US-Strafzölle gegen China: Auch Europa ist betroffen 

Die Auswirkungen der US-Strafzölle für E-Autos und Halbleiter auf Deutschland und die EU werden von Politik und Wirtschaft unterschiedlich bewertet.​

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Eine Anzahl von Neufahrzeugen der Marke BYD steht auf einem Hafenpier vor einem Transportschiff.

Fahrzeuge des chinesischen Herstellers BYD im Hafen.

(Bild: BYD)

Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Falk Steiner
Inhaltsverzeichnis

Die Ankündigung der US-Regierung, den Import bestimmter Wirtschaftsgüter aus China mit hohen Strafzöllen zu belegen, sorgt auch hierzulande für intensive Diskussionen. Politiker und Wirtschaftsvertreter sind uneinig, welche Auswirkungen die US-Maßnahmen auf Deutschland und die Europäische Union haben – und wie die Europäer nun reagieren sollten.

Am Dienstag hatte die US-Regierung bekannt gegeben, dass auf Elektrofahrzeuge aus China künftig eine Abgabe von 100 Prozent fällig wird. Der Zolltarif für Lithium-Ionen-Batterien, sofern sie in Elektrofahrzeugen eingesetzt werden, steigt auf 25 Prozent, für andere Lithium-Ionen-Batterien passiert das erst 2026. Auch Bauteile für Batterien werden jetzt mit 25 Prozent verzollt.

Auch für Solarzellen steigt die Zollabgabe auf 50 Prozent. Permanentmagneten, wie sie etwa in Windkraftanlagen gebraucht werden, werden mit einer Abgabe von 25 Prozent belegt. Halbleiter sollen ab 2025 mit 50 Prozent Zoll belegt werden. Dazu kommen erhöhte Abgaben für Hafenkräne und Medizinprodukte.

Handelt es sich bei diesen Strafmaßnahmen der US-Regierung um Aktionismus, der dem beginnenden Präsidentschaftswahlkampf geschuldet ist? Der voraussichtliche Kandidat der Republikaner, Donald Trump, bei Sanktionen gegen chinesische Unternehmen einschlägig erfahren, forderte umgehend noch weiter gehende Maßnahmen. Oder ist es der Auftakt zu einem neuen Handelskrieg zwischen den Wirtschaftsgroßmächten USA und China, bei dem Europa massiv mitbetroffen wäre?

Der Entscheidung der US-Regierung liegt eine umfangreiche Bestandsaufnahme zugrunde. Die US-Handelsbeauftragte Katherine Tai (USTR) beschreibt in ihrer Bestandsaufnahme der Sanktionen gegen China, wie und warum die Volksrepublik sich nicht an Prinzipien des Welthandels halte und sich auf unfairen Wegen Vorteile verschaffe.

Die Liste der Vorwürfe ist lang: Vom klassischen Spionagefall eines Mitarbeiters der chinesischen Staatssicherheit in den USA, den Technologietransfer durch Joint Ventures bis hin zur Wirtschaftsspionage durch die als staatsnah eingestufte chinesische Gruppierung APT27, auf die auch der deutsche Verfassungsschutz aufmerksam gemacht hatte. "Statt grundsätzliche Reformen anzugehen, ist die Volksrepublik dabei geblieben und in einigen Fällen sogar aggressiver geworden", heißt es in einer Mitteilung der USTR.

Der US-Regierung geht es um mehrere Ziele. Batterieelektrische Fahrzeuge (BEV) aus China spielen bislang nur eine kleine Rolle auf dem US-Markt. Knapp 10 Prozent aller von Januar bis April in den USA verkauften Autos haben einen elektrischen Antrieb, weniger als ein Drittel davon stammt aus China. Der Vorstoß der US-Regierung lässt sich also eher mit aktuellen Entwicklungen und mittelfristigen Erwartungen erklären: Chinas Hersteller unterbieten sich derzeit massiv bei den Preisen, während die Exportkapazität parallel zunimmt.

Chinesische Reedereien und Autokonzerne investieren derzeit nicht zuletzt in Autotransporter – Cosco allein, so berichteten es chinesische Medien, habe 24 große sogenannte Roll-on-Roll-off-Schiffe (RoRo) in Auftrag gegeben, der chinesische Autohersteller BYD peilt acht derartige Schiffe an – die "Explorer No. 1" brachte im Februar 3000 Fahrzeuge nach Bremerhaven. Der Ausstoß der chinesischen Autobauer zielt auf den Weltmarkt – und dazu gehören zumindest perspektivisch auch die USA. Dem möchte die US-Regierung frühzeitig einen Riegel vorschieben.

Auch in der EU gibt es eine intensive Diskussion darüber, ob China mit Subventionen für seine Autohersteller den Markt verzerrt und sich so unfair Wettbewerbsvorteile verschafft. Eine entsprechende Untersuchung der EU-Kommission ist im Oktober angelaufen, Ergebnisse liegen noch nicht vor. Allerdings sprach die EU-Kommission Anfang Mai eine deutliche Warnung aus: BYD, SAIC und Geely hätten bislang nicht die erforderlichen Unterlagen beigebracht.

Sollte die EU-Kommission Strafen verhängen, könnten diese auch rückwirkend gelten. 20 Prozent der in Januar und Februar in der EU registrierten BEV stammen laut den Marktforschern von JATO aus chinesischer Produktion, 33 Prozent hingegen aus deutschen Fabriken. Allerdings gibt es einen großen Unterschied zwischen den USA und der EU: Viele Elektrofahrzeuge, die in China hergestellt werden, gehören zu europäischen Marken.

Genau das sieht auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als einen maßgeblichen Unterschied, wie er am Dienstag erklärte: Er wolle darauf hinweisen, dass "50 Prozent der Importe von Elektrofahrzeugen aus China von westlichen Marken kommen, die selber dort produzieren und nach Europa importieren." Zudem würden europäische Hersteller in China und nach China erfolgreich verkaufen. "Das ist vielleicht auch ein Unterschied bei der Betrachtung", meinte der Kanzler.

Dass die USA das anders sehen, daraus machen Weißes Haus und Handelsministerium kein Geheimnis: Die Biden-Regierung hatte in den vergangenen beiden Jahren massiv auf Investitionen in den USA gesetzt, um Produktionskapazitäten für eine Vielzahl an Industrien aufzubauen. Der Inflation Reduction Act (IRA) versprach Steuererleichterungen für Unternehmen in vielen als kritisch erachteten Branchen, der CHIPS Act versprach Milliarden zur Ansiedlung eines Halbleiterökosystems.