, warum sie – wenn sie doch auch mit Einsen und Nullen umgehen können – klassischen Computern in absehbarer Zeit nicht das Wasser abgraben werden: Sie arbeiten probabilistisch, nicht deterministisch, also mit Wahrscheinlichkeiten und nur bedingt mit Kausa­litäten – was sie in die Nähe zur KI rückt.

Das wiederum verlangt ein Umdenken vor allem beim Programmieren. Zwar kennen die beim Quantencomputing verwendeten Sprachen ebenfalls Konstruktionen wie while-Schleifen und if-Verzweigungen, doch lassen sie sich nur unter bestimmten Bedingungen einsetzen. Denn um eines kommen Entwickende nicht herum, so sehr die SDKs und Sprachen im Look-and-Feel ihren klassischen Geschwistern auch entsprechen mögen: Zwischendurch den Wert eines Qubits abzufragen und dann damit weiterzurechnen funktioniert nicht, denn vor dem Messen ist der Zustand der Qubits so ungewiss wie der von Schrödingers berühmter Katze. Und nach dem Messen sind sie nicht mehr zu gebrauchen.

Noch etwas funktioniert beim Quantencomputing gänzlich anders: Qubits sind nicht kopierbar. Das stellt vor allem jene, die an einem – nicht unbemerkt abhörbaren – Quanten­internet forschen, vor ganz neue Herausforderungen. Und damit ließe sich das Quantencomputing wohl auch am umfassendsten beschreiben: Es liefert neue Antworten und wirft neue Fragen auf – für Kryptografie, Wissenschaft und Industrie.

Zumindest die Fragen, wie der Stand der Technik ist, wie Quantencomputer funktionieren, für welche Anwendungen sie sich eignen und wie sie sich programmieren lassen, versucht dieses Heft zu beantworten. Wer mitten hinein zu den Artikeln springt, die ihn interessieren, und sich unvermittelt in einer fremden Welt wiederfindet, kann zurückblättern und sich über die grundlegenden Artikel in die Materie einfinden oder das Glossar am Ende des Hefts zurate ziehen. Und wer es selbst ausprobieren will, kann das in der Cloud. Wie das geht, erklärt – wie kann es anders sein – das Heft.

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