iX 3/2021
S. 118
Wissen
Internet

Kurz erklärt: Deterministic Networking (DetNet)

Ganz bestimmt

Uwe Schulze

Während die Übertragung zeitkritischer Daten im LAN mit Time-Sensitive Networking (TSN) bereits in der Praxis angekommen ist, befinden sich entsprechende Verfahren im WAN noch auf dem Weg zur Standardisierung.

Bereits seit zehn Jahren arbeitet die Time-Sensitive Networking Task Group (TSN TG) des IEEE daran, Ethernet echtzeitfähig machen. Inzwischen sind ein Dutzend Standards finalisiert und eröffnen Ethernet in Industrie und Automobilbau neue Einsatzszenarien, häufig in Kooperation mit klassischen Feldbussystemen wie Profinet, EtherCAT oder SERCOS.

TSN definiert Techniken auf Layer 2, doch es gibt Abhängigkeiten zu den benachbarten Netzwerkschichten. Deshalb sind auch dort Erweiterungen notwendig, damit sich beispielsweise Funktionen direkt in der Hardware implementieren lassen.

Ähnliches gilt aufwärts für die Schnittstelle zu Layer 3 (Network Layer). Hier ist das zuständige Normungsgremium nicht das IEEE, sondern die Internet Engineering Task Force. Innerhalb der IETF erarbeitet die Deterministic Networking Working Group (DetNet WG) Techniken, die die Echtzeitfähigkeit von IP verbessern sollen. Dies ist deutlich schwieriger als bei TSN, da es auf Layer 3 – anders als für Ethernet – keinerlei Entfernungsbeschränkungen gibt.

Für DetNet sind die kürzlich finalisierten IETF-Standards RFC 8578, 8655, 8938 und 8939 maßgeblich. Darin sind die DetNet-Funktionen in zwei Schichten unterteilt: Der Service Sublayer ist für Schutz und Wiederherstellung der Services zuständig, während der Forwarding Sublayer die Verkehrssteuerung (Traffic Engineering) und Überlastkontrolle definiert.

Im Rahmen einer engen Zusammenarbeit von IETF und IEEE soll eine gemeinsame Architektur für die zeitkritische Übertragung auf Layer 2 und Layer 3 entstehen. So kann DetNet auch TSN-Segmente als Bridge verbinden.

Deterministic Networking betrifft den IETF-Arbeitsbereich Routing.
Internet Engineering Task Force

Zunächst trugen die Beteiligten Anwendungsfälle zusammen, um unterschiedliche Anforderungen an Latenz, Verzögerung, Laufzeitschwankungen (Jitter) und Paketverlust zu definieren. Wie bei TSN standen anfangs Audio- und Videoübertragungen im Vordergrund, die aber oft geringere Anforderungen an das Zeitverhalten stellen als etwa Anlagensteuerungen oder Autos. Streams lassen sich puffern und ein während eines IP-Telefongesprächs verworfenes Paket fällt gar nicht auf. Andere zeitkritische Anwendungen gibt es in der Automatisierungstechnik und der M2M-Kommunikation (Machine to Machine). Hier fallen oft nur geringe Datenmengen an, aber die Anforderungen an kurze und deterministische Übertragungszeiten sind hoch. Außerdem sind sehr geringe Paketverlustraten von unter einem Millionstel, zum Teil sogar bis zu einem Zehnmilliardstel zu gewährleisten.

Neue IoT-Anwendungen sollen durch die Anbindung von Mobilfunkbasissta­tionen an DetNet-­fähige Switches erschlossen werden – insbesondere für 5G.

Die DetNet-Techniken zur Reduzierung von Verzögerungen und Paketverlusten ähneln denen auf Layer 2. Die Grundlage dafür bildet die Zeitsynchronisation über alle Knoten im Netzwerk mit einer Genauigkeit von unter einer Mikrosekunde.

Mittels Resource Reservation werden Puffer und Links für priorisierte Streams freigehalten. Multipath Routing nutzt redundante Wege, um Daten mehrmals zu übertragen und am Ziel den schneller eintreffenden oder vollständigeren Datenstrom zu verwenden (Replication und Elimination). Hinzu kommt eine Warteschlangenoptimierung (Queuing) und eine bevorzugte Behandlung bestimmter Datenpakete (Packet Preemption). Schließlich müssen zusätzliche Policy-Prozesse implementiert werden. IP ist darauf ausgelegt, dass höhere Softwareschichten dies durch erneute Übertragung (bei Dateien) oder durch Verwerfen (bei Streams) lösen. Beides passt nicht zu zeitkritischen Anwendungen.

Nur unter eigener Regie

DetNet soll die Koexistenz von zeitkritischem und gewöhnlichem Traffic im selben Netz so organisieren, dass Echtzeitcharakteristik und Performance nicht beeinträchtigt werden. Im WAN sind hierfür IP und Multiprotocol Label Switching (MPLS) vorgesehen. Allerdings kommen nur private Netze infrage und nicht das öffentliche Internet, da sich hier die einzelnen Knoten nicht beeinflussen lassen.

Aufgrund der größeren Ausdehnung und zahlreicher Schnittstellen im WAN sind im Vergleich zu TSN mehr Sicherheitsfunktionen nötig. Diese befinden sich noch in der Entwicklung. Ein weiteres Dokument im Draft-Stadium befasst sich mit der automatisierten Konfiguration von DetNet-Netzen. (un@ix.de)

Uwe Schulze

ist freier Autor in Berlin.

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