Besser malen

Dass es sich um einen Versionssprung handelt, erkennen Gimp-Benutzer an der überarbeiteten Oberfläche der Release 2.0 sofort. Ein Test unter Mac OS X untersucht, ob das Funktionsspektrum der Bildbearbeitungssoftware jetzt auch professionellen Ansprüchen genügt.

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Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Daniel Clairmount
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Gimp steht zwar für Gnu Image Manipulation Program, eignet sich aber nicht nur zur Bildbearbeitung, sondern auch zum Retuschieren von Fotos sowie zur Bildkomposition und -verwaltung. Das Programm fällt unter die Open-Source-Richtlinien und ist daher frei verfügbar.

Für den Test der 2.0-Version standen ein G5, 2 GHz dual sowie ein G3/400 mit Mac OS X 10.3.3 zur Verfügung. Gimp läuft darüber hinaus auf allen bekannten Unix- und Linux-Plattformen sowie unter Win32. Wer Gimp 2.0 unter Mac OS X einsetzen will, muss zuerst die über www.apple.com/macosx/features/x11/download/ zu beziehende X11-Umgebung installieren.

Nach dem Start fällt als Erstes die komplett überarbeitete Benutzeroberfläche ins Auge. Mit farbigen Werkzeug-Icons und neu gestalteten Paletten, die sich aneinander docken lassen, kann der Anwender die Arbeitsumgebung auf einfache Weise seinen eigenen Bedürfnissen anpassen. Das erstellte Fensterlayout speichert Gimp automatisch. Die Größe der Paletten oder das Aussehen der Icons lassen sich über voreingestellte Themen verändern, die man bei Bedarf selbst gestalten kann.

Bevor man mit der Arbeit beginnt, empfiehlt es sich, über eine Eingabe im Terminalfenster das Klickverhalten zu ändern (defaults write com.apple.x11 wm_ffm true). Mac-Benutzer, die dies nicht tun, stolpern darüber, dass sie jedes Werkzeug zweimal anklicken müssen, um es zu aktivieren, und dass im Editorfenster zwei Klicks nötig sind, um ein Werkzeug anwenden zu können.

Häufig verwendete Menüpunkte mit Tastaturkürzeln zu verbinden, erleichtert ebenfalls die Arbeit. Dazu aktiviert man unter „Datei/Einstellungen“ die Funktion „Dynamische Tastaturkürzel“, ruft einen Menüpunkt auf und drückt die gewünschte Tastaturkombination. Leider ist die Zuweisung eines derart definierten Tastaturkürzels nicht paletten- beziehungsweise fensterübergreifend. Beim Wechsel vom Editorfenster zur Ebenenpalette wird der Shortcut inaktiv.

Das Installationsscript legt ein unsichtbares Verzeichnis .gimp-2.0 an, was sich beim Kopieren des Application-Bundle auf ein anderes Volume als problematisch erweisen kann. Beim Test konnte Gimp in einem Fall dieses Verzeichnis nicht finden und startete nicht. Für den durchschnittlichen Mac-User kein normales Verhalten, zumal keine Fehlermeldung darauf hinweist und man außer dem rotierenden Beachball kein Feedback bekommt.

Teil der Distribution sind diverse vorgefertigte Tastaturbelegungen. Will man beispielsweise die von Photoshop gewohnte übernehmen, funktioniert das theoretisch folgendermaßen: Man nennt die Datei menurc in oldmenurc um und ändert ps-menurc in menurc. Es war jedoch nicht möglich, das Programm dazu zu bringen, diese Änderung zu akzeptieren.

Für die Gestaltung der eigenen Arbeitsumgebung lassen sich fast alle Paletten in den schmalen Andockbereich ziehen, der sich am unteren Ende der Palettenfenster befindet. Steht der Mauszeiger kurz darüber, bewirkt das ein Andocken der Palette als Tabulator.

Wer Programmfunktionen braucht, die noch nicht zur Verfügung stehen, kann auf verschiedene Scriptsprachen zurückgreifen und ausführbare Scripts oder Plug-ins damit selbst programmieren. Scripts können in C, Python, Perl oder Script-Fu, der in Gimp eingebundenen Scriptsprache, programmiert werden und lassen sich durch Registrierung in der PDB (Procedural Database) anderen zur Verfügung stellen. Sich wiederholende Arbeitsschritte sind so automatisierbar. Für komplexere Aufgaben bietet sich die Programmierung eines Plug-in an. Gimp-Perl ist mittlerweile ein separates Paket, Python-Fu setzt die Installation von Python 2.2 voraus, und Perl-Fu benötigt Perl 5.8.

