iX 2/2023
S. 3
Editorial
Februar 2023

eAU – AU – AU: E-Health tut wohl immer weh

Jonas Volkert

Deutsche E-Health-Projekte müssen Schmerzen bereiten. Zahlreiche teilgescheiterte Beispiele wie das E-Rezept oder die elektronische Patientenakte zeugten und zeugen von dieser scheinbar unumstößlichen Wahrheit. An dieser Stelle soll aber kein generelles Politik-Digitalisierungs-Bashing folgen. Nein, vielmehr gibt es seit Jahresbeginn ein Projekt, das tatsächlich allgemein verpflichtend ist und das diese allgemeingültige Regel ins Wanken zu bringen droht, weil es überraschend geräuschlos eingeführt wurde. Und auch technisch inzwischen recht gut funktioniert. Fast schon unheimlich, diese elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (zum Glück hat sich die Abkürzung eAU etabliert). Aber Stopp, das geht alles viel zu schnell – viel zu viel Aufwand und überhaupt ganz und gar überraschend in verschiedenen Facetten, findet der Bundesverband mittelständische Wirtschaft. Deutsche E-Health-Projekte müssen also doch Schmerzen bereiten.

Die eAU ist wohl das eine E-Health-Vorhaben, auf das sich (fast) alle einmal einigen konnten. Selbstverständlich ist man auch mit der digitalen Krankmeldung hierzulande spät dran, analoge Prozesse samt Briefversand muteten schon lange antiquiert an. Die neuen digitalen Krankmeldungen, nahezu papierfrei, schienen auch deshalb allen Akteuren des Gesundheitswesens sinnvoll. Das räumt übrigens sogar der Bundesverband der Mittelständler in seiner Beschwerdeschrift kurz nach der Pflichteinführung ein. Und doch gehe das hier alles mal wieder viel zu schnell.

Dass Branchenverbände gerne mal in Generalopposition treten, wenn für ihre Klientel Mehraufwand droht: Geschenkt, das ist ja auch ein Stück weit ihre Aufgabe. Bestenfalls machen sie das dann aber mit Einwänden, die irgendjemanden überzeugen könnten. Nur ist das diesmal beim besten Willen nicht der Fall. Da ist einerseits das betriebswirtschaftliche Argument. Wegen langsamerer Prozesse und großzügigerer Fristen wüssten Arbeitgeber nun nicht mehr, wie lange Arbeitnehmer ausfallen würden. Die Betriebe müssten daher mehr Rücklagen bilden – und das in diesen wirtschaftlich unsicheren Zeiten …!

Zugegeben, als IT-Journalist habe ich nicht die ausreichende Expertise, eine derartige BWL-Argumentation auszuhebeln. So richtig einleuchten mag sie mir dennoch nicht – krankmelden mussten sich Angestellte schon früher. Wie lange man anschließend definitiv ausfällt, wusste man damals so wenig wie heute. Und dass die Abfrage der Krankmeldung bei der Krankenkasse jetzt erst einen Tag nach dem Arztbesuch der Angestellten empfohlen wird, sollte das finanzielle Kraut eigentlich auch nicht fett machen.

Andererseits ist da das Argument, die Arbeitgeber seien von der Einführung überrumpelt worden, die nötigen internen Prozesse seien noch nicht etabliert. Längere Übergangsfristen fordert der Branchenverband daher. Ein derartiges Großprojekt von jetzt auf gleich, das ist viel zu aufwendig für die deutschen KMUs. Krankmeldungsprozesse samt gelbem Schein haben sich schließlich über Jahrzehnte etabliert. Umdenken dauert.

Was dabei jedem Betrachter auch ohne Branchenwissen auffallen müsste: Das alles waren keine Geheimnisse, die erst am 31. Dezember aus der Kiste gelassen wurden und die die Unternehmen am 2. Januar völlig überraschend getroffen haben. Die Fristen und Abläufe bei der geplanten eAU-Einführung sind lange bekannt. Nicht zuletzt, weil natürlich auch die eAU alles andere als eine Bilderbuch-Erfolgsgeschichte des digitalisierten Gesundheitswesens ist. Auch deswegen hatten im Übrigen die Arbeitgeber bereits seit Anfang 2022 die Chance, das neue Verfahren zu proben. Gemacht haben das offenbar die wenigsten. Auch die Krankenkassen wunderten sich gen Jahresende noch über das geringe Interesse seitens der Unternehmen am Informationsmaterial zum neuen Ablauf. Wer selbst nicht aus den Puschen kommt, der darf sich hinterher wahrlich nicht beschweren.

Jonas Volkert

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