Der Ebenenpalette haben die Gimp-Entwickler vier neue Kombinationsmodi spendiert: „Hart Light“, „Soft Light“, „Grain Merge“ und „Grain Extract“. „Grain Merge“ entspricht etwa einer 50%igen Anwendung von „Lineares Licht“ in Photoshop, das Ergebnis von „Grain Extract“ ist mit Photoshops Ebenenfunktionen nicht nachzuvollziehen. In der deutschen Version sind diese beiden Modi noch nicht übersetzt und harren einer Erklärung.

Die Konvertierung zu CMYK-Bildern funktioniert nur über ein Plug-in, das es zurzeit lediglich für Linux- und Windows-Systeme gibt. Das konvertierte Bild rechnet Gimp nicht, wie üblich, in vier Farbkanäle um, sondern zerlegt es auf mehrere Ebenen, die der Anwender als TIFF-Datei speichern kann. Leider konnten wir keine für Mac OS X kompilierte Version für diesen Test erhalten. Darauf, den Quellcode selbst zu übersetzen, haben wir verzichtet, da es galt, die Programmfunktionen auf Tauglichkeit für den normalen Mac-Anwender zu testen.

Bei der Auswahl an Filtern lässt die Version 2.0 kaum einen Wunsch offen. Leider kommen nur wenige Filter mit einer Vorschau daher und Photoshop-Benutzer werden das prozentuale Zurücknehmen eines angewandten Filters vermissen. Dafür gibt es eine große Anzahl von Filtern, die man in anderen Grafikprogrammen vergeblich sucht und die zum Experimentieren einladen. Hilfreich hierbei ist das Journal von Gimp. Im Journaldialog kann man zu jedem Punkt der Bildbearbeitung zurückkehren. Ein enormes Plus wäre an dieser Stelle, wenn sich einzelne aufgelistete Schritte löschen ließen und die verbliebenen entsprechend angeglichen würden. Oder dass man - wie schon bei den Filtern vermisst - die Werte der einzelnen Arbeitsschritte nachregeln könnte.

Das neue Textwerkzeug ermöglicht das nachträgliche Bearbeiten von eingegebenem Text, wie Wechsel der Schriftart und -größe, Textfarbe et cetera. Auch ganze Textblöcke lassen sich importieren. Beim gleichzeitigen Ändern von Auflösung und Bildgröße geht diese Möglichkeit allerdings verloren, da Gimp in diesem Fall ein automatisches Rendering des Textes vornimmt. Nicht funktioniert hat im Test der Wechsel der Schreibrichtung. Text ließ sich nicht von rechts nach links schreiben, lediglich gesetzte Satzzeichen hat Gimp bei diesem Versuch vom Satzende an den Anfang versetzt.

Um die Farben im Verlaufs-Editor zu verändern, muss man sich durch die Menüs hangeln. Einfacher wäre eine direktere Farbzuweisung für die Reglerpositionen.

Etwas eigenwillig kommt der Farbverlaufseditor daher (siehe Abbildung). Zwar bietet die Palette eine reichliche Auswahl vorgefertigter Verläufe, doch lassen sich bei diesen die Farbbereiche nicht mehr über die dreieckigen Regler verschieben. Farben und Verlaufsarten kann der Anwender nur umständlich über das paletteneigene Menü verändern. Damit sollte er aber zurückhaltend umgehen, da es hierfür keine Undo-Funktion gibt. Es bleibt nur die Möglichkeit, über den „Auffrischen“-Button am rechten unteren Ende der Palette alle Standardverläufe auf die Ausgangswerte zurückzusetzten. Um vorhandene Farbverläufe zu bearbeiten, sollten sie dupliziert werden, da sich bei diesen die Regler editieren und verschieben lassen. Das gleiche gilt für neu erstellte Farbverläufe.

Ein komplett überarbeitetes Interface haben die Pfadwerkzeuge bekommen. Zur Bearbeitung der Pfade muss der Anwender zwischen den Modi „Design“, „Edit“ und „Move“ hin und her schalten. Die Zuordnung der Funktionen dieser Modi wirken noch ein wenig unaufgeräumt. So lassen sich im „Bearbeiten“-Modus keine einzelnen Punkte verschieben, und das Handling der Anfasser ist unterschiedlich, je nachdem, in welchem Modus man sich gerade befindet. Das Löschen eines einzelnen Punktes funktioniert weder über die Löschtaste noch über die Tastenkombination <Ctrl-K>, die unerwartet auf das Pinselwerkzeug umschaltet.

Einwandfrei klappt dafür der SVG-Import/-Export. Die importierten Vektordaten lassen sich mit den üblichen Pfadwerkzeugen weiterbearbeiten. Gimp bietet hier einen ausgefeilten Stroke-Editor an, um die Pfade mit gestrichelten Linien zu zeichnen.

Ein weiteres Plus sind die zahlreichen Dateiformate, die Gimp lesen und schreiben kann, was die Version 2.0 zu einem nützlichen Konvertierungstool für diverse Grafikformate macht. Die angepriesene Batch-Funktion erschließt sich aber nur über eine Scriptfunktion und steht daher zunächst nur denjenigen zur Verfügung, die sich nicht scheuen, Unix-Befehle zu lernen.

Unterstützt wird auch das MNG-Format, das man sich als animiertes PNG vorstellen kann. Das bedeutet mehr Farben als beim GIF-Format, Alpha-Kanäle für Masken und 256 Transparenzebenen. Alle aktuellen Webbrowser erkennen MNG. Für seine Bearbeitung bietet das Animation Package Funktionen wie Onion-Skinning, Bluescreen und sogar Audiosupport. Eine für OS X kompilierte Version des Gimp Animation Package (GAP) lag zurzeit des Tests noch nicht vor.

Aber auch ohne dieses Zusatzpaket können Anwender Animationen mit Gimp erstellen. Dazu verteilen sie die einzelnen Bilder auf Ebenen und speichern sie anschließend als GIF-Dateien. Bereits auf den Ebenen können sie eine Pause für jedes Bild eingeben und so den Ablauf beziehungsweise die Dauer der Animation kontrollieren. Unter „Filter/Animation“ kann man ein neues Bildformat erzeugen, wobei man sich zwischen den Modi „Optimieren (Differenz)“ und „Optimieren für Gif“ entscheiden kann. Der „Differenz“-Modus ersetzt jedes vorherige Bild durch das folgende, im anderen Modus fügt Gimp jedes neue Bild (Ebene) dem vorherigen hinzu, sodass die Software nur Änderungen aktualisieren muss, was die Datei wesentlich kleiner macht. Als letzter Arbeitsschritt bleibt, das Bild in ein indiziertes zu wandeln, wobei die Anzahl der Farben in der angewandten Palette möglichst gering sein sollte.

Alles in allem macht Gimp 2 einen passablen und ausgereiften Eindruck und erweist sich für den Hobbybildbearbeiter als Bereicherung in verschiedener Hinsicht. Im professionellen Bereich ist die Software nur bedingt einsetzbar, da es - bezogen auf den Test unter Mac OS X und die Anforderungen der Mac-Benutzer - an wesentlichen Funktionen fehlt. An erster Stelle steht hier eine integrierte Farbseparation über Farbkanäle, gefolgt von professionelleren Einstellungsmöglichkeiten für den Textumbruch und nicht zuletzt die Einbindung von Zusatzfunktionen wie die Batch-Konvertierung per eingebauten Dialogen, da die Mac-Gemeinde eher nicht geneigt ist, sich mit Scriptbefehlen auseinander zu setzen. Wenn man sich aber in die Scriptfähigkeit einarbeiten möchte und etwas Zeit in die Installation von Workarounds investiert, steht Gimp in der jetzigen Version den Funktionen von Photoshop nur wenig nach.

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iX-TRACT

  • Die freie Bildbearbeitungssoftware Gimp bietet viele von Photoshop her bekannte Funktionen.
  • Auffälligste Neuerung der Version 2.0 ist die überarbeitete Benutzerschnittstelle, die die Anpassung an individuelle Bedürfnisse gestattet.
  • Zu den neuen Funktionen zählen überarbeitete Text- und Pfadwerkzeuge sowie mehr Erweiterungsmöglichkeiten durch Scripting.
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iX-WERTUNG

[+] vielseitig konfigurierbar
[+] unterstützt viele Dateiformate
[+] viele Filter
[-] für Mac-Anwender gewöhnungsbedürftig

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Starthilfe

Wer sich als Neuling mit Gimp auseinander setzt, sieht sich einem komplexen Bildbearbeitungswerkzeug gegenüber, dessen zahlreiche Funktionen sich nicht sofort erschließen. Hilfe zum Umgang mit der Software findet man in den diversen User-Foren und auf Tutorial-Websites:

(ka